Archiv


Fernfahrerblues

Fernfahrer. Als Bremser auf Autobahnen und Verursacher von schweren Unfällen stehen sie ständig im Kreuzfeuer der Kritik. Auf der anderen Seite sind sie das Rückgrat einer hochgradig arbeitsteiligen Wirtschaft und Beweger der durch die Globalisierung internationalisierten Warenströme. Es scheint das Schicksal der Fahrer und ihrer Maschinen zu sein, dass jeder sie braucht, aber niemand sie will.

Von Ralf Bei der Kellen |
    Wie kaum ein anderer steht der Fernfahrer außerhalb der Gesellschaft, in der er sich bewegt. Im Laufe der letzten 60 Jahre hat sich um ihn eine komplette Subkultur entwickelt -es gibt eigene Zeitschriften, Internetportale, Festivals und Musik. Die Fahrerkabinen der 40-Tonner sind rollende Single-Haushalte, für Familie, Freunde und Hobbys ist oft nur wenig Zeit.
    Von der vielbeschworenen und -besungenen Romantik des Berufs ist heute kaum noch etwas übrig. Immer schärfere Kontrollmechanismen sowie ständig steigender Termindruck haben die einstigen "Kapitäne der Landstraße" zu Dieselknechten degradiert. Heute wird von den Fernfahrern dieselbe Effizienz verlangt wie von den Maschinen, in denen sie leben.

    Darüber hinaus sind die Verdienstmöglichkeiten durch die große Konkurrenz aus den osteuropäischen Ländern extrem geschrumpft. Was sind es für Menschen, die diesen Job machen und was hält sie hinter dem Steuer ihrer 40-Tonner? Der Autor - selbst aus einer Fernfahrerfamilie stammend - begleitet sie eine Lange Nacht auf den Straßen.

    Fahrer Sven (35):
    "Man lebt hier auf zwei Quadratmetern und das war's natürlich. Und da kommt natürlich schon der Punkt, da sagt man sich: Ist das das richtige, was man gemacht hat? Aber andernfalls ist es so ... ich könnte mir auch nicht vorstellen, noch mal wieder irgendwo inner Firma zu arbeiten, morgens um sieben Uhr dreißig: Die Glocke schellt, alle laufen rein, bis neun Uhr dreißig warten, bis ich das erste Mal in mein Butterbrot reinbeißen darf - ich glaube, das könnte ich auch gar nicht mehr, weil ... wenn ich jetzt hier die Meinung hab, morgens mal'ne Stunde länger zu schlafen, dann schlaf ich die länger - dass es im Endeffekt hinterher irgendwelche Probleme gibt, das steht auf'm anderen Blatt, aber ... in erster Linie kann ich das so halten und machen, wie ich will. Und wenn ich meine, dass ich einen Kaffee trinken gehen will, dann gehe ich einen Kaffee trinken."
    Fahrer Otto (60):
    "Irgendwo, wenn es auch nicht mehr viel ist - aber es ist noch so'n kleines Stückchen, auch heute noch, so'n kleines Stückchen Freiheit ist immer noch dabei. Das ist der Reiz an dieser ganzen Sache noch. Man steht unter Bewachung - durch Telefon, wir jetzt durch unser'n neuen Telematik, die wir drinhaben, sattelitengestützt, die wissen, wo wir sind und alles, aber ... man entscheidet selber. Man teilt sich das ein ... und man ist noch so ein bisschen, unterwegs, wenn man den Hof verlässt, so'n bisschen der eigene Chef. Und das ist dieser Reiz noch, was einen noch bei der Stange hält. Sonst, wenn das nicht wär ... dann hätte ich einen Nagel in die Wand gehauen schon längst und das Lenkrad hing da schon drauf, dann wär schon Ende."
    Gunter Gabriel:
    "Ich kenne viele Jungs, die können gar nicht mehr absteigen. Die brauchen das, die brauchen das. So wie Seeleute - die ich auch nicht verstehen kann, dass die wochenlang ewig durch diesen Ozean plantschen mit ihren Schiffen da ... ja, was soll das, was soll das, Du siehst nichts ... ja."
    Fahrer Tim (32):
    "Manchmal hab ich auch ein bisschen Bedenken - wenn ich jetzt denke, ich geh aus dem Fernverkehr raus und bin jeden Abend zuhause, dass ich dann irgendwann nach einem halben Jahr sag, ich bereu' das. Und will gerne mal wieder abends für mich alleine mein Bierchen trinken, auf 'ner Parkbank (lacht) im Wald ... ja, es gibt ja auch immer noch schöne Momente dabei, möchte ich nicht verhehlen, also ganz sicher. Und ich glaube, die meisten sehen das so, aber viele wollen's einfach nicht zugeben."
    Angesichts der teilweise haarsträubenden Arbeitsbedingungen der Fahrer taucht immer wieder die Frage auf, warum sie sich nicht geschlossen zur Wehr setzen. Andere Berufsgruppen setzen Beschäftigungsverbesserungen mit Streiks durch. Wenn die Fernfahrer den Zündschlüssel abziehen würden, hätte das weitreichendere Konsequenzen als beispielsweise ein Streik bei der Bahn: Schon nach wenigen Tagen käme es zu eklatanten Versorgungslücken - im Supermarkt wären die Regale leer, die Autoproduktion stünde still, die Zapfsäulen an den Tankstellen würden versiegen.

