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Finanzkrise im Steuerparadies

Finanzplätze mit einer rigiden Form des Bankgeheimnises profitieren vom Schutz für Steuerhinterzieher. Das aber ist anderen Staaten schon lange ein Dorn im Auge. Unter Führung Frankreichs und Deutschlands haben sich die Staaten der OECD in der vergangenen Woche in Paris getroffen und darüber beraten, wie man verschiedene Staaten zu mehr Kooperation bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung bringen könnte.

Von Priscilla Imboden, Katja Ridderbusch, Brigitte Scholtes | 28.10.2008
    Zürich Paradeplatz, am Vormittag. Es ist ruhig. Nur die blauen Trams fahren immer wieder quietschend auf den Platz, Türen öffnen sich, Leute steigen ein und aus. Über dem Platz thront ein prunkvoller Bau - der Hauptsitz der Credit Suisse. Am Gebäude quer gegenüber prangen die großen roten Lettern der UBS. Von hier aus werden die Geschicke der beiden weltweit agierenden Großbanken gesteuert, der Paradeplatz ist quasi das Epizentrum des Schweizer Finanzplatzes. Die Ruhe an diesem Tag trügt. Hinter den Fassaden herrscht große Verunsicherung.
    Die weltweite Finanzkrise hat die beiden Großbanken erschüttert. Erstaunt schaute die Öffentlichkeit zu, wie die bis anhin als seriös und solide geltenden Bankhäuser eine Milliarde um die andere abschrieben. Die größte Schweizer Bank UBS musste Mitte Oktober sogar mit einem 68-Milliarden-schweren staatlichen Rettungs-Paket über die Runden gebracht werden. Darüber hinaus hat sie aber noch ganz andere Probleme. Die US-Justiz verdächtigt die Bank, US-Bürgern geholfen zu haben, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. Als wäre dies nicht genug: Enthüllungen über Konten deutscher Bürger im benachbarten Liechtenstein ziehen seit Anfang des Jahres erneut die Aufmerksamkeit auf eine Spezialität auch des Schweizer Finanzplatzes: das Bankgeheimnis.
    Ein Drittel der im Ausland liegenden Vermögen wird in Schweizer Banken verwaltet. Allein Deutsche Kunden sollen rund 200 Milliarden Franken auf Schweizer Bankkonten liegen haben. Nicht bekannt ist, wie groß der Schwarzgeld- Anteil am ausländischen Vermögen ist - Schätzungen liegen zwischen 30 und 70 Prozent. Der Schweizer Finanzplatz profitiert vom Schutz für Steuerhinterzieher.
    Das aber ist anderen Staaten schon lange ein Dorn im Auge. Unter Führung Frankreichs und Deutschlands haben sich die Staaten der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in der vergangenen Woche in Paris getroffen und darüber beraten, wie man verschiedene Staaten zu mehr Kooperation bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung bringen könnte. Ein Ergebnis dieses Treffens war der Beschluss, bis zum nächsten Sommer die so genannte schwarze Liste zu überarbeiten. Darauf sind diejenigen Staaten zu finden, die ein - so heißt es wörtlich - "potentiell schädliches Gebaren in Steuerfragen" an den Tag legen. Und dazu gehöre eben auch die Schweiz, die bisher nicht auf der Liste steht, hatte der deutsche Bundesfinanzminister Peer Steinbrück deutlich gemacht:

