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Filz, Fälscher und Millionen

Die Diskussion über die Verantwortung und die Vergütung der mächtigen Chefs der Deutschland AG ist in vollem Gange. Das Netzwerk der Manager in den Aufsichtsräten funktioniert so gut, dass sie sich bei aller öffentlichen Kritik immer mehr Millionen zuschieben können. Und das, ohne gegen Gesetze zu verstoßen.

Von Stefan Schmid | 12.06.2005
    " Niemand kann meine Tätigkeit an der Spitze von worldcom als kriminell oder betrügerisch bezeichnen. "

    Bernhard Ebbers, einstmals Chef des US-Pleitekonzerns Worldcom, hat sich geirrt. Im März wurde ihm von einem Geschworenengericht in New York die Schuld gegeben für den größten Bankrott in der US Firmengeschichte. Morgen wird das Strafmaß verkündet, dem Topmanager drohen bis zu 85 Jahre Haft.

    Der Gesetzgeber in den Vereinigten Staaten hat reagiert: Wer Aktionäre bewusst schädigt, wer betrügt oder seine Aufsichtspflichten vernachlässigt, dem droht das Strafrecht mit voller Wucht.

    Ebbers hatte mit Bilanzbetrügereien den Kurs von Worldcom manipuliert, um mit seinen Aktienoptionen an der Börse Millionen zu scheffeln. Solche Aktienoptionen mit gewaltigen Gewinnchancen sind auch hierzulande als Vergütung für die Manager der großen Aktiengesellschaften üblich, trotz dieser schlechten Erfahrungen. Im Ausmaß wie bei Worldcom haben sich hierzulande Manager von großen Unternehmen noch nie an ihren Anteilseignern versündigt, die Diskussion über die Verantwortung und die Vergütung der mächtigen Chefs der Deutschland AG, sie ist allerdings in vollem Gange. Das Netzwerk der Manager in den Aufsichtsräten funktioniert so gut, dass sie sich bei aller öffentlichen Kritik immer mehr Millionen zuschieben können. Und das, ohne gegen Gesetze zu verstoßen.

    Beispiel: Der Versicherungsriese Allianz:

    Schulte-Noelle: " Meine Damen und Herren, lassen sie mich allgemein zur Höhe der Vergütung folgendes sagen… "

    Aktionär: " Es ist ein ganz normaler Selbstbedienungsladen, die Vorstände und die Aufsichtsräte legen ihre Gehälter selbst fest, da ist natürlich ganz normales menschliches Prinzip, dass man schaut dass sein Beutel am vollsten ist wenn man die Möglichkeit hat den voll zu machen. "

    Schulte-Noelle: " Die im Konzernanhang ausgewiesenen Aufwendungen für die fixen Bezüge sind im Vergleich zum Vorjahr etwas zurückgegangen, die Aufwendungen für die variablen Bezüge sind hingegen deutlich gestiegen. "

    4. Mai, Hauptversammlung des Finanzkonzerns Allianz in der Münchner Olympiahalle. Regie hat Aufsichtsratschef Henning Schulte-Noelle. Der kritische Kommentar stammt von einem Kleinaktionär, der offenbar den Geschäftsbericht genauer studiert hat. Darin stehen nämlich imposante Zahlen, die der Aufsichtsratsvorsitzende in seiner Rede ausgespart hat:

    Die Aktionäre haben den 10 Vorständen für das Jahr 2004 insgesamt 22,6 Millionen Euro in bar vergütet, außerdem 12,4 Millionen in Form von Aktienoptionen, summa summarum also 37 Millionen Euro.

    Ein stolzer Betrag, wenn man bedenkt, dass die Vorstände im Jahr 2000 noch mit 13 Millionen ausgekommen sind - und dennoch damals ein wesentlich besseres Ergebnis erwirtschaftet haben.

