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Film "Good Kill"
Wenn der innere Panzer bröckelt

Das US-Militär unterstützt häufig Filmproduktionen über amerikanische Soldaten. Nicht im Fall von "Good Kill" von Andrew Niccol: Denn sein Film zeigt einen Drohnenpiloten, der an seiner Tätigkeit, dem Töten von Menschen aus Tausenden Kilometern Entfernung, innerlich zerreißt. Ein psychologisches und ideologisches Kammerspiel.

Von Hartwig Tegeler |
    Ethan Hawke bei der Vorstellung von "Good Kill" in Venedig: Porträt von Ethan Hawke im Anzug vor hellblauer Wand.
    Ethan Hawke bei der Vorstellung von "Good Kill" in Venedig. (imago/stock&people/insidefoto)
    Ödnis. Wohnsiedlungen wie am Reißbrett entworfen, mitten in der Wüste nahe Las Vegas. Major Thomas Egan hat es nicht weit vom Soldaten-Bungalow zum sandfarbenen Container, zum Bildschirm-Arbeitsplatz.
    "Waffen scharf. 3 - 2 - 1 - Feuer. Rakete gestartet."
    Drohnenkriegs-Routine.
    "Flugzeit: 10 Sekunden."
    Wie sagt Thomas' Vorgesetzter?
    "Befehle sind Befehle."
    Und Thomas folgt dem. Der zu liquidierende Terrorist unten da am Boden in Afghanistan oder Pakistan, oben, in der Luft schwebend die Drohne, unsichtbar für die da unten. Und Tausende von Kilometern entfernt der, der am Joystick die tödliche Rakete abfeuert.
    Thomas Gesicht, gespielt von Ethan Hawke: eine stählerne Maske. Scheinbar reibungslos erledigt er den Job wie eine Maschine.
    Aber langsam tauchen Fragen auf. Thomas fängt an zu zweifeln und zu saufen. Aber die Dämonen kann auch die Flasche nicht befrieden:
    "Gestern bin ich über ein Haus in Süd-Waziristan geflogen. Ich habe die ganze Zeit ein Haus observiert, und sie konnten mich nicht sehen. Das war das Haus eines Taliban-Kommandeurs. Er war nicht zu Hause. Da drin haben seine Frau und seine Kinder geschlafen. Als er zurückkam, bei Tagesanbruch, war die Familie noch im Haus. Aber ich war nicht sicher, wann ich noch mal die Chance bekommen würde. Also habe ich das Haus trotzdem in die Luft gejagt."
    Gegenentwurf zu Eastwoods "Der Scharfschütze"
    Andrew Niccol, Regisseur des großartigen Science-Fiction-Films "Gattaca" und der Waffenhändler-Satire "Lord of War", erzählt in "Good Kill" von einem Krieger, dessen innerer Panzer bröckelt.
    "Nein, es geht mir gut!"
    Was er da tut am Joystick, das stellt Thomas immer mehr infrage.
    Schon bevor wir den Fachausdruck "Posttraumatische Belastungsstörung" kannten, gehörte der psychisch angeschlagene Krieger zum Personal der Filmgeschichte: vom Indianer mordenden Westernhelden bis zum Soldaten, der für Gott, Vaterland und wen auch immer seinen Job macht. Dabei stehen die Geschichten über den angeschlagenen Krieger nicht automatisch für Antikriegsfilme. Zuletzt hat Clint Eastwood mit "Der Scharfschütze" vorgemacht, wie es geht, einen psychisch zerstörten Soldaten zu zeigen und trotzdem den Krieg als gerechte und notwendige Sache darzustellen.
    Andrew Niccols Film ist der Gegenentwurf zu solch einer patriotischen Schmonzette wie "Der Scharfschütze". "Good Kill" ist psychologisches und ideologisches Kammerspiel im fensterlosen Container. Mit all der Ödnis, der Langeweile und zermürbenden Routine:
    Kommandeur: "Bitte verzichten Sie auf eine Schadenfeststellung und verlassen Sie den Luftraum."
    Der Drohnen-Pilot verschmilzt mit Monitor und Joystick; nur noch schwer kann er realisieren, dass das, was er da tut, kein Videospiel ist, sondern blutige Realität. Und das ist der Konflikt, der Thomas immer mehr zerreißt. Nur die neue Co-Pilotin hat noch Worte für das, was da passiert:
    "Es wir nicht eine Weile dauern, bis der Junge eine Kalaschnikow bedienen kann. Keine Frage, wir sind eine verdammt effiziente Terroristenschmiede. Das beste Rekrutierungsinstrument, das Al Kaida jemals hatte."
    Einfühlung gegenüber dem Gegner
    Das US-Militär sponsert Kriegsfilme gern als wohlfeile Image-Werbung. Dass ein Film wie "Good Kill", der die Legitimation des Krieges infrage stellt, Unterstützung versagt blieb, das überrascht Regisseur Andrew Niccol nicht. Unbequeme Wahrheiten über den Krieg mögen sie eben nicht, wie er im Bonusmaterial der DVD sagt:
    "If you telling an uncomfortabel truth about the military, you can't expect military cooperation. Which I understand."
    Dass die anderen Figuren neben dem Piloten Thomas ein wenig wie Stichwortgeber wirken, und dass am Ende von "Good Kill" ein absurdes Klischeehappyend angepappt ist, das sei diesem kritischen Film verziehen, weil sich die Fragen, die hier gestellt werden, nicht erledigen. Mithin, so ein Satz von Einfühlung gegenüber dem Gegner, der nicht als Terror-Bestie dargestellt wird, er wäre in einem Film wie Eastwoods "Der Scharfschütze" unvorstellbar:
    "Stell dir vor, du lebst irgendwo und wünscht dir einen grauen Himmel. Sie hassen den blauen Himmel. Denn da fliegen wir. Beim grauen Himmel geht's nicht."