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"Festival dei due Mondi" unter Giorgio Ferrara
Ein Triumph der Ideenlosigkeit

Jahrzehntelang wurde das "Festival dei due Mondi" im italienischen Spoleto von der Familie Menotti bestimmt. Vor zehn Jahren kam dann die Zäsur: Es fiel in staatliche Hände. Seitdem ist Giorgio Ferrara künstlerischer Leiter des Festivals - zum Leidwesen von Künstlern, Kulturkritikern und des Publikums.

Von Thomas Migge | 11.07.2017
    Der italienische Komponist Gian Carlo Menotti in Mailand (undatiert). 1958 gründete er das "Festival dei Due Mondi" (Festival zweier Welten) in Spoleto. Gian Carlo Menotti wurde am 7. Juli 1911 in Cadegliano (bei Varese) geboren. |
    Festivalgründer Gian Carlo Menotti starb 2007. Sein Sohn konnte das Festival nicht in der Familien halten - der Staat übernahm. (picture alliance / dpa / news blitz)
    "Ich wollte mir und der Welt beweisen, dass ein Künstler nicht nur ein Entertainer ist, sondern auch ein Bürger, der etwas bewegen kann".
    Und so gründete der italo-amerikanische Komponist Gian Carlo Menotti 1958 in Spoleto das "Festival dei Due Mondi", das Festival der zwei Welten.
    Bei der diesjährigen 60. Festivalausgabe mehren sich wieder mal die kritischen Stimmen: Der amtierende Festivaldirektor Giorgio Ferrara, seit genau zehn Jahren ist er im Amt, habe kein Recht, die sommerliche Veranstaltungsreihe auch weiterhin "Festival dei due Mondi" zu nennen, meint die Kulturjournalistin Antonella Manni aus Spoleto:
    "Die vergangenen zehn Jahre sind etwas ganz anderes als die 50 Jahre davor. Ferrara wurde vom Kulturminister mit der Leitung des Festivals betreut. Er ist also ein Mann der Institutionen. Menottis Festival wollte mit diesen Institutionen, wie dem Kulturministerium in Rom, so wenig wie möglich zu schaffen haben".
    Der Musik kam früher mehr Bedeutung zu
    Gian Carlo Menotti ist 2007 gestorben. Die letzten Jahre vor seinem Tod hatte dessen Sohn Francis das Festival geleitet. Er ging dabei vor wie bereits sein Vater: Nur er entschied, wer auftreten durfte und wer nicht. Die Geldgeber, darunter auch das Kulturministerium, hatten kein Mitspracherecht. Dieses Vorgehen verlieh dem Festival eine im italienischen Festivalspektrum besondere Note. Die sommers in Spoleto in einem Palazzo residierenden Menottis hielten Hof: Sie beherbergten Künstler, veranstalteten rauschende Feste, und Spoleto wurde unter ihnen zum mondänen Zentrum Italiens. Gian Carlo Menottis Absicht war es, ein Festival der Künste zu bieten: mit Musik, Schauspiel, Tanz und bildenden Künsten. Wobei der Musik, verständlich für einen Komponisten als Festivalgründer, immer besonders viel Bedeutung zukam.
    Menotti legte viel Wert darauf, dass die meisten musikalischen Veranstaltungen exklusiv für Spoleto geschaffen wurden. Das kostete viel Geld - und so verschuldete man sich haushoch. 2007, nach dem Tod von Gian Carlo Menotti, entmachtete das Kulturministerium Sohn Francis, tilgte die Schulden und betraute Giorgio Ferrara mit der künstlerischen Leitung des Festivals. Unter Ferrara geriet die Musik aus dem Blickfeld. Anstatt - wie unter den Menottis - zwei, drei, ja sogar vier Operninszenierungen plus täglicher Konzerte an den verschiedensten Aufführungsorten zu bieten, gibt es heute nur noch eine einzige Oper.
    Künstlerische Bedeutung des Festivalgründers nicht begriffen
    Giorgio Ferrara rechtfertigt seine Entscheidung:
    "Hier war doch das Sprechtheater verschwunden! Und das ist jetzt anders. Oper, Tanz, Musik, alles ist doch wie früher geblieben".
    Was so nicht stimmt. Unter Ferraras Führung wird pro Festival nur eine einzige Oper aufgeführt, an nur zwei Abenden. Immer führt Ferrara Regie, und oft unbefriedigend. Wie in diesem Jahr, mit Mozarts "Don Giovanni". Ferrara bot eine Regie, die ein Triumph der Ideenlosigkeit war.
    Dass Ferrara nicht nur mit Musik nicht viel anfangen kann, sondern auch die künstlerische Bedeutung des Festivalgründers nicht begriffen hat, beweist der Umstand, dass in diesem Jahr, immerhin das 60. Jubiläum der Veranstaltungsreihe, nicht eine einzige Komposition von Menotti im Programm zu finden ist. "Gian Carlo Menotti wird in Spoleto totgeschwiegen!", klagte die Tageszeitung "Corriere della sera".
    Die Kulturjournalistin Antonella Manni berichtet seit 30 Jahren über das Festival. Erst kürzlich legte sie ein Buch über dessen Gründung 1958 vor. Manni gibt nicht nur Ferrara die Schuld an den Veränderungen:
    "Der historische Kontext hat sich gewandelt. Als Menotti das Festival führte, standen die Politiker voll hinter ihm. Mit seinem Tod 2007 änderte sich das radikal. Jetzt wollten die Stadt Spoleto und das Kulturministerium den Ton angeben. Auch die ehemals sehr internationale Dimension hat sich gewandelt".
    Sohn klagt gegen Verwendung des Namens
    Sicherlich ist das "Festival dei due Mondi" immer noch ein interessantes Festival. Doch, und das meinen nicht nur Kulturjournalisten wie Manni, sondern auch das Stammpublikum, Kulturpolitiker und Künstler, die oft in Spoleto auftraten, sollte es nicht mehr den Namen tragen, den Gian Carlo Menotti der Veranstaltungsreihe gab. Denn sein Festival existiert nicht mehr. Deshalb klagt Menottis Sohn Francis nicht zu Unrecht gegen die seiner Meinung nach illegale Verwendung des Festivalnamens.