    13 Millionen, 20 Millionen, 23 Millionen, 32 Millionen, und jetzt 37 Millionen Euro -

    Die jährlichen Gehaltssprünge der Vorstände haben den Aktionären in den letzten fünf Jahren nichts gebracht: Die Allianz steht als Unternehmen viel schlechter da als zur Jahrtausendwende, das gleiche gilt für den Aktienkurs. Trotzdem sind die Vorstände regelmäßig reicher geworden. Fragt sich nur, warum die Aufsichtsräte das zugelassen haben. Vetternwirtschaft vielleicht?
    " Die Aufsichtsräte, das sind ja immer so Überkreuz-Beteiligungen: Machst Du bei mir den Aufsichtsrat, dann mach ich bei Dir, dann tust Du mir nix und ich tu Dir nix. Insofern ist die Kontrolle mehr Spiegelfechten. Die tun sich gegenseitig nicht weh, also hier ist schon das Prinzip: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. "

    Dass dieser Vorwurf eines Allianz-Aktionärs nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigt ein Blick in die aktuelle Liste der Posten, die Vorstände und Aufsichtsräte der Eigentümerseite innehaben:

    Michael Diekmann, Allianz: " Meine Damen und Herren, die Allianz hat mir eine wirklich sehr interessante berufliche Laufbahn ermöglicht. Das würde ich gerne zurückgeben, und ich kann Ihnen sagen dass ich sehr stolz bin, ihre Gesellschaft leiten zu dürfen. "

    Michael Diekmann führt als Vorstandsvorsitzender die Geschäfte der Allianz Group. Der Versicherungs- und Bankkonzern verwaltet viele Milliarden an Spar- und Versicherungsgeldern, die zum Teil in Aktienpaketen angelegt sind. Das erleichtert den Vorständen die Jagd nach möglichst vielen Aufsichtsposten bei anderen großen Aktiengesellschaften:

    Allianz-Chef Michael Diekmann sitzt im Aufsichtsrat der DAX-Unternehmen BASF, Linde und Lufthansa. Sein Vorstandskollege Paul Achleitner ist in den Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen Bayer und RWE vertreten. Weitere Allianz-Vorstände sind Aufsichtsratsmitglieder bei den DAX-Unternehmen Infineon, Schering und Deutsche Börse.

    Allianz-Bosse haben also in acht anderen großen Aktiengesellschaften des DAX ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Etwa, wenn die Vorstandsbezüge festgelegt werden. Und das Netzwerk der Allianz- Manager reicht noch viel weiter, weil auch ehemalige Allianz-Vorstände in das Beziehungsgeflecht eingebunden sind:

    Schulte-Noelle: " Das Jahr 2002 war für die ganze Branche, aber auch für die Gruppe das Schwierigste was ich jedenfalls seit langer Zeit in Erinnerung habe. Entsprechend ist das Resultat hier für unsere Gruppe mit einem Verlust von knapp 1,2 Milliarden Euro ausgefallen. Also 2002, da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen, war für die Gruppe ein sehr schlechtes, ein sehr enttäuschendes Jahr. "

    Henning Schulte-Noelle war im Jahr 2002 noch Vorstandsvorsitzender der Allianz Group, er hat den Aktionären damals herbe Verluste beschert. Aber er ist trotz seiner miserablen Bilanz als Topmanager eine zentrale Figur im Netzwerk des Münchner Finanzkonglomerats geblieben: Denn er ist nach der Pensionierung sofort zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates befördert worden. Obwohl viele Aktionäre damit nicht einverstanden waren und sind:


    Aktionär: " Ein großes Problem sehe ich darin, dass Herr Schulte-Noelle nicht nur im Aufsichtsrat, sondern Vorsitzender ist. Das ist ja dieses generelle Thema. Er hat den Herrn Diekmann herangezogen, ist sein Ziehsohn, jetzt kontrolliert er ihn in Anführungsstrichen. Das ist im Grunde genommen menschlich und fachlich nicht machbar. Diese Dinge sollte man ausschließen, sie werden aber in Deutschland bei einer großen Zahl von DAX-Unternehmen praktiziert. "

    Allianz- Oberaufseher Henning Schulte- Noelle ist auch weiterhin in den Aufsichtsräten anderer DAX-Unternehmen aktiv, nämlich:

    Beim Energiekonzern E.ON, bei Siemens und beim Stahlkonzern ThyssenKrupp.