    "Die Schweiz bietet Konditionen an, die deutsche Steuerhinterzieher dazu einladen, in Deutschland Steuern zu hinterziehen. Insofern gehört die Schweiz in meinen Augen auf eine solche Liste und zwar nicht in den grünen Bereich. Die Schweiz ist nur bereit, mit uns zu kooperieren, wenn es Steuerbetrug gibt, aber diesen Steuerbetrug meinem Steuerzahler nachzuweisen, dazu bedarf es exakt dieser Information, die die Schweiz hat, aber sie liefert sie mir nicht."
    Liechtenstein steht schon auf dieser schwarzen Liste, genau wie Andorra und Monaco. Auch Luxemburg kommt unter Druck, das Land nimmt zwar an der Zinsbesteuerung teil, führt die Zinserträge ausländischer Anleger aber nur anonym ab. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker gibt sich aber inzwischen gesprächsbereit. Er sei völlig offen, über die Vorzüge des Bankgeheimnisses und anderer Regeln zu sprechen, sagte er in der vergangenen Woche. Denn die Welt sei nicht mehr die gleiche wie vor der Krise. In der Tat hat die Finanzkrise Dynamik in die Lösung dieser Frage gebracht. Das liegt nicht nur an der im Moment viel beschworenen Moral, der Grund ist vielmehr sehr profan: Die Staaten suchen derzeit angestrengt nach Möglichkeiten, ihre Einnahmen aufzubessern: Und da kämen höhere Steuereinnahmen gerade recht.
    Wie immer reagiert die Schweizer Eidgenossenschaft mit Abwehr, wenn das Bankgeheimnis unter Beschuss kommt - die Schweizer Außenministerin lud den deutschen Botschafter vor, um ihm das Missfallen der Regierung über die ihrer Meinung nach "unzulässige" Wortwahl Steinbrücks kund zu tun. Bereits im Frühjahr hatte Finanzminister Hans-Rudolf Merz im Zuge der Liechtensteiner Steueraffäre im Parlament erklärt:

    "Den Angreifern auf das Schweizerische Bankgeheimnis kann ich allerdings voraussagen, an diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeißen. Es steht nämlich nicht zur Disposition."
    Um das Bankgeheimnis zu wahren, musste die Schweiz in den letzten Jahren einiges unternehmen. In den neunziger Jahren, nach einer Reihe von Skandalen war das Image des Schweizer Finanzplatzes arg angeschlagen. Ein Grund dafür waren Gelder, die Potentaten wie der nigerianische Diktator Sani Abacha in der Schweiz angelegt hatten. Also schuf das Land griffige Instrumente gegen Geldwäscherei, die international Standards setzen. Bei Geldwäscherei und Delikten wie Steuerbetrug kooperiert die Schweiz seitdem voll mit dem Ausland.
    Nicht so, wenn es um Steuerhinterziehung geht. Dort hält das Bankgeheimnis noch relativ dicht. Dies dank der feinen Unterscheidung zwischen Steuerbetrug, der strafrechtlich verfolgt wird, und Steuerhinterziehung, die weniger stark geahndet wird. Bei Steuerhinterziehung liefert die Schweiz keine Daten ans Ausland.
    Dieser Schutz für Steuerhinterzieher genießt soliden politischen Rückhalt. Drei bürgerliche Parteien verfügen über eine komfortable Mehrheit: die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei SVP, die wirtschaftsnahe FDP, die christlichdemokratische Partei CVP. Sie verwehren sich gegen jede weitere Lockerung des Bankgeheimnisses. Vorstöße der sozialdemokratischen Partei SP, den Schutz für Steuerhinterzieher abzuschaffen, blieben bisher chancenlos. Nur wenn Druck aus dem Ausland kommt, wird es für das Bankgeheimnis kritisch.
    Entsprechend aufgeladen war die Stimmung im März in der Sendung Arena, der wöchentlichen Polit-Show des Schweizer Fernsehens. Geladener Gast war der ehemalige deutsche SPD-Finanzminister Hans Eichel. Ihm gegenüber stand Pierre Mirabeau, Miteigentümer einer Privatbank in Genf und Präsident der Schweizer Bankiervereinigung.

    Eichel: "Und wenn der Satz gilt, und das würde ich von Ihnen gerne hören, "ich will kein Schwarzgeld", dann reden wir jetzt darüber, wie verhindern wir das? Sofern es deutsches Schwarzgeld ist."

    Mirabeau: "Es ist nicht die Pflicht der Bankiers, ob jemand in seinem Land Steuern hinterzieht oder nicht. Was uns interessiert, und die Schweiz hat sehr viel dafür gemacht, ist, dass wir kein kriminelles Geld in der Schweiz akzeptieren. Sie wollen einen Staat in dem hinter jedem Steuerzahler ein Steuerpolizist steht."

