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Fest im Sattel

Die Eifel ist eine beliebte Wanderregion, und das nicht nur für Fußgänger. Auch Radfahrer lieben die hügelige Herausforderung. Wer es besonders abenteuerlich mag, steigt aufs Pferd: Beim Wanderreiten in der Eifel kommt echtes Wildwest-Feeling auf.

Von Anke Ulke | 21.08.2011
    Ein stiller Sommermorgen in der Osteifel, in Welschenbach - eine Ansammlung von drei, vier Höfen in einem weiten grünen Tal. Die Sonne blinkt durch die Baumspitzen der steilen, waldigen Hügel, die Wiesen sind nass vom nächtlichen Tau, die Pferde von Piet Rott, dem Wanderreiter, sind längst wach und tun, was sie immer tun - sie grasen. Ich bin früh wach und würde am liebsten sofort starten. Ein Tag Wanderreiten in der Osteifel liegt vor mir und einer Gruppe Freizeitreiter aus Dinslaken. Das romantische Nitztal lockt uns. Und Piet Rott lockt seine Pferde:

    "Hey, bleibt mal hier stehen, wir rennen nicht zu unseren Pferden, die Pferde kommen zu uns! Samson, Poco, komm, komm."

    Der Vorführeffekt. Die Pferde stehen zusammen unter einem großen Baum im Schatten, denn es ist jetzt schon recht warm. Kommt das Pferd nicht zum Reiter, geht der Reiter eben zum Pferd und mit ihm in den Stall. Die Tiere bekommen Eimer mit Kraftfutter um den Hals gehängt, denn vor ihnen liegt eine große Anstrengung.

    Beim Putzen kommen auch die Reiter in Schweiß! Samson, Poco, Merlin - ganz unterschiedliche Rassen wie Tinker, Cruszado oder Quarter Horses gehören zur Herde. Die Pferde sind allesamt gut ausgebildet, sogar Reitanfänger wie ich bekommen ein Tier, das zu ihnen passt. Piet Rott:

    "Die müssen zum einen natürlich sehr verträglich und umgänglich sein, sprich: nicht buckeln, treten, beißen, steigen oder Ähnliches. Das lernen sie aber im Zuge der Ausbildung. Jedes Pferd ist von sich aus ein freundliches Pferd, wenn man auch freundlich mit ihm umgeht. Dann müssen sie natürlich Kondition kriegen, Konditionstraining ist wichtig, Trittsicherheit ist wichtig, wenn wir im Gelände unterwegs sind. Wir werden ja heute sehr viel im Gelände unterwegs sein, dann müssen die Pferde einfach trittsicher und zuverlässig sein."

    Endlich geht es los.

    Gemächlich, im Schritt entlang des kleinen Tals, nahe der bekannten Ruine Virneburg, durch das winzige Oberwelschenbach, ab in den Wald. Wir sind ganz in der Nähe der beliebten Wallfahrtskapelle St. Jost, die dem heiligen Jodokus gewidmet ist. Die Legende erzählt:

    Dass die Kapelle ursprünglich am Fuß des Burgbergs in Virneburg errichtet werden sollte. Bei einem starken Sturm wurde das Baumaterial jedoch von der über die Ufer getretenen Nitz weggespült und circa zwei Kilometer talabwärts wieder gefunden. Der Graf glaubte an ein Zeichen des Himmels und erbaute dort, wo das Bauholz angespült wurde, die Kapelle.

    Gewitter, Pest, eine gute Ernte, Schutz vor Fieber und - Halskrankheiten - die Gläubigen bitten den Heiligen seit Jahrhunderten um seinen Schutz.
    Der steinige Wanderweg windet sich bergauf durch den Wald, die Pferde gehen ruhig, mit klappernden Hufen, die Reiterinnen und Reiter plaudern entspannt. Sabine Kranke, aus Dinslaken war schon oft auf vier Hufen in der Osteifel unterwegs:

    "Die Eifel ist wie Klein-Kanada, man trifft keine Leute, man ist ganz lange unterwegs, man reitet durch Täler, über Berge, durch Flüsse und kann einfach die Seele baumeln lassen hier. Wir haben andere Wege im Ruhrgebiet, Reitwege, angelegt, meist Sandboden, in der Eifel ist das natürlich unterschiedlich. Man reitet durch Täler, mal mit Sand, mal mit Schotter, Schieferböden, man muss über Geäst klettern, von daher sind die Wege hier schon unsicherer als Zuhause."