    Und im Aufsichtsrat der Allianz sitzt noch ein früherer Vorstand: Diethart Breipohl, der zudem im Aufsichtsrat des Autozulieferers Conti vertreten ist. Unterm Strich besetzen Allianz-Manager also Aufsichtsratsposten bei 13 der größten deutschen Aktiengesellschaften - der halbe DAX ist damit sozusagen "Allianz-versichert". Die Allianz-Manager verfügen damit über ein gewaltige Portion an Macht und Einfluss. Denn als Aufsichtsräte überwachen sie die Arbeit der Vorstände der jeweiligen Aktiengesellschaft. Und entscheiden dabei auch über deren Vergütung - meist in einem kleinen Mauschel-Ausschuss. Das macht die Posten in den Aufsichtsräten konzernfremder Aktiengesellschaften für Vorstände besonders interessant. Schließlich sind Sie selbst bei ihren Vergütungsverhandlungen auf das Wohlwollen ihrer Aufsichtsräte angewiesen . Da fügt es sich gut, wenn einige Aufsichtsräte bei der Allianz aus den Vorstandsetagen genau jener Unternehmen stammen, die von Allianz-Managern kontrolliert werden. So entdeckt man im Aufsichtsrat der Allianz:

    E.ON - Manager Wulf Bernotat, Bayer-Manager Manfred Schneider und Thyssen-Manager Gerhard Cromme.

    Ordnet man das Posten-Puzzle nach Unternehmen, so ergeben sich einige Überschneidungen - und damit auch Interessenkonflikte:

    Manager der Allianz beaufsichtigen Manager von Bayer, E.ON und Thyssen. Manager von Bayer, E.ON und Thyssen beaufsichtigen im Gegenzug die Manager der Allianz.

    Die Machtverhältnisse sind also bestens ausbalanciert, ein kleiner Kreis von Topmanagern mit gleichgerichteten Interessen hält bei diesen Großunternehmen die Fäden in der Hand. Bei vielen anderen Aktiengesellschaften existiert ein ähnliches Netzwerk. Es gibt also ein Kartell der Manager, das Bild von der Deutschland AG passt nach wie vor. Obwohl die Bundesregierung das schon längst ändern wollte.

    Cromme: " Der Kodex existiert seit Februar 2002. Und es ist einfach ein Faktum, dass bereits in diesen zwei Jahren der Kodex zu beachtlichen Veränderungen in den Unternehmen geführt hat. Und zwar gerade weil der Kodex die Unternehmen verpflichtet, freiwillig in der Anwendung, transparent in der Darstellung und flexibel in der Umsetzung zu sein. "

    So präsentierte Gerhard Cromme seine Arbeit als Vorsitzender der "Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex" auf der dazugehörigen Konferenz. Diese Kommission hat einen Kodex zusammengestellt, der Spielregeln für gute Unternehmensleitung und Unternehmenskontrolle definiert. Die Unternehmen müssen sich daran aber nicht halten. Dabei ist der Kodex ohnehin nur ein Papiertiger ohne Biss. Gerhard Cromme hat nämlich nicht wirklich versucht, mit dem Kodex die Selbstbedienung der Manager einzuschränken. Was nicht verwundert. Schließlich ist er selbst eine zentrale Figur im Netzwerk der Deutschland AG:

    Gerhard Cromme war früher Vorstandsvorsitzender beim Stahlkonzern ThyssenKrupp. Heute ist er dort Vorsitzender des Aufsichtsrates.