    Eichel: "Falsch, falsch, falsch."
    Bevor das Bankgeheimnis in diesem Jahr wieder ein großes Thema wurde, war es einige Jahre relativ ruhig gewesen. Druck auf das Bankgeheimnis kam das letzte Mal aus Brüssel. Die Europäische Union forderte im Rahmen der letzten bilateralen Verträge den Informationsaustausch bei Steuerfragen. Die Schweiz verhandelte geschickt und schloss 2004 das Zinsbesteuerungsabkommen ab. Es sieht vor, dass die Schweiz bis zu 35 Prozent der Zinsen auf Gelder aus der EU einzieht und davon drei Viertel an die Herkunftsländer abliefert. Die EU möchte dieses Abkommen nun ausweiten. Dividendenerträge sind nämlich nicht darin enthalten, die Zinsbesteuerung lässt sich problemlos umgehen. Hans Kaufmann, Finanzexperte der EU-kritischen SVP war gegen das Abkommen. Er habe immer gewusst, dass sich Brüssel nicht an die Abmachungen halten würde, sagt er:

    "Ich kann ihnen schon sagen, warum das so ist. Weil sie natürlich ihre eigenen Finanzplätze schützen und bevorzugen wollen. Das ist eben die zweite Linie, worum es auch geht. Es geht nicht nur ums Bankgeheimnis, es geht auch um Marktanteile, es geht auch um Kampf um Arbeitsplätze und da sind wir eben anderer Meinung und wir sind ein starker Finanzplatz."
    Damit weist Kaufmann auf ein Argument hin, dass die Schweizer Bankiers oft vorbringen: Weshalb sollte die Schweiz ihr Bankgeheimnis aufweichen, so lange andere Finanzplätze wie London, Luxemburg und die Kanalinseln ebenfalls undurchsichtige Geschäfte tätigten? Das Bankgeheimnis wird also von der Schweizer Politik im Alleingang kaum gelockert. Das heißt aber nicht, dass es so bleibt wie bisher. Auch wenn die offizielle Schweiz sich kompromisslos gibt: Manche Großbanken zeigen sich in der Praxis flexibler. Bereits im Jahr 2000 haben die Schweizer Banken ein privates Abkommen mit dem US-Steueramt unterzeichnet. Es verpflichtet sie, alle Einkommen von US-Bürgern aus US-Papieren offenzulegen. Und die Banken kooperieren auch darüber hinaus, erklärt Hans Geiger, emeritierter Professor am Bankeninstitut der Universität Zürich:

    "Man hat es jetzt gesehen. Die UBS hat unter Druck den Amerikanern zugesagt, dass sie amerikanische Kunden in der Schweiz nicht mehr nach Schweizer Recht bedienen werden. Das können natürlich auch andere Banken tun oder nicht tun. Das war eine Entscheidung der Geschäftsleitung der UBS. Andere Banken halten das anders. In diesem Bereich, dem Bereich der Banken, nicht der Politik oder des Rechtes, da sind natürlich unterschiedliche Entwicklungen denkbar."
    Den Amerikanern ist es jedenfalls ernst mit ihrem Feldzug gegen so genannte Offshore-Paradiese, die Geldanlagen außerhalb des US-amerikanischen Steuerraumes anbieten. Immerhin geht es um rund 100 Milliarden Dollar, die jedes Jahr am amerikanischen Fiskus vorbei geschleust werden, wie es in dem Bericht eines Senatsausschusses heißt.
    Das traf auch die Schweizer UBS. An ihr haben die US-Behörden in diesem Jahr ein Exempel statuiert. Rund 20.000 Konten von US-Bürgern lagern dem Bericht des Senatsausschusses zufolge bei der UBS - doch nur 1000 davon fanden sich in amerikanischen Steuererklärungen wieder. Die überwältigende Mehrheit, 19.000 Konten mit rund 18 Milliarden Dollar, seien dem amerikanischen Fiskus bislang verborgen geblieben. Tom Harrold ist Anwalt und Partner in der Großkanzlei Miller & Martin in Atlanta und Experte im internationalen Steuerrecht. Wird Steuerbetrug in den USA strenger geahndet als in Europa?

