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Fernsehen auf Abruf

Im amerikanischen Fernsehgeschäft hat das Rennen um die Vorherrschaft im Internet begonnen: In den vergangenen Wochen kündigte ein TV-Sender nach dem anderen an, es werde seine populärsten Sendungen zumindest eine Zeit lang auch online zur Verfügung stellen.

Von Gerti Schön |
    Wer heutzutage seine Lieblingsserie im Fernsehen verpasst, der kann darauf hoffen, dass er sie dennoch online erwischt. TV-Networks wie ABC und NBC stellten sogar die letzten Episoden der Saison von Hitserien wie "Lost", "Will & Grace" und "Desparate Housewives" nach der Erstausstrahlung im Fernsehen einige Wochen lang ins Internet. Mit Erfolg: Allein ABC verzeichnete im ersten Monat 11 Millionen Downloads - eine ordentliche Summe urteilt Brad Adgate, Forschungsdirektor des Beratungsunternehmens Horizon Media in New York.

    " Es überrascht mich, dass es so diesmal schnell geht, weil die Networks traditionell eher langsam auf Innovationen reagieren. Aber sie haben ihre Lektion gelernt. Und sie werden dafür sorgen, dass der Content im Internet genauso hochwertig ist wie im Fernsehen. Content ist King und das wird auch online so bleiben."

    Der Grund für die Internet-Euphorie der Medienunternehmen ist vor allem die Einsicht, dass so viele jugendliche Zuschauer sich vom traditionellen Fernsehen abwenden und sich auf neue Plattformen wie Internet, iPod oder Handy konzentrieren. Doch ob die Networks bei den Kids landen können ist zweifelhaft, glaubt Tod Gitlin, Kommunikationsprofessor an der Columbia University.

    " Die Networks haben ihre eigene Logik, und die wird derzeit von schierer Panik bestimmt. Sie suchen verzweifelt nach Lösungen, wie sie das jugendliche Publikum halten können, und mit diesen neuen Initiativen gelingt ihnen das vielleicht eine Zeit lang. Aber langfristig wird das nicht reichen, Jugendliche langweilen sich schnell und verlangen nach Interaktionsmöglichkeiten, die bisher nicht gegeben sind. Die Networks haben sich schon immer für viel zu wichtig gehalten."

    Unklar ist bisher, wie das Geschäftsmodell für die Internetausstrahlung aussehen soll. Manche Sender verlangen etwa einen Dollar Gebühr für eine halbe Stunde Programm ohne Werbeunterbrechungen. Andere holen sich einen Exklusivsponsor, der zu Anfang genannt wird und begrenzt Spots innerhalb der Sendung schalten darf. Klar scheint jedoch, dass die TV-übliche Länge eines Werbeblocks für die meisten Internet-Zuschauer nicht akzeptabel ist. Das haben auch die werbetreibenden Unternehmen mit der Zeit gelernt sagt Adgate.

    " Die Werber mögen das Internet, weil man sofort sehen kann, wie oft gewisse Angebote heruntergeladen werden, und Werbeclips sind online viel billiger zu schalten als im Fernsehen. Außerdem ist es eine Form des Video-on-Demand. Das Publikum hat das gern, weil man nicht auf einen gewissen Zeitpunkt festgelegt ist. Außerdem hat man im Internet die Möglichkeit, sofort mehr über ein Produkt zu lernen, dadurch kommt letztendlich auch mehr Kundschaft in die Läden."

    Klar ist, dass keines der großen US-Medienunternehmen das Internet mehr ignorieren kann, und auch die werbetreibende Industrie zieht nach. Diskutiert wird etwa, wie man die reizüberfluteten Youngster während eines Werbeclips am Bildschirm halten kann, wenn es doch so einfach ist, zwischendurch schnell eine E-Mail zu beantworten. Doch auch dafür gibt es schon Lösungsvorschläge: Die Einführung des Fünf-Sekunden-Spots zum Beispiel. Auf diese Weise lässt sich wohl auch gegen die zapp-freudigsten Unterhaltungskonsumenten ein Schnippchen schlagen.