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Fettleber und Zuckerkrankheit

Wer etliche Pfunde zuviel mit sich rumschleppt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit zuckerkrank. Gesunde Ernährung und viel Bewegung sind daher der beste Schutz, sind sich die Mediziner der 44. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (20. bis 23. Mai) einig. Doch auch die Gene haben entscheidenden Einfluss darauf, ob ein Mensch im Alter an Diabetes erkrankt - oder nicht.

Von Hartmut Schade |
    Eine positive Nachricht machte zu Kongressbeginn die Runde: Die Zahl adipöser, also übergewichtiger, Kinder wächst seit drei Jahren nicht mehr - stagniert auf einem allerdings hohen Niveau. Und die Dicken von heute sind die Diabetiker von morgen. Aber nicht jeder, der etliche Pfunde zuviel mit sich rumschleppt, wird zuckerkrank. Auf der Suche nach den Ursachen für diese unterschiedliche Reaktion, fanden die Mediziner überraschende Zusammenhänge zwischen der Leber und Diabetes.

    Zwei Drittel aller übergewichtigen erwachsenen Diabetiker haben eine Fettleber. Und unter den adipösen Kindern hat jedes dritte schon Fettablagerungen in der Leber. Wie lässt sich dieser statistisch eindeutige Zusammenhang biologisch erklären, fragte sich Professor Dirk Müller-Wieland von der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg. Er schaltete deshalb bei Mäusen einen Genregulator für den Fettstoffwechsel in der Leber aus. Diese Mäuse bekamen prompt Übergewicht und eine Fettleber.

    "Und durch einen Mechanismus, den wir gefundne haben, kann man das auch verhindern."

    Trotz gleicher Ernährung wie die adipösen Mäuse blieben diese Tiere schlank und rank. Es sind offensichtlich Veränderungen im Leberstoffwechsel, die darüber entscheiden, ob die Mäuse dick werden oder dünn bleiben.

    "Welche klinischen Bedeutung das für den Menschen hat, testen wir und viele andere in der Welt an großen Kohorten, dass sind Menschen, die früh den Diabetes entwickeln."

    Bislang galt unter den Experten die Fettleber als Folge von Diabetes. Doch das Gegenteil sei wahrscheinlich, meint Dirk Müller-Wieland. Die Fettleber ist eine Ursache für Diabetes vom Typ zwei.

    "Wenn vermehrt Fett abgelagert wird in der Leber, dann entwickelt das Organ eine Resistenz gegenüber dem Hormon Insulin - also eine klassische Insulinresistenz mit all ihren Folgen."

    Das bedeutet, der Leber selbst und ihrem Stoffwechsel kommt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Typ zwei Diabetes zu. Doch warum sammelt sich das Fett in der Leber? Eine Hypothese sei, dass die Leber selbst aufgrund von Hormonveränderungen mehr Fett produziere, sagt der Hamburger Diabetologe.

    "Und die andere ist, dass wir gelernt haben, dass wahrscheinlich auch das weiße Fettgewebe, also das Fettgewebe, was eigentlich im Unterhautgewebe ist und nachher dick wird, nur eine bestimmte Kapazität hat, Fett abzulagern. Das heißt, wenn das Fett dann nicht mehr adäquat abgelagert ist, - das ist wie bei einer Badewanne, die dann überläuft - es eventuell in den anderen Organen abgelagert wird, da wo es eben nicht hingehört."

    Fettablagerungen in der Leber könnten so ein wichtiges Frühwarnzeichen sein, welche Übergewichtigen eine Diabetes bekommen und wer davon verschont bleibt. Doch mit dem Wissen um die Zusammenhänge zwischen Leber und Diabetes wird auch klar,…

    "…dass wahrscheinlich die Diagnose einfach Diabetes mellitus Typ zwei, das ist ja die häufigste, zu kurz gegriffen ist; dass wir wahrscheinlich viele, viele, viele unterschiedliche Formen des Diabetes mellitus Typ zwei haben."

    Das Wissen um die Unterschiede ermöglicht, ganz unterschiedliche Behandlungsstrategien zu entwerfen, und verlangt nach Medikamenten, die diese Differenz ausnutzen, meint Kongresspräsident Dirk Müller-Wieland.

    "Wenn wir unterschiedliche Formen oder Untergruppen des Diabetes mellitus haben, die sich auch unterscheiden durch wesentlich unterschiedliche Mechanismen bei der Entstehung, dann kann man natürlich auch Medikamente entwickeln, die gezielt und dann auch sinnvoll dort angreifen, um die Entstehung frühzeitig zu verhindern oder den Krankheitsprozess aufhalten."

    Abwarten und hoffen auf die neuen Medikamente ist allerdings die falsche Strategie. Auch wenn die genetische Veranlagung bei der Adipositas eine wichtige Rolle spielt, einen Automatismus "Gen und Dickwerden" gibt es nicht. Ernährung und Bewegung spielen eine wichtige Rolle. Denn der positiven Kongressnachricht, dass die Zahl adipöser Kinder stagniert, stand die schlechte gegenüber. Durch die Fettleibigkeit sinkt zum erstenmal seit 50 Jahren die Lebenserwartung der Deutschen.