    Doch das ist nur der erste von den vielen lukrativen Posten des Gerhard Cromme. In Unternehmenskreisen gilt er offenbar als Universalgenie mit umfassenden Branchenkenntnissen. Denn er darf neben Thyssen acht weitere große deutsche Aktiengesellschaften beaufsichtigen:

    Er ist Aufsichtsrat bei Allianz, E.ON, Hochtief, Lufthansa, Ruhrgas, Siemens, Springer und VW.

    Dazu kommen noch Aufsichtsposten bei den französischen Großkonzernen BNP und Suez. Stahlprofi Cromme überwacht damit Unternehmen beziehungsweise Kollegen aus den folgenden Branchen:

    Auto, Bank, Bauwirtschaft, Energie, Elektrotechnik, Luftfahrt, Medien, Stahl und Versicherung.

    Klaus Schneider, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger bei der Allianz-Hauptversammlung, bezweifelt deswegen, dass der Stahlmanager Cromme genügend Fachwissen und Zeit mitbringt, um die Versicherungsprofis im Vorstand der Allianz ernsthaft zu kontrollieren.

    Schneider: " Eine ganz andere Fragestellung ist hier bei so einem Finanzdienstleister also gefordert als bei einem Stahlkonzern, insofern muss man in der Tat die Frage stellen, wie weit einer, der so viele andere Mandate noch betreut, sich intensiv mit der Thematik einer Bank und eines Versicherungskonzerns auseinandersetzen kann, dass er hier in der gewohnten Form seine Aufsicht noch wahrnehmen kann."

    Dabei ist Gerhard Cromme nicht nur einfaches Mitglied im Aufsichtsrat der Allianz. Sondern er sitzt auch im Prüfungsausschuss, im Personalausschuss und im ständigen Ausschuss.

    Dafür hat er im Jahr 2004 von der Allianz immerhin 156.000 Euro bekommen, fast doppelt so viel wie ein einfaches Aufsichtsratsmitglied. Für den Aufsichtratsvorsitz bei Thyssen hat Cromme im Geschäftsjahr 2003/2004 sogar 224.000 Euro erhalten.

    Nimmt man seine anderen Mandate dazu, so dürfte er ganz gut leben von der Deutschland AG, die er eigentlich entflechten sollte. Für ein Interview im Rahmen dieser Sendung zum Themenkreis Ämterhäufung, Corporate Governance Kodex und Überkreuzverflechtung war Gerhard Cromme leider nicht zu gewinnen, ein geplantes Gespräch am Rande der Allianz Hauptversammlung wurde abgesagt. Auf dieser Hauptversammlung hat Aufsichtsratschef Schulte-Noelle die Aktionäre mit Aussagen der folgenden Art abgespeist:

    Schulte-Noelle: " Über die Arbeit des Aufsichtsrates haben wir im Geschäftsbericht der AG, ab Seite 2 und im Geschäftsbericht des Konzerns ab Seite 7 ausführlich informiert. Hierauf darf ich verweisen. Ergänzend möchte ich hervorheben, dass Gegenstand unserer Beratungen vor allem die Umsetzung der Maßnahmen des 3Plus1-Programmes durch den Vorstand war. "

    Aufsichtsratsposten sind in den letzten Jahren deutlich attraktiver geworden. Nach den Vorstandsvergütungen haben nämlich viele Aufseher flugs ihre eigenen Vergütungen kräftig angehoben. Bei der Allianz haben sich vor allem die Bezüge für den Aufsichtsratsvorsitzenden besonders dynamisch entwickelt.

    2001 und 2002 wurde diese Arbeit noch mit 143.000 Euro entlohnt, 2003 dann schon mit 214.000 Euro, und für das Jahr 2004 hat Schulte-Noelle 252.000 Euro bekommen.

    Das Beispiel Allianz zeigt also, dass die Deutschland AG immer noch ein Selbstbedienungsladen ist. Vorstände und Aufsichtsräte konnten sich laufend mehr Geld zuschanzen, die Politiker haben sich mit Sonntagsreden begnügt.