    "In jedem Fall. Das ist zumindest der Eindruck, den ich bekomme, vor allem wenn ich Geschäftsleute in Europa beobachte. Dort scheint es für manche eine Art Sport zu sein, die Steuerpflicht möglichst geschickt zu umgehen. Hier in den USA ist Steuerhinterziehung ein schweres Vergehen, eine Straftat, Leute gehen dafür ins Gefängnis. Es gibt eine ganze Reihe von prominenten Steuerverbrechern in Amerika: Al Capone zum Beispiel. Es gelang der Staatsanwaltschaft in Chicago nicht, ihn wegen seiner illegalen Mafia-Aktivitäten anzuklagen. Aber am Ende wurde er wegen Steuerhinterziehung verurteilt."
    Amerikaner dürfen zwar grundsätzlich Konten im Ausland halten. Doch muss laut Gesetz zur "Weltbesteuerung" jeder amerikanische Steuerzahler - ob Unternehmen oder Stiftung, ob US-Bürger oder Ausländer mit Green Card - in seiner Steuererklärung alle ausländischen Konten angeben, deren Wert im Laufe eines Kalenderjahres 10.000 Dollar überschritten haben. Wird das Gesetz verletzt, drohen dem Steuerbetrüger Geldstrafen in Höhe von 50 Prozent des nicht-versteuerten Geldes.
    Seit Januar 2001 ist zudem das "Qualified Intermediary Agreement" in Kraft, das helfen soll, amerikanische Steuerflüchtlinge zu enttarnen. Ausländische Banken, die das Abkommen unterzeichnet haben, verpflichten sich, der amerikanischen Steuerbehörde die Konten steuerpflichtiger Amerikaner zu melden. Und helfen damit den USA, die Steuern ihrer Bürger im Ausland einzutreiben. Aber der Vertrag zwischen der IRS und den ausländischen Banken lässt Raum für Schlupflöcher, meint Steueranwalt Tom Harrold:

    "Die Idee des Abkommens war, ausländische Banken zu Partnern der IRS zu machen. Die Banken sollen helfen, die Steuern von Amerikanern einzutreiben, ob es nun Privatpersonen, Unternehmen oder Körperschaften sind. Aber hier ist das Schlupfloch: Das Abkommen gilt nur, wenn die Besitzer oder Teilhaber klar und eindeutig US-Steuerzahler sind. Ein cleverer Steueranwalt kann also eine Briefkastenfirma, eine Stiftung oder eine Treuhänderschaft unter einem ausländischen Namen einrichten. Mit dem Ergebnis, dass die US-Steuerbehörde fast nie den wahren amerikanischen Investor hinter einem solchen Konto finden kann."
    Rein technisch betrachtet hat die UBS das Qualified Intermediary Agreement mit der IRS nicht verletzt. Dem Bericht des Senatskomitees zufolge allerdings haben UBS-Banker aktiv ihre amerikanischen Kunden dabei unterstützt, ihre Konten so anzulegen, dass sie die Meldepflicht umgehen - eben als ausländische Firmen oder Stiftungen. Die UBS weigert sich, die Namen der wahren Kontoinhaber offenzulegen. Und beruft sich dabei auf das Schweizer Bankgeheimnis. In den USA hält man das für offene Beihilfe zum Steuerbetrug:

    "Schweizer Banken haben den Ruf, ihre Geheimnisse gut zu wahren. Was die US-Steuerbehörde und die amerikanische Regierung aber wohl am meisten irritiert hat war die Tatsache, dass die ausländischen Banken mit ihrer Politik der Geheimhaltung in den USA auch noch Reklame gemacht haben, auf Konferenzen zum Beispiel. Für wohlhabende Amerikaner ist das zweifellos attraktiv, aber die Banken haben hier ganz klar eine Grenze überschritten."
    Schließlich forderte die amerikanische Steuerbehörde, ausgestattet mit dem Beschluss eines Bundesgerichts, die UBS unter Androhung eines Strafverfahrens auf, die Identität der verdächtigen Kontoinhaber offenzulegen. Das ist bislang zwar nicht geschehen, aber die UBS beendete mit sofortiger Wirkung ihre grenzüberschreitenden Geschäfte mit Amerikanern - und kam damit einer größeren Untersuchung zuvor.
    Grund für das rasche Einlenken der UBS mag die Drohung gewesen sein, die stets über ausländischen Banken in den USA lauert: der Entzug der Lizenz. Das ist zweifellos eine machtvolle Waffe: Denn wider Kreditkrise und Bankenkollaps bleibt der Finanzplatz USA weltweit die Nummer Eins. Für ein Investmenthaus von der Größe der UBS wäre es eine Katastrophe, wenn ihr der Zugang zur Wall Street und den Kapitalmärkten versperrt würde.
    Die kommenden Präsidentschaftswahlen könnten darüber entscheiden, wie streng die Gesetze gegen Steuerflüchtlinge und deren Helfer künftig ausgelegt werden. Gewinnt der Republikaner John McCain, dürfte die Verschärfung dieser Gesetze etwas weniger hart ausfallen. Gewinnt der Demokrat Barack Obama, müssen sich Banken und potenzielle Steuerflüchtlinge auf drakonische Maßnahmen gefasst machen. Mit einer Entlastung für Banken und Steuerflüchtlinge ist in keinem Fall zu rechnen: Denn wegen der Finanzkrise hat die Politik die "Wall Street" mit all ihrer Gier und ihren düsteren Machenschaften zum kollektiven Feind erklärt.
    Bei den Europäern und offenbar vor allem den Deutschen hingegen gilt Steuerhinterziehung immer noch als Kavaliersdelikt und nicht als kriminelle Handlung, sagt Klaus Nieding, Rechtsanwalt für Anlegerschutz in Frankfurt:

