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"Feldherr Stalin" soll gefeiert werden

Der 65. Jahrestag des Kriegsendes soll in Moskau unter internationaler Beteiligung mit einer Militärparade gefeiert werden. Die damaligen Alliierten könnten dabei mit überlebensgroßen Abbildungen des Sowjetdiktators Stalin konfrontiert werden - angeblich auf Wunsch von Veteranen.

Von Robert Baag |
    Wladimir Makarow, Chef des sogenannten "Werbekomitees" der Stadt Moskau, gibt sich verwundert:

    "Wir informieren doch nur darüber, wie in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges die Kommandostruktur gearbeitet hat und dass Josef Wissarionowitsch Stalin der Oberkommandierende war."

    Schautafeln mit dem Porträt des damaligen UdSSR-Staats- und Parteichefs sollen in Moskau am 9. Mai, dem 65. Jahrestag des Kriegsendes und Sieges der Sowjetunion über Hitlerdeutschland, demnach über das Stadtgebiet verteilt aufgestellt werden. Veteranen, so der Kommunalfunktionär, hätten sich das so gewünscht.

    Gennadij Sjuganow, Partei- und Fraktionschef der Kommunisten Russlands in der Duma zeigt sich darüber zutiefst befriedigt:

    "Ohne die führende Rolle der KPdSU, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, ohne die Sowjetmacht, ohne die Heldentat des Volkes", so Sjuganov, "wäre unser gemeinsamer Sieg undenkbar gewesen."

    Diese Behauptung halten russische Oppositionelle und Menschenrechtler wie Ljudmila Alekseewa für eine dreiste Anmaßung des Kommunistenführers. Eine Beleidigung für all die Millionen sei das, die wegen der stümperhaften und unbarmherzigen Befehle Stalins an den Fronten gefallen seien, empört sich die international bekannte alte Dame. Auch der Historiker und Publizist Nikolaj Swanidze, immerhin Mitglied im sogenannten "Bürgerforum", einer Art Beratungskörperschaft ohne Entscheidungsbefugnis, die noch zu Putins Präsidentenzeiten gegründet worden war, zeigt sich schockiert. Derlei Lobpreisungen Stalins zum 9. Mai habe es nicht einmal in den 60er- und 70er-Jahren, unter KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew gegeben:

    "Stalin hat so viele Menschen unseres Volkes umgebracht, dass es wohl nicht ganz richtig ist, ihn in Moskau so quasi neutral als Oberkommandierenden auszustellen. Denn Millionen unserer jungen Leute, die von dieser Zeit nichts wissen, sowie die Öffentlichkeit im Ausland müssen das als Signal verstehen, als Rehabilitierung Stalins. Genau so wird das dort von sehr vielen interpretiert werden. Für die Verwandten der Stalinopfer aber kommt dies einer Lästerung des Andenkens an ihre Angehörigen gleich. Warum muss der Wille einer bestimmten Gruppe von Menschen erfüllt werden und wieso darf man die Gefühle anderer missachten und gering schätzen? Das kann ich nicht verstehen."

    Noch nicht einmal alle heute noch lebenden Veteranen haben sich hinter diesen Wunsch nach Stalinporträts zum 9. Mai gestellt. Denn glühende Gegner des Diktators gibt es auch unter ihnen nicht wenige.

    Initiiert hat das Vorhaben ein ehemaliges Mitglied der sowjetischen Führungsspitze zusammen mit ein paar Getreuen. Pikant an dem Vorgang: Erstmals sollen an diesem 9. Mai russische Soldaten zusammen mit Militär-Abordnungen aus den USA, Großbritannien und Frankreich über den Roten Platz paradieren - immerhin ehemalige Verbündete im Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland, auch wenn sie heute NATO-Staaten sind.

    Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zu diesem Jahrestag in Moskau erwartet. Wird sie, werden die anderen westlichen Staats- und Regierungschefs dann vielleicht mit überlebensgroßen Abbildungen des Sowjetdiktators und Menschenschlächters konfrontiert werden? - Eine Antwort darauf steht noch aus. Ljudmila Alekseewa aber weiß schon jetzt, was sie dann tun wird:

    "Wenn sie diese Schautafeln wirklich aufhängen sollten, dann verpflichte ich mich, sie mit Eiern und Tomaten zu bewerfen. Das mache ich nicht mal als Menschenrechtlerin, sondern als einfache Moskauerin, die in diesem Land lebt, und die den Krieg überlebt hat. Mein Vater ist dort umgekommen. Wenigstens auf diese Weise nehme ich dann Rache."