
"Ich glaube, das Genre Bläser- und Blasmusik hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasant weiterentwickelt",
sagt Heiko Schulze, der Geschäftsführer der Sächsischen Bläserphilharmonie.
"Wenn wir sehen, was an der Basis entstanden ist, an semiprofessionellen, ehrenamtlich getragenen hervorragenden Klangkörpern! Die Ergebnisse beim Deutschen Orchesterwettbewerb zeigen dies eindrucksvoll auf."
Dieser wenn man so will "Breitensport" braucht allerdings auch eine leistungsstarke Bundesliga. Als solche versteht sich die "Sächsische Bläserphilharmonie". Und mit Recht – inzwischen wurde das Orchester sogar vom Auswärtigen Amt zum "Kulturbotschafter der Bundesrepublik" gekürt, hat drei Kontinente bereist.
"Wir wollen einerseits künstlerischer Vorreiter sein, wir wollen die Qualitäten dieses Genres befördern, indem wir beispielgebend sind, mit unseren Konzerten, mit unseren CD-Produktionen. Aber wir wollen auch über unsere "Deutsche Bläserakademie", die wir ja betreiben, pädagogisch wirken, durch Dirigentenqualifizierung, durch Instrumentalkurse, um dem Genre neue Impulse geben zu können."
"Besonderer Geist" des Orchesters
"Das menschliche Miteinander, das Kooperative, das Unterstützen, das Gemeinsam-an den-Dingen-Arbeiten, das ist wunderbar",
betont Thomas Clamor, ehemals Trompeter bei den Berliner Philharmonikern und seit fünf Jahren Chefdirigent der Sächsischen Bläserphilharmonie.
"Hier ist was anders..."
…meint auch Soloklarinettistin Sonja Riedel.
"Also die Art des Zusammenspiels, die Gemeinschaft, die Freude am Spielen, und natürlich auch die Vielfalt des Repertoires!"
Bei ihren Tourneen sorgt die Sächsische Bläserphilharmonie regelmäßig für Aha-Erlebnisse, und das nicht nur beim Publikum, betont Geschäftsführer Heiko Schulze.
"Es sind Klassikveranstalter, die sich vollkommen überrascht zeigen, welches künstlerische Potenzial eine Bläserbesetzung haben kann - ich erinnere an den Choriner Musiksommer, ich erinnere an den MDR Musiksommer – und sind überrascht von der Klangvielfalt und dem künstlerischen Duktus, den ein solches Orchester hervorbringen kann."
Prophet im eigenen Lande
Das Problem der Sächsischen Bläserphilharmonie:In ihrer angestammten Region, dem Leipziger Umland wird sie leider zu wenig wahrgenommen. Das alte Sprichwort vom Propheten, der im eigenen Lande nichts gilt, scheint sich auch hier zu bewahrheiten. Der Status des Orchesters wird durch das sogenannte "Sächsische Kulturraumgesetz" geregelt, das in Deutschland einmalig ist. Die Kommunen und Landkreise einer bestimmten Region, eines sogenannten "Kulturraums" finanzieren dabei die ansässigen Theater und Orchester, der Freistaat schießt entsprechend der Förderung vor Ort noch weitere Mittel zu. Theoretisch ein sinnvolles System. Im Umkehrschluß heißt das allerdings: Wenn ein großer Teil der Kommunen und Landkreise eines Kulturraums finanziell klamm sind und weniger Fördermittel bereit stellen, dann kommt auch von Seiten des Freistaates entsprechend weniger Geld. Aber genau das ist die Situation derzeit im Kulturraum "Leipziger Raum", der das Orchester trägt.
"Gemessen an den Parametern ist festzustellen, dass die Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur in der Region "Leipziger Raum" im Vergleich zu anderen Regionen eher unterdurchschnittlich sind…"
…bestätigt auf Anfrage auch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst…
"Da die zu tragenden Lasten im Verhältnis zur Finanzkraft im Kulturraum relativ gesehen geringer als in anderen Regionen ausfallen, bemisst sich auch der vom Freistaat vorgenommene Lastenausgleich entsprechend niedriger als in anderen Regionen."
Diese Förderung ist seit 1997 gleichgeblieben, die Personalkosten sind aber immens gestiegen, betont der Geschäftsführer der Sächsischen Bläserphilharmonie Heiko Schulze. 900 000 Euro fehlen ihm derzeit. Konkret heißt das: er kann mehrere Stellen im Orchester nicht besetzen. Und er muss die Musiker weit unter dem ortsüblichen Tarif bezahlen.
"Natürlich gibt es persönliche Härtefälle, denk ich an alleinerziehende Mitglieder im Orchester, denk ich auch an Familien, in denen der Musiker der einzige verdienende Part in der Familie ist. Die Finanzierung der Gehaltskosten ist unser dringender Auftrag und wir müssen es schaffen, dass die Kollegen für ihre gute Arbeit auch eine adäquate Vergütung erhalten."
Profimusiker mit Zukunftssorgen
Soloklarinettistin Sonja Riedel ist alleinerziehende Mutter. Von ihrem Gehalt bei der Sächsischen Bläserphilharmonie alleine könnte sie derzeit nicht leben. Die Leipzigerin kann sich z.B. eine Betreuung für ihr Kind, während sie im Dienst ist, kaum leisten.
"Also es ist viel Kreativität gefragt…"
Will heißen: Sonja Riedel ist auf zusätzliche Einnahmequellen angewiesen.
"Also ich hab noch einen Lehrauftrag an der Hochschule. Und bin in der Musikschule nochmal einen Nachmittag. Aber ich sage Ihnen: Wenn es so weitergeht, kann ich mein Benzin nicht mehr bezahlen, ich kann leider nicht zum Dienst kommen."
Die finanziellen Schwierigkeiten der Sächsischen Bläserphilharmonie hat man im Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst registriert, heißt es. Allerdings sieht man derzeit keine Möglichkeit, die Fördermittel zu erhöhen, wenn die Kommunen und Landkreise im Kulturraum "Leipziger Raum" nicht mitziehen. An der Bezahlung der Musiker weit unter Tarif, heißt es dort, sei auch die Leitungsebene des Orchesters schuld, denn man könne ja Mitglied werden im Deutschen Bühnenverein und damit eine bessere Tarifstruktur erreichen. Bläserphilharmonie-Geschäftsführer Heiko Schulze kann diesen Vorwurf nicht stehen lassen. Als Orchester ohne Theater, so betont er, könne man überhaupt nicht Mitglied im Deutschen Bühnenverein werden. Zuständig sei vielmehr die Deutsche Orchestervereinigung, in der man längst schon Mitglied ist. Aber auch deren tarifliche Vorgaben kann man mit dem viel zu knappen Etat nicht erfüllen. Für Orchestermitglied Sonja Riedel bedeutet das konkret: sie ist, obwohl voll berufstätig, auf ihre Eltern angewiesen.
"Die haben mich mein Leben lang unterstützt! Und dann hab ich das große Glück, den Lottogewinn zu ziehen, in einem A-Orchester, wirklich auch noch an der Soloklarinette eine feste Stelle zu bekommen. Und dann zu sehen, daß ich es trotzdem nicht hinkriege alleine, ist wirklich sehr traurig."