    "Bei der Steuerhinterziehung gilt der Täter noch nicht als Krimineller, wie dies auch bei anderen Straftaten etwa im Straßenverkehr der Fall ist. Die Geschwindigkeitsüberschreitung, das Rechtsüberholen auf der Autobahn, das gilt alles eher als Kavaliersdelikt, als Bagatelle, denn als tatsächliche Straftat oder Ordnungswidrigkeit, und das führt natürlich zu den Problemen, die wir in dem Bereich haben."

    Wegen des komplizierten Steuersystems sei bei vielen Deutschen die Bereitschaft zur Steuerehrlichkeit so wenig ausgeprägt, heißt es oft. Zwar zahlten 25 Prozent der Deutschen knapp 80 Prozent der Ertragssteuern, aber 82 Prozent empfänden das Steuersystem als ungerecht. Und weil die eigenen Steuerbürger deshalb keine große Bereitschaft zeigen, ihre Steuern ehrlich abzuführen, greifen die Staaten zu rigideren Mitteln. Die europäischen Staaten tun sich allerdings schwer, gemeinsam gegen Steuerparadiese vorzugehen - besonders solange sie mitten in Europa liegen wie die EU-Mitgliedsländer Österreich oder Luxemburg. Deshalb muss man den Umweg über die OECD nehmen und versuchen, über die Überarbeitung der "schwarzen Liste" den Druck auf diese Staaten zu erhöhen.
    Die Europäer sprechen also noch nicht mit einer Stimme, deshalb kann man sich oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen - anders als die USA, die mit ihrem entschiedenen Vorgehen das Problem besser in den Griff bekommen. In Europa müssen deshalb die einzelnen Staaten zu Maßnahmen greifen: In Deutschland etwa hat man deshalb statt der bisher föderalen Steuernummern eine einheitliche Identifikationsnummer für jeden Bürger eingeführt. Steuerlich möglicherweise relevante Daten werden in einem zentralen Datenpool beim Bundeszentralamt für Steuern gebildet. Und das erleichtert dann die Bekämpfung der Steuerdelikte, meint Markus Deutsch:

    "Das ist sicherlich eine erhebliche Daumenschraube für die Steuerflüchtigen oder für mögliche Steuerbetrüger, die ehrlichen haben ja nichts zu befürchten; und hierdurch ist sicherlich anzunehmen, dass es hier auch für die Finanzverwaltung mehr Transparenz gibt und hierdurch die Ermittlungsmöglichkeiten erheblich steigen."
    Und damit auch der Druck auf die Steuerparadiese. Liechtenstein werde sich dem nicht mehr lange entziehen können, glaubt Deutsch:

    "Auch Liechtenstein wird es sich nicht leisten können, dauerhaft als fiskalischer Schurkenstaat zu existieren. Liechtenstein ist auf internationale Kooperation, auf Anerkennung, Devisen angewiesen, da kann man nicht dauerhaft Steuerparadies spielen wie bisher."
    Noch aber ist es nicht so weit. Und auch in der Schweiz ist man nach den neuerlichen Vorwürfen des deutschen Bundesfinanzministers weniger bereit denn je, als erste das Bankgeheimnis aufzugeben. Solange Luxemburg, der Vorzeige-Europäer, sich nicht bewege, werde auch die Schweiz das nicht tun, hört man bei den Eidgenossen. Auf Dauer aber wird man eine Lösung finden müssen.