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Feuerpause in Syrien
Aufwachen ohne Gefechtslärm

Nach fünf Jahren Bürgerkrieg gibt es in Syrien erstmals einen Hoffnungsschimmer: Die in der Nacht eingetretene Waffenruhe wird ersten Berichten zufolge weitestgehend eingehalten. Die syrische Opposition beschuldigt das Regime allerdings, an einigen Orten die Feuerpause bereits gebrochen zu haben.

Von Sabine Rossi, Kairo | 27.02.2016
    Zerstörung in Homs, hier am 28. März 2015
    Zerstörung in Homs, hier am 28. März 2015 (dpa / picture-alliance / Ygor Lotsman)
    In vielen Städten und Dörfern im Westen Syriens wachten die Menschen am Morgen auf – ohne wie sonst täglich Gefechtslärm, Granaten- und Raketeneinschläge zu hören. Zum ersten Mal gilt eine Waffenruhe in dem fast fünf Jahre andauernden Krieg. Das größte Bündnis der syrischen Opposition und das Regime von Präsident Baschar al-Assad haben der Feuerpause für zwei Wochen zugestimmt – in den Gebieten, in denen sie Einfluss haben und auch nur so lange, wie sie nicht angegriffen werden. Für den Syrien-Gesandten der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, ist die Feuerpause ein Anfang. Der großen Wurf – ein wirklich Frieden – komme erst danach.
    "Um die Kämpfe einzustellen, ist kein Friedensvertrag erforderlich, ebenso wenig wie lange Verhandlungen", sagte De Mistura am späten Abend in Genf. "Verhandlungen beginnen, wenn es eine Waffenruhe gibt. Die Erklärung von Mitternacht beruht auf folgender Einigung: Ich höre auf, du hörst auf. Keine der beiden Seiten versucht Gelände zu gewinnen. Diese Vereinbarung ist einfacher und schneller als Verhandlungen, und sie ist effektiv, denn ein Resultat ist sofort ersichtlich."
    Feuerpause gilt nicht für weite Landstriche im Osten
    De Mistura kündigte an, dass Einsatzzentralen in Moskau, Washington, Amman, Genf und in Latakia im Nordwesten Syriens Verstöße gegen die Feuerpause registrieren und Informationen dazu sammeln.
    Die syrische Opposition beschuldigt das Regime an einigen Orten die Waffenruhe bereits gebrochen zu haben. Im Norden an der türkischen Grenze sollen drei Kämpfer der Freien Syrischen Armee bei einem Angriff regimetreuer Soldaten getötet worden sein. In Hama im Nordwesten Syriens – so schreiben Aktivisten im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter – habe die syrische Armee das Feuer eröffnet. Zuvor waren in einem Stadtteil von Hama zwei Menschen ums Leben gekommen, als ein mit Sprengstoff beladenes Auto explodierte. Unweit vom Ort der Explosion verläuft die Grenze zu dem Gebiet, das von der Terrororganisation Islamischer Staat kontrolliert wird.
    Der IS ist von der Waffenruhe ausgenommen, ebenso die Al-Qaida nahe Al-Nusra-Front. Damit gilt die Feuerpause für weite Landstriche im Osten Syriens nicht. Und auch im Westen des Landes ist es schwierig, die Orte an denen Kämpfer des IS und von Al-Nusra aktiv sind, sauber von Gebieten anderer bewaffneter Gruppen abzugrenzen, die der Feuerpause zugestimmt haben. Die syrische Opposition befürchtet, dass Baschar al-Assad, die syrische Armee und ihre Verbündeten genau dies nutzen könnten und unter dem Vorwand, den IS oder Al-Nusra zu treffen, die bewaffnete Opposition angreifen.
    Kämpfe hatten vor Mitternacht erneut zugenommen
    Ein Beispiel dafür ist der Ort Daraya nicht weit von Damaskus. Das Regime kämpft dort nach eigenen Angaben gegen die Al-Nusra-Front. Bewaffnete Oppositionsgruppen vor Ort bestreiten, dass unter ihnen Al-Nusra-Kämpfer sind.
    Nicht nur in Daraya auch an anderen Orten in Syrien hatten die Kämpfe bis kurz vor Beginn der Waffenruhe um Mitternacht Damaskus-Zeit noch einmal an Intensität zugelegt.
    Über Häusern, von denen nur noch durchlöcherte Außenmauern stehen, steigt dichter Rauch auf. Der Mann, der die Angriffe gestern mit seinem Handy filmte, sagt, dass es sich um russische Flieger handele.
    Unabhängig von der Feuerpause hat der Präsident des Internationalen Roten Kreuz, Peter Maurer, die Konfliktparteien aufgerufen, Hilfslieferungen durchzulassen. Lebensmittel, Decken und Medizin müssten zu den Menschen in belagerten Städten und Dörfern gelangen – ganz gleich, ob die Waffenruhe hält oder nicht, sagte er bei einem Besuch in Damaskus.