Dienstag, 16. April 2024

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Festival in Hamburg
Chopin auf alten und neuen Flügeln

Beim Chopin-Festival Hamburg stehen Werke des polnischen Komponisten Frédéric Chopin im Fokus. Gespielt werden sie auf historischen und modernen Klavieren. Dadurch entstehen Klangerlebnisse, die spannende Vergleiche von Instrumenten ermöglichen.

Von Elisabeth Richter | 24.06.2019
    Eine Lithografie zeigt das Porträt des polnisch-französischen Komponist Frédéric Chopin (1810-1849).
    Schon zu Chopins Zeit klangen seine Préludes auf den verschiedenen Typen der Pleyel- oder Erard-Klaviere und anderen Modellen sehr unterschiedlich (imago / United Archives International)
    Musik: Frédéric Chopin, Prélude Des-Dur op. 28, Nr. 15
    "Das ist ein Pianino, ein hoch stehendes Piano, ein kleines Instrument, das Instrument hat Chopin zum Beispiel auf Mallorca gehabt, er hat darauf zum Beispiel seine Präludien komponiert", sagt Hubert Rutkowski, der Intendant des Chopin-Festivals Hamburg.
    Intimer, zarter, als auf diesem wunderbar facettenreich klingenden Pianino aus der Werkstatt Pleyel von 1832 kann man sich Chopins berühmtes Regentropfen-Prelude kaum vorstellen. Dieser Klang rührt – und rührte durch das Spiel von Tobias Koch - wirklich zu Tränen.
    Musik: Frédéric Chopin, Prélude Des-Dur op. 28, Nr. 15
    Hélène Tysman und Tobias Koch an einem Abend
    Aber natürlich ändern sich die Geschmäcker und Gewohnheiten im Laufe der Jahre. Schon zu Chopins Zeit klangen seine Préludes auf den verschiedenen Typen der Pleyel- oder Erard-Klaviere und anderen Modellen sehr unterschiedlich. Das Spannende beim zweiten Chopin-Festival Hamburg war gerade im Konzert mit dem Pleyel-Pianino, dass sich Tobias Koch diesen reinen Chopin-Abend mit der französischen Pianistin Hélène Tysman teilte. Sie holte faszinierende Töne aus einem modernen Flügel aus der Werkstatt von Shigeru Kawai.
    Musik: Frédéric Chopin, Prélude Des-Dur op. 28, Nr. 15
    "Die Erfahrung, die ich heute Abend hatte, ist, dass dieses Instrument unglaublich schöne Farben bringen könnte, aber auch sehr kräftig war. Und das heißt, man sollte sehr sensibel sein, aber auch sehr viel Kraft haben. Auch wegen dieser Akustik musste ich mich immer sorgen, dass es nicht zu laut, zu hart wird, und das war nicht so einfach."
    Es gelang Hélène Tysman – sie war 2010 Finalistin beim legendären Chopin-Wettbewerb in Warschau – mit einer ungeheuer subtil gestalteten Palette an Farben. Standen beim ersten Chopin-Festival im vergangenen Jahr die modernen Flügel von Steinway mit den historischen Instrumenten im "Wettbewerb", so waren es in diesem Flügel aus der Werkstatt Kawai und der Bayreuther Firma Steingräber.
    "Ein Steinway ist wie ein Supermarkt, wo man durch die Regale geht und alles bekommen kann. Also 20 Sorten Mayonnaise und fünf Sorten Senf und alles ist da, und damit kann man dann eben wunderbare Gerichte machen, um vom Steinway zu sprechen. Und auf den historischen Instrumenten ist es etwas anders, etwas beschränkter. Ich würde sagen, es ist so wie im Feinkostladen, wo man eben eine hausgemachte Senfsorte hat, mit der man dann eben mit ganz großer Freude besonders vorsichtig umgeht und damit kocht."
    Moderne und historische Instrumente
