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Fernsehen aus der Dose

Beim Stichwort Tauschbörsen wird schnell Illegalität assoziiert. Doch die verteilten Datennetzwerke senken auch die Vertriebskosten großer Dateien. Jetzt verspricht der Skype-Telefonie-Erfinder Niklas Zennström, nie wieder TV-Sendungen zu verpassen - mit der Tauschbörse "Joost"

Von Thomas Reintjes |
    Schon die Vorab-Version von Joost, seit Anfang Mai verfügbar, lässt sehr gut erahnen, welche Entwicklung das Fernsehen im Internetzeitalter nehmen könnte. Solche Innovationen setzen sich allerdings nur durch, wenn sie Probleme lösen. Joost-Erfinder Niklas Zennström:

    "Das Problem am klassischen Fernsehen ist, dass man Sendungen nicht dann gucken kann, wann man will – außer man hat einen Videorekorder, den man vorher programmiert hat. Das ist bei Joost kein Problem. Ein anderer großer Vorteil ist, dass wir zusätzliche Dienste und Interaktivität mit dem Fernsehen verknüpfen. Es wird also hoffentlich etwas dynamischer als Fernsehen. Wir brauchen natürlich gute Inhalte, aber es geht auch darum, wie wir sie interaktiv machen."

    Der Schwede hat bereits Verträge mit Sony und Warner und den amerikanischen Sendern CNN und CBS. Allerdings bekommt man in der derzeit laufenden Testphase kaum Hochwertiges zu sehen, sondern eher die Wiederholung der Wiederholung – auch die Rechteinhaber wollen die Plattform anscheinend erst einmal ausprobieren. Die bereits vorhandenen, ausschließlich englischen Inhalte sind in Sparten wie Musik, Sport oder Comedy unterteilt. Beim Klick auf eine Sendung flimmert sie nach wenigen Sekunden über den Computerbildschirm – und anders als beim Fernsehen gibt es eine Pause-Taste und es lässt sich vor- und zurückspulen. Soweit unterscheidet sich Joost kaum von anderen Video-on-Demand-Diensten wie in2movies oder maxdome, die es auch in Deutschland und mit deutschsprachigen TV-Inhalten seit vielen Monaten gibt. Anders als diese verlangt Joost allerdings kein Geld von den Nutzern. Verdient wird wie im klassischen Fernsehen mit Werbespots. Das mag weniger Einnahmen pro Nutzer bringen als Bezahlmodelle, dafür spart Joost bei den Serverkosten: Weil Videos viel Speicherplatz brauchen, verteilt Joost sie per Peer-to-peer-Technik, also mittels der vielen angeschlossenen Computer der Nutzer. Dies ist die Gemeinsamkeit mit Skype, dem Programm, mit dem Niklas Zennström in den vergangenen Jahren schon den Telefonmarkt umgekrempelt hat.

    "Skype ist eine Mischung aus Peer-to-peer und zentralen Servern. Die Gespräche werden über Peer-to-peer abgewickelt, Zahlungen dagegen über Zentralrechner. Bei Joost ist das ähnlich: Alle Inhalte werden mit Peer-to-Peer verteilt. Aber natürlich muss man die Inhalte irgendwie ins Netzwerk einbringen. Das machen wir mit Servern. Wenn das Video eine gewisse Beliebtheit erlangt hat, muss es nicht mehr vom Server abgerufen werden. Der dient nur dazu, die Inhalte einmal ins Netz einzubringen."

    Die Technik von Joost dürfte auch auf den Erfahrungen von Zennströms Co-Gründer basieren: Dem Dänen Janus Friis, der einst die Datei-Tauschbörse Kazaa mit ins Leben rief. Joost ist allerdings weit weniger transparent als Kazaa. Das Programm fragt bei der Installation nicht, wo es herunter geladene Videos speichern soll. Es zeigt im laufenden Betrieb auch nicht an, welche Daten es vom eigenen Computer aus wohin versendet. Einzig der Warnhinweis der Firewall deutet darauf hin, dass Joost nicht nur Daten empfängt, sondern auch versendet. Abschalten lässt sich die aktive Teilnahme am Peer-to-Peer-Netzwerk nicht. Das hängt wohl auch mit der Philosophie Zennströms zusammen, der Dinge möglichst einfach halten will. Bei Skype hatte er mit dieser Plug-and-Play-Strategie Erfolg und konnte dem nicht gerade schwer zu bedienenden klassischen Telefon Konkurrenz machen. Ob sich dies nun mit Joost auf das Fernsehen übertragen lässt?

    "Klar, Computer sind nicht so robust wie Fernseher. Aber einen Videorekorder oder einen Satellitenreceiver zu programmieren kann schon sehr kompliziert sein. Und dann noch all die Fernbedienungen! Also, Fernsehen ist auch nicht trivial. Aber natürlich ist es eine große Herausforderung für uns. Wenn wir die nicht meistern, können wir nicht wachsen."

    Helfen könnte Zennström die Tatsache, dass er ein Versprechen einlöst, das die klassische TV-Industrie schon vor langer Zeit gegeben hat: Er gibt dem Fernsehen einen Rückkanal, sodass der Zuschauer dem Sender direkt ein Feedback geben kann. Und mehr noch: Joost bringt ihn auch mit anderen Zuschauern ins Gespräch – etwa über die eingebaute Chat-Funktion. Schafft es die Plattform einmal, sich zu etablieren, ist in Sachen Interaktivität noch einiges mehr vorstellbar - auch das Ende des Fernsehens, wie wir es heute kennen.