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FIFA-Skandal
Die vielen Leben des Jack Warner

Der ehemalige FIFA-Vizepräsident Jack Warner wird wohl vorerst nicht an die USA ausgeliefert. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Ex-Fußballfunktionär aus Trinidad ungeschoren davon kommt - trotz gut dokumentierter Korruptionsvorwürfe.

Von Jürgen Kalwa | 19.09.2015
    Der ehemalige FIFA-Vize-Präsident Jack Warner.
    Der ehemalige FIFA-Vize-Präsident Jack Warner (picture-alliance / dpa / Alva Viarruel)
    Am vergangenen Mittwoch (16.09.2015) verzichtete der neue Generalstaatsanwalt in Trinidad darauf, dem zuständigen Gericht in der Hauptstadt Port of Spain fristgerecht die Papiere zuzustellen, mit denen das von den USA beantragte Auslieferungsverfahren gegen den ehemaligen Fußball-Funktionär Jack Warner angeschoben würde.
    Trotz massiver Korruptionsvorwürfe auf freiem Fuß
    Die Folgen? Theoretisch ist es möglich, dass nun der ehemalige FIFA-Vizepräsident am Montag seinen Reisepass zurückbekommt und die 2,5 Millionen Dollar hinterlegte Kaution, dank der er sich auf freiem Fuß befindet. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Inselstaat trotz hinreichend dokumentierter Korruptionsvorwürfe eine Farce inszeniert, um Warner zu schützen, der wie kaum ein anderer ungeschoren das von der FIFA alimentierte System aus Machtpoker und Selbstbereicherung ausnutzen durfte.
    Sicher: Es gibt eine Erklärung: Bei den Parlamentswahlen neulich war die Oppositionspartei an die Macht gekommen. Und da der alte Generalstaatsanwalt einfach die Akten liegen ließ, muss nun sein Nachfolger ran. Aber der sagte: Er habe bisher einfach zu wenig Zeit gehabt, um die Sachlage gründlich zu begutachten. Er kann das Gericht um eine Fristverlängerung bitten. Aber ob er das tun wird, sagte er nicht. Und ob die gewährt würde, vermag niemand abzuschätzen. Auch nicht Camini Marajh, die leitende investigative Reporterin der Zeitung "Trinidad Express", sicher eine der besten Kennerinnen der Verhältnisse.
    "Man kann das Verhalten von Politikern nur schwer vorhersagen. Sie berücksichtigen manchmal andere Dinge als die offensichtlichen, die den Laien beschäftigen."
    Nur eines lässt sich schon jetzt sagen: Wer die Mitschuld an der Misere hat. Die FIFA, deren Spitzen Warner nicht nur mit Fernsehrechten beschenkten und dafür sorgten, dass die Kasse der südafrikanischen WM-Ausrichter geplündert werden konnte - sie schickte Millionen aus eigenen Mitteln nach Trinidad, damit Warner sich dort ein Konferenzzentrum mit Hotel und Sportanlagen bauen konnte.
    Und die FIFA schaut untätig zu
    Ein Untersuchungsbericht des Kontinentalverbandes CONCACAF ergab 2013, dass der ehemalige Präsident der Organisation dabei ein falsches Spiel gespielt hatte. Warner wies zum Schein den Gebäudekomplex als Vermögenswert in den Büchern der Organisation aus. Tatsächlich ließ er die Anlage auf seinem eigenen Grundstück bauen. Ein Fall von Betrug?
    Offensichtlich nicht für die FIFA. Denn die hat bislang nichts unternommen, um - wenn schon nicht ihre 10 Millionen Dollar zurückzubekommen - so sich wenigstens die Immobilie zu sichern, die den pompösen Namen Joao Havelange Centre of Excellence trägt. Camini Marajh bestätigte die Untätigkeit der FIFA gegenüber dem Deutschlandfunk:
    "Man sollte die FIFA zur Rechenschaft ziehen. Sie besitzen den Untersuchungsbericht der CONCACAF, der die Rolle von Jack Warner bei den Betrugsfällen belegt. Der aufzeigt, wie er Vermögenswerte gestohlen hat wie beim Centre of Excellence. Aber sie haben mit ihren eigenen Erkenntnissen nichts angefangen."
    Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass eine derartige Untätigkeit die Schweizer Staatsanwälte interessieren könnte, die schon wegen anderer Vorgänge ermitteln. Besonders wenn sie herausfinden werden, wer eigentlich untätig war und die Millionen abschrieb und warum. Nach Warners Rücktritt von seinen Funktionärsämtern 2011 führte FIFA-Präsident Sepp Blatter Regie, um ausgerechnet einen gewissen Jeffrey Webb zum CONCACAF-Präsidenten zu machen.
    Schlüsselfigur Jeffery Webb
    Was sprach damals überhaupt für Webb? Für den Mann, der im April mit anderen Funktionären in Zürich verhaftet und vor kurzem an die USA ausgeliefert wurde? Seit wenigen Tagen wissen wir etwas mehr. Zum Beispiel, dass Webb, ein Banker von den Cayman Islands, zuvor als Helfershelfer im Schattenreich von Warner arbeitete. Und zwar vermutlich nicht nur beim lukrativen Weiterverkauf von Fernsehrechten. Er wäre als Direktor einer Warner gehörenden Briefkastenfirma namens J&D International Limited auch Schleusenwärter gewesen, um eine üppige Schmiergeldzahlung aus Katar an Warner weiterzuleiten. Das klappte nur deshalb nicht, wie die Zeitung Cayman Compass neulich berichtete, weil die Empfängerbank auf den Cayman Islands den Betrag von 1,2 Millionen Dollar als dubios einstufte und in den Nahen Osten zurückschickte.
    Das Geld - Absender Mohammed Bin-Hammam - kam übrigens trotzdem an. Verspätet und auf Umwegen. Was wusste Blatter über Webb? Was weiß Webb über Blatter? Sicher einiges. Und genau das könnte nun zum Faustpfand werden, falls er die Absicht hat, mit der US-amerikanischen Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Und das ist mehr als wahrscheinlich angesichts der Faktenlage. Webb hat sicher längst begriffen: Nur wer auspackt und andere in diesem mafiaartigen Netzwerk belastet, hat Aussichten auf Milde.