    Aber in Deutschland haben die Fahrer bereits seit 25 Jahren nicht mehr für Verbesserungen in ihrem Job gestreikt - was vor allem daran liegt, dass sie so schlecht organisiert sind. Benedikt Frank ist Gewerkschaftssekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Dort betreut er den Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik. Den Grund für den schlechten Organisationsgrad sieht Frank in der Struktur der Arbeit - und nicht zuletzt auch im Selbstverständnis der Fahrer.
    Benedikt Frank (ver.di):
    "Die Fahrer sind häufig auf sich alleine gestellt. Wenn man sich mit Kolleginnen und Kollegen besser absprechen kann im Betrieb, wenn man als Gruppe arbeitet, dann ist der Wille, sich gemeinsam zu organisieren, gemeinsam zu handeln, auch in der Regel schneller da, als wenn man, ja, der einsame Steppenwolf ist, der eh immer auf sich allein gestellt ist, der es auch in der Regel kennt, sich um seine Probleme allein zu kümmern oder auch allein damit konfrontiert zu sein mit seinen Problemen. Das hat vielleicht auch ein bisschen was mit der Mentalität der Fahrer zu tun, die eben in der Regel keine Gruppenerfahrungen haben, was arbeiten angeht, sondern immer für sich alleine arbeiten."
    Fernfahrer Nightshow

    BAG

    Red Fox Chasers

    Truck Stop

    Tom Astor

    Gunter Gabriel

    Trucker

    Markus Studer
    Natürlich gibt es auch unter den Fernfahrern Schwarze Schafe, wie in jeder Branche. Wegen des enormen Drucks, unter dem die Fahrer tagtäglich stehen, vielleicht sogar ein paar mehr als anderswo. Kein Wunder, dass kaum ein Fahrer im Interview seinen vollen Namen nennen will. Es scheint, als müsse sich vieles ändern, damit der Beruf des Fahrers endlich wieder ein menschliches Antlitz bekommt. Bis dahin aber ist es, auch das ist mir klar geworden, noch ein langer Weg. Viele der Fahrer wünschen sich eigentlich nur, dass die Menschen endlich anerkennen, wie wichtig und schlichtweg unentbehrlich ihr Job für die Gesellschaft ist.
    Gunter Gabriel:
    "Sie sind einsame Hunde, die mit dieser Einsamkeit klarkommen müssen. Und mit ihrer Verantwortung, die hinter ihnen ist. Diese 40 Tonnen, die sie hinter sich haben. Die haben Verantwortung und müssen wach bleiben. Und das, das hebt sie hoch, dass sie es trotzdem tun, dass sie trotzdem ihre Arbeit tun und ihre Bahn fahren ... tja, es sind für mich richtige Helden, es sind Helden ... für mich sind das Helden. Die aber nicht diese Würdigung haben, die sie eigentlich verdient haben. Darum schreibe ich die Lieder über sie. (zieht an der Zigarette) Mehr kann ich dazu nicht sagen, sonst werde ich seidenweich. Und noch ganz sentimental."

