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Feldspat in den Wolken

Atmosphärenphysik. - Geschätzt rund 1,5 Milliarden Tonnen Gesteinsstaub werden jährlich aus Wüsten wie der Sahara in die Atmosphäre geblasen. Als mineralische Aerosole beeinflussen sie dort die Wolkenbildung. Laut einer Studie britischer Forscher ist Staub aber nicht gleich Staub. Verschiedene Minerale weisen große Unterschiede in ihrer Wirkung auf. Besonders auffällig ist ein Bestandteil, der bisher wenig beachtet wurde: Feldspat.

Von Lucian Haas | 13.06.2013
    Wenn in den trockenen Regionen der Erde Gesteinsstaub vom Wind aufgewirbelt wird und in die Atmosphäre gelangt, wirkt sich das auf unser Klima aus.

    "Staub und andere Aerosol-Partikel beeinflussen die Eigenschaften der Wolken. Gerade mineralischer Staub spielt dabei eine besondere Rolle, weil er die Bildung von Eiskristallen auslösen kann. Im Endeffekt führt das zu einer Erwärmung. Denn wenn mehr Staubkörner als Eiskeime in die Atmosphäre gelangen, bildet sich mehr Eis, das dann aus den Wolken fällt. So lösen sich die Wolken auf."

    Ben Murray ist Klimaforscher an der Universität von Leeds. Er untersucht seit Jahren die Wirkung von Gesteinsstaub auf das Entstehen und Vergehen von Wolken. Besonders eine Frage treibt ihn und seine Kollegen seit geraumer Zeit um: Inwieweit unterscheiden sich verschiedene Mineralien wie Quartz, Calcit oder Feldspat in ihrer Qualität als Kristallisationskeime?
    "Bisher haben Forscher Tonmineralien die größte Bedeutung als Eiskeime in den Wolken zugesprochen. Wir waren aber nicht ganz überzeugt davon. Deshalb haben wir sehr sorgfältige Laborexperimente gemacht. Wir nahmen uns einzelne Minerale vor, besorgten uns Proben von größtmöglicher Reinheit und testeten sie dann systematisch durch."

    In einer speziellen Wolkenkammer kühlten die Forscher flüssige Wassertröpfchen zusammen mit dem reinen Gesteinsstaub weit unter Null Grad Celsius ab. Dabei beobachteten sie, bei welcher Temperatur die Eisbildung des stark unterkühlten Wassers unter dem Einfluss der unterschiedlichen Minerale einsetzte. Als besonders effektive Kristallisationkeime entpuppten sich nicht die Tonminerale, sondern der Staub eines anderen Gesteinstyps: Feldspat.

    "Das war ganz schön aufregend. Denn Feldspat macht nur einen relativ kleinen Teil, rund 11 Prozent, des Mineralstaubs in der Atmosphäre aus. Und doch kommt ihm die Hauptrolle bei der Eisbildung zu. Wir fanden auch heraus, dass die Tonminerale, die Forscher in früheren Experimenten untersucht hatten, Spuren von Feldspat enthielten. Selbst bei nur einem Gewichtsprozent Feldspat im Ton werden die Eiskeimeigenschaften schon vom Feldspat dominiert."

    Diese Erkenntnis zwingt Klimaforscher dazu, die Auswirkungen der mineralischen Aerosole auf die Wolken künftig viel differenzierter zu betrachten als bisher. Die meisten Klimamodelle unterscheiden nicht zwischen Gesteinsstaubtypen und deren Verteilung in der Atmosphäre. Doch solche Details dürften regional einen großen Einfluss haben. Ben Murray:

    "Staubkörner von Feldspat sind ein bisschen größer als die von Tonmineralen. Sie sinken deshalb schneller aus der Luft zu Boden. Über sehr abgelegenen Regionen wie den südlichen Ozeanen oder der Arktis verteilt sich Feldspat deshalb ganz anders als wir es von Tonstaub erwarten würden. Es ist deshalb sehr wichtig, die Mineralogie der Eiskeime zu verstehen."

    Dazu gehört es auch, die reale Verteilung der unterschiedlichen Aerosole in der Atmosphäre genauer zu erfassen und zu verfolgen. Dafür sind umfangreiche Messkampagnen nötig. In dieser Woche haben Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt das Projekt "Saltrace" gestartet. Noch bis Mitte Juli werden sie mit dem Forschungsflugzeug Falcon Aerosolproben über der Sahara, dem Atlantik und der Küste Brasiliens sammeln. Es geht darum genauer zu erfassen, wie sich die Zusammensetzung und somit die Klimawirkung des aufgewirbelten und übers Meer verblasenen Wüstenstaubs mit der Zeit in der Luft verändert.