    Vorne an der Spitze der Gruppe gibt Piet ein Handzeichen - fertig machen zum Galopp! Die Pferde sind aufgeregt, laufen den ebenen Weg fast von allein entlang. Das Glück der Erde, man kann es förmlich greifen auf dem Pferderücken mitten in der Osteifel!

    Gemächlich geht es nach der kurzen Aufregung wieder in den Schritt und - bergauf! Gewicht nach vorne, Po aus dem Sattel, als Anfängerin fühle ich mich sicherer mit dem Griff in die Pferdemähne. Der Pfad ist steil, schmal und steinig. Die Pferde sind inzwischen schweißnass - Zeit für eine Pause. Einige schmale Windungen noch durch einen Buchenwald, Pferde anbinden und - Aussicht genießen! Der Wald öffnet sich zu einem grandiosen Panorama aufs Nitztal! Mit Misch- und Tannenwald dicht bewachsen sind die Hügel, unten fließt unsichtbar die Nitz. Die Pferde sind schweißnass. Reiterin Tanja Föcking klopft Merlin liebevoll den Hals:

    "Ja, der hat auch Hochleistungssport vollbracht! Wir merken nicht, was dieses Pferd da gerade für einen Hochleistungssport für uns macht. Wir sitzen da entspannt, gleichen ein bisschen aus, gucken, dass es nicht zu viel nach links oder rechts geht, aber diesen Hochleistungssport, den dies Pferd da macht, ja man ist erstaunt, warum ist denn der so nass."

    Auf dem Berg im Wald ist es still. Ab und zu knackt ein Ast, raschelt das Laub, doch da ist niemand. Ein Wildschwein? Oder der Geist vom Stumpfarm? Den gab es tatsächlich vor gut 100 Jahren! Bei einem Unfall verlor der Tagelöhner Johann Mayer seine linke Hand, daher der Name. Als Wilderer trieb sich der Verkrüppelte in der Hocheifel herum, als "Schinderhannes" vom Booser Forst, ganz in der Nähe. Und ermordete gezielt die Mitwisser seiner Taten! Alle anderen blieben unversehrt, doch die Angst vor dem Stumpfarm war groß. Bis ihn Landfahrer verrieten:

    Das "fahrende Volk" war über ihn bestens informiert, stand es doch allerorten zu lesen, dass Stumpfarm gesucht werde und dass auf seine Ergreifung eine hohe Belohnung ausgesetzt sei. Im Handumdrehen war er von den fremden Leuten überwältigt. Die Gendarmen erschienen, nahmen ihn fest an die Kandare und brachten in nach Kaisersesch zur Wache. Diesmal gab es kein Entkommen mehr wie damals in Virneburg.

    Die Reitergruppe bricht wieder auf. Bergab führen wir die Pferde, es ist steil und nach der Pause müssen die Tiere wieder in Tritt kommen. Doch dann sind wir unten, im Tal, an der Nitz. Der Höhepunkt der Wanderung - mit den Pferden in den Fluss!

    Immer wieder geht es das Ufer hinauf und hinunter, die trittsicheren Pferde finden ihren Weg durch die Nitz zuverlässig. Die Reiter sind gefordert, müssen auf Hindernisse achten, die Tiere lenken, immer wieder die Haltung ändern.
    Tanja Föcking ist begeistert:

    "Genial, das ist ein Erlebnis! Das ist spannend, weil das ist ein Untergrund, den man nicht berechnen kann. Man muss sich total auf das Pferd verlassen - es ist schon spannender Untergrund! Das macht schon Spaß!"