    Zypries: " Wir haben immer gesagt: Wir warten jetzt noch eine Hauptversammlungssaison ab, und wenn dann nicht weiter offengelegt wird, dann machen wir ein Gesetz. "

    Justizministerin Brigitte Zypries hat schon des öfteren gedroht, den Aktionären per Gesetz wenigstens mehr Durchblick zu bescheren, wenn schon nicht mehr Einfluss. Aber faktisch hat sie zunächst den Bock zum Gärtner gemacht und den Managern erlaubt, mit Hilfe des Corporate Governance Kodex Zeit zu schinden. Gerhard Cromme und Kollegen durften ihre Empfehlungen für gute Unternehmensführung so gestalten, dass sich am Machtgefüge in den Chefetagen der großen deutschen Aktiengesellschaften nichts geändert hat. Dass die so genannte "Regierungskommission" in Wirklichkeit ein Frühstückskartell zur Machterhaltung für Manager ist, signalisiert schon ein Blick in die Liste der Mitglieder.

    Neben Cromme finden sich unter den 13 Kommissionsmitgliedern 7 weitere Topmanager großer Aktiengesellschaften, von der Allianz über Deutsche Bank, BASF, Deutsche Börse bis hin zu Porsche.

    Einflussreiche Großverdiener, die an hohen Vergütungen für Vorstände und Aufsichtsräte interessiert sind, haben in der Kommission also die Mehrheit. Auch das Kommissionsmitglied Christian Strenger von der Fondsgesellschaft DWS vertritt nur auf den ersten Blick Aktionärsinteressen. Sein Brötchengeber ist letzten Endes die Deutsche Bank, der gehört nämlich die DWS. Und das Kommissionsmitglied Professor Axel von Werder ist den Managern ebenfalls zu Dank verpflichtet. Denn sein "Berlin Center of Corporate Governance" an der Technischen Universität Berlin wird gegenwärtig unter anderem von folgenden Unternehmen unterstützt:

    Bayer AG, Daimler Chrysler AG, Deutsche Lufthansa AG, Deutsche Telekom AG, DWS Investment AG, Metro AG, Münchner Rück AG, SAP AG, Schering AG, Siemens AG und ThyssenKrupp AG.

    Das "Berlin Center of Corporate Governance" des Kommissionsmitgliedes Axel von Werder durfte denn auch zusammenstellen, wie die Unternehmen den Kodex in der Praxis umzusetzen gedenken. Gerhard Cromme:

    Cromme: " Der deutsche Corporate Governance Kodex erfährt eine weiterhin wachsende Zustimmung und trägt zu einer Dynamisierung guter Unternehmensführung bei. Also nach Ablauf der diesjährigen Hauptversammlungssaison, werden die DAX-Gesellschaften durchschnittlich 96 Prozent aller Empfehlungen umgesetzt haben - das sind 69 von 72. "

    Das klingt nach einer stolzen Bilanz. Oder ist es doch nur Augenwischerei? Denn die Empfehlungen des Kodex sind so zahm, dass sich an den Machtverhältnissen in den Unternehmen nichts ändert. Nennenswerte Einschnitte verordnen sich die Manager nur, wenn Öffentlichkeit und Politik so viel Druck machen, dass wirklich einschneidende Gesetze drohen. Aktionärschützer Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger beklagt:

    Petersen: " Die Vorstände haben sich den Kodex gegeben, mit dem sie leben können. Gerade die Individualisierung der Vorstandsgehälter ist von dieser Corporate Governance Kommission für nicht notwendig gehalten worden für den Aktionärsschutz. Dann hat die Bundesjustizministerin gesagt: wenn sie das nicht in den Kodex aufnehmen, kommt es in das Gesetz. Von einem Tag auf den anderen war diese Corporate Governance Kommission der Ansicht, dass es wahrscheinlich nichts wesentlicher gibt als diese Individualisierung. Das zeigt einmal eins: Dieser Kodex hat nur eine Funktion, Marketing nach Außen, zu sagen, in Deutschland gibt es auch Aktionärsrechte, und das Zweite: Gesetze, die sinnvoll sind, zu verhindern . "