    Für Tobias Koch, Professor in Düsseldorf, gibt es keinen Wettbewerb zwischen modernen und historischen Instrumenten. Er spielt genauso gern auf einem Steinway. Der Pianist Hubert Rutkowski, Ideengeber und Intendant dieses besonderen Chopin-Festivals, schätzt die herausragende Qualität der Steinways, er hält es aber dennoch für immens wichtig, die globale Dominanz des Steinway-Klangs ein wenig aufbrechen.
    "Heutzutage sind wir sehr vorprogrammiert, wenn wir zu einem Konzert gehen, wir wissen schon, wie dieses Instrument ungefähr klingen wird. Und bei so einem Konzert beim Chopin-Festival, man weiß nicht, man hat nicht in den Ohren die Klänge von einem Pleyel oder von einem Brodmann-Hammerflügel oder von einem Steingräber oder von einem Kawai. Man könnte die alten Klänge dadurch neu erleben, aber neue Klänge auch neu erleben. Da mischen sich verschiedene Dimensionen."
    Musik: Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 21 C-Dur, 1. Allegro
    "Bei Beethoven ist es wirklich interessant, wenn man wirklich auf den alten Wiener Flügeln spielt, wie sich der Klang mischt und trennt, und damit war Beethoven eben sehr exakt. Beim 1. Satz möchte er Klarheit, möchte er wirklich Leggiero-Spiel in diesen pochenden Akkorden vom Beginn, das ist ja fast modern, was er da schreibt, und im 3. Satz möchte er diesen Klangteppich."
    Musik: Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 21 C-Dur, 3. Introduzione
    "Das ist dieser ganz weiche Klang, und dann schreibt er ja tatsächlich vier Zeilen lang soll das Pedal durchgehalten werden, und auf einem solchen Flügel, wie ich ihn heute Abend spiele, geht das."
    Eröffnungsabend im Zeichen von Clara Schumann
    Ragna Schirmer gestaltete beim zweiten Hamburger Chopin-Festival den Eröffnungsabend unter dem Motto "Clara Schumann in Hamburg". Die Pianistin und Gattin von Robert Schumann wurde vor 200 Jahren geboren und spielte viele Male in Hamburg, in ihrem Repertoire war neben Chopin auch häufig Beethovens sogenannte "Waldstein-Sonate". Ragna Schirmer bot sie auf einem Brodmann-Hammerflügel aus Wien, gebaut um 1815. Mit Sicherheit hat Beethoven selbst auf solchen Instrumenten gespielt. Hubert Rutkowski möchte das Repertoire-Spektrum beim Chopin-Festival bewusst weit und offen halten.
    "Wir haben Beethoven auf dem Brodmann, wir haben Schubert-, Mozart-, Haydn- Klaviertrios, aber auch etwa Rachmaninow. Es geht um eigentlich alle Komponisten. Weil Chopin unter den Komponisten eigentlich der erste war, der wirklich nur für das Klavier komponiert hat, geht es einfach um Klaviermusik, aber auch Kammermusik."
    Musik: Sergej Rachmaninow: Études-Tableau op. 3 Nr. 1 aus Morceaux de fantaisie
    Hubert Rutkowski sorgt als Intendant des Hamburger Chopin-Festivals nicht nur für neue, ungewohnte Klavier-Klänge, sondern auch für in Hamburg und anderswo weniger bekannte, aber hervorragende Pianisten. Hier spielt der junge polnische Pianist Tomasz Ritter – er gewann im vergangenen Jahr den ersten Chopin-Wettbewerb auf historischen Flügeln – Rachmaninow. Außerdem war ein Grand Seigneur des Chopin-Spiels zu Gast, der Pole Janusz Olejniczak. Zur Stunde, heute Abend zum Abschluss des Festivals gastiert mit Andreas Staier ebenfalls ein renommierter Künstler auf historischen Tasteninstrumenten. Ergänzt werden die Konzerte durch Meisterkurse. Mit dem 2018 etablierten und nun dem zweiten Hamburger Chopin-Festival wurden bereits rund 20 verschiedene Klaviere vorgestellt. Ein hoch-spannendes Klangerlebnis, das neue Einblicke in die weite Welt des Klaviers ermöglicht.