    Musikliste:
    1
    Tfantic freeway
    Levine, C; Brandt,C
    00316
    RCA
    Take 12
    2
    Ramblin´Man
    Williams, Hank
    04270
    Unsere Stimme Trikont
    Take 19
    3
    Wo ist zuhause,
    Mama
    J.Cash, J.Relin
    05197
    Bear Family
    Take 21
    4
    Dieselknecht
    G.Gabriel
    05680
    Koch
    Take 11
    5
    Foggy Mountain
    Breakdown
    E.Scruggs/John
    Forgerty
    01056
    MCA Nashville
    Take 7
    6
    The Return of the
    Grievous Angel
    Gram Parsons
    03708
    Wait&See Music
    Take 16
    7
    Truck Driver´s
    Blues
    Daffan, Theron
    05197
    Bear Family
    Take 27
    8
    Truck Drivin Man
    Fell, Terry
    05197
    Bear Family
    Take 3
    9
    Six Days on the
    Road
    Earl Green,
    C.Montgomery
    01622
    Ganse&Handke Media
    Take 11
    10
    Ich möchte so gern
    Dave Dudley hör´n
    Bach, Rainer
    04324
    Polystar
    Take 10
    11
    Convoy
    Davis Louis F.
    00136
    Brunswick
    Take 7
    12
    Ich bin CB-Funker
    G.Gabriel
    8259
    Delta Music
    Take 12
    13
    Wer die Oma nicht
    kennt, hat die zeit
    echt verpennt
    Löhmer, Klaus,
    Astor, Tom
    05680
    Koch Records
    Take 12
    14
    Truck Stop, Tom
    Astor und ich
    Gunter Gabriel
    05064
    Spectrum
    Take 2
    15
    Truck Drivin´Man
    van Zant,R.,
    King,E.
    01056
    MCA
    Take 7
    16
    Tätowier mir keinen
    Anker
    K.Bortfeldt,
    E.Nick
    08681
    duo phon records
    Take 6
    17
    Hey, Trucker Lady
    H.Lammers Meyer,
    Jansen,G.
    12466
    Countri Rooads
    Take 4
    18
    King of the Road
    R.Miller
    00136
    Brunswick
    Take 15
    19
    On the Road Again
    Wilson, A.,Jones,F.
    01622
    Ganser&Hanke
    Take 1
    20
    Trucking
    Garcia, Jerome,
    Les Phil, Weir
    R.Hunter R.
    02982
    RHINO
    Take 1
    21
    On the Road again
    W.Nelson
    00316
    Sony
    Take 1
    22
    Southern Flover
    Bill Monroe
    05197
    MCA Recordungs
    Take 9
    23
    This is Old Road
    Simien, Terrance
    03397
    Tone Cool
    Take 4
    Portugiesische LKW-Fahrer pausieren während des Lastwagenfahrerstreiks in Nordspanien.
    Portugiesische LKW-Fahrer pausieren. (AP)
    Gendarmeriebeamte weisen LKWs auf den Pannenstreifen der österreichischen Inntalautobahn bei Kramsach am Montag, 5. April 2004, da eine rund 10 Kilometer lange Teilstrecke der A12 zwischen Wiesing und Kramsach durch eine Aktion des Transitforums Austria-
    Stau (AP)