    Dass die Kodex-Kommission entgegen ihrem Auftrag hauptsächlich dazu dient, Vergütungsspielräume für die Manager möglichst lange offen zu halten, zeigt beispielhaft die Position zu den Vorstandspensionen. Viele Manager bekommen nämlich neben fixen und variablen Vergütungen üppige Pensionszusagen. Die Aktionäre sollten also auch darüber detailliert informiert werden. Doch Gerhard Cromme betont auf Konferenzen lieber, dass der Kodex seiner Zunft in diesem Punkt noch Zurückhaltung erlaubt:

    Cromme: " Die Kodex-Empfehlung zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge bezieht sich zumindest zur Zeit dagegen nur auf das Fixum und auf die variablen Komponenten der eigentlichen Vergütung. Abschließend möchte ich sagen dass wir jetzt auf die Vorschläge der EU-Kommission warten, die auch die Pensionszusagen betreffen. Und das werden wir natürlich in den zukünftigen Beratungen mit berücksichtigen müssen. "

    Multiaufsichtsrat Gerhard Cromme wollte auch lange keinen Finger rühren, um die anhaltende Vetternwirtschaft in den Aufsichtsräten zu beschränken. So beklagten Aktionäre und Aktionärsschützer immer wieder, dass scheidende Vorstandsvorsitzende sich beinahe automatisch den Aufsichtsratsvorsitz reservieren, so geschehen auch bei der Allianz:

    Aktionär: " Sie wissen ja, dass es auch diese Sache gibt, dass ein scheidender Vorstandsvorsitzender immer automatisch gleich in den Aufsichtsrat gewählt wird und dann meistens noch Aufsichtsratsvorsitzender wird, also: von dem, der was gemacht hat, im Jahr darauf seine eigene Arbeit kontrollieren, das ist, wie wenn man den Schüler zum Lehrer macht. "

    Kodex-Konstrukteur Gerhard Cromme, der ja selbst vom Chefsessel im Vorstand in den Chefsessel im Aufsichtsrat bei ThyssenKrupp gewechselt ist, wollte sich in dieser Frage dennoch nicht engagieren. Nach der bewährten Salamitaktik wird er den Kodex erst jetzt in diesem Punkt ändern. Aber so, dass sich in der Praxis nichts ändern wird: Das signalisiert der neue Wortlaut des Kodex:

    Der Wechsel des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitgliedes in den Aufsichtsratsvorsitz oder den Vorsitz eines Aufsichtsratsausschusses soll nicht die Regel sein. Eine entsprechende Absicht soll der Hauptversammlung besonders begründet werden.

    Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen befürchten, dass damit das Wechselspiel vom Vorstand in den Aufsichtsrat munter weitergehen wird.
    Fragt sich nur, warum die Bundesjustizministerin dem Treiben von Cromme & Co so lange tatenlos zugeschaut hat. Warum hat sie den Aktionären nicht schon vor drei oder vier Jahren per Gesetz vollen Durchblick und wirksame Mitspracherechte beschert bei den Vorstandsvergütungen, nach dem Vorbild der Briten, die das längst getan haben. Eine Ursache liegt wohl in der großen Machtfülle, die das Kartell der Topmanager in einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit hat, in dem unabhängige Aktienfonds eine seltene Spezies sind.

    Ackermann, Diekmann und Co entscheiden über Arbeitsplätze und Fabriken. Sie kommandieren die Milliarden der Sparer und Anleger. Und sie nutzen ihre Firmenkassen in Deutschland offenbar auch, um empfängliche Politiker mit Aufträgen, Posten oder Spenden auf ihre Seite zu ziehen, das haben jüngst wieder die Skandale bei den DAX-Unternehmen RWE und VW offenbart.

    Der Hamburger Professor Michael Adams, der sich intensiv mit der Vergütungsproblematik befasst, sieht noch einen zweiten Grund für die vornehme Zurückhaltung der sonst so kapitalismuskritischen Regierungspartei SPD:

    Adams: " Die Mitbestimmung, die wir in Deutschland haben, das heißt Mitbestimmung im Aufsichtsrat, wo die Hälfte der Mitglieder von Betriebsangehörigen und Gewerkschaften mit hineingesetzt werden, führt zu einer Verfilzung des Ganzen. Es gibt bestimmte Vorstände, denen es gelingt mit diesen Funktionären zu spielen und zu sagen: hört zu: wir schieben euch Geld zu, ihr schiebt mir Geld zu. Wir haben deshalb dort einen Filz, und dieser Filz reicht natürlich auch in alle Parteien und auch in die SPD hinein, so dass es dort ganz erhebliche Widerstände gab. "

    Vor diesem Hintergrund ist es gar nicht mehr so verwunderlich, dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Februar 2004 ausgerechnet Gerhard Cromme, den Cheflobbyisten der Deutschland AG mit dem großen Verdienstkreuz ausgezeichnet hat: Begründung:

    " Der Orden gilt einem Mann, der sich verantwortungsvoll in den Dienst des Gemeinwohls im Bereich von Wirtschaft und Politik gestellt hat. "

    Erst jetzt, da ihre Tage im Amt wohl gezählt sind, hat die Justizministerin endlich ein vernünftiges Gesetz zur Offenlegung der Managerbezüge vorgelegt. Ein Gesetz, das nun von der FDP mit fadenscheinigen Argumenten blockiert wird: Wolfgang Gerhardt:

    " Wir wollen auch das Managergehälter offen gelegt werden. Nur: die Eigentümer sind die, die das verlangen können. Und in deren Hand wollen wir das legen. Das heißt die Hauptversammlung bei Aktiengesellschaften soll das verlangen können. "

    Das wird aber nicht passieren - weil die Vorstände über die Deutschland AG meistens selbst die Mehrheit auf der Hauptversammlung dirigieren. Deswegen hilft nur eine Pflicht zur Offenlegung weiter. Professor Michael Adams:

    Adams: " Nein, die FDP hat nicht recht. Wir brauchen dringend eine Offenlegung der Managergehälter. Die Aktionäre, und das ist unsere Altersvorsorge, die müssen wissen: was kostet das Ganze. "

    Aktionär: " Es ist Wahnsinn, das kann der kleine Mann nicht mehr nachvollziehen. Vorstandsgehälter werden en Masse erhöht, hundert und mehr Prozent, diese Leute predigen Wasser und trinken den Wein."

    Während Manager und Politiker also weiter kungeln und kassieren, müssen die Finanziers der Deutschland AG, die Aktionäre und Fondsparer, die Zeche bezahlen - oder ihre Anlagestrategie überdenken:

    " Warum haben Sie trotzdem noch Aktien? - Das frage ich mich manchmal auch. "

    Amerikaner, die zum Großteil ihre Altersversorgung mit Aktien finanzieren, sie waren geschockt vom Supergau bei Worldcom. US- Aktionäre hätten sich gefreut, wären sie rechtzeitig gewarnt worden vor drohenden Bilanzproblemen.

    Präsident Bush verkaufte seine Aktien vor dem Skandal. Ob er rechtzeitig einen Tipp bekam, blieb ungeklärt. Wall Street Star- Analyst Jack Grubman jedenfalls wollte nichts gewusst haben.

    Jack Grubman: " Ich weiß, dass es die Spekulationen gibt, ich hätte schon vorher etwas von dem Betrug gewusst, aber das ist völlig falsch."