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Finanzwissenschaftler warnt vor endloser Sanierung der WestLB

Die EU hat die schwächelnde WestLB im Visier, der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen arbeiten mit Hochdruck an einem Rettungskonzept. Warum nicht die Bank abwickeln, fragt Wolfgang Gerke - das Landesbankkonzept habe sich "überlebt".

    Jasper Barenberg: Um Gelassenheit bemüht sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft dieser Tage, dabei ist ihre Lage höchst ungemütlich. Die angeschlagene Landesbank ist eine Last, sie droht, weitere Verluste von bis zu 70 Milliarden Euro anzuhäufen. Ob die WestLB überhaupt noch zu retten ist, darüber verhandeln Bund, Land und Sparkassen heute weiter. Um Mitternacht endet die Frist für einen neuen Sanierungsplan. Gleichzeitig macht das Verfassungsgericht in Münster der rot-grünen Minderheitsregierung zu schaffen. Per einstweiliger Verfügung untersagten die Richter, bis auf Weiteres neue Schulden zu machen. Ab heute nun verhandeln die Richter die Sache ausführlich.
    Für die WestLB steht es in der Tat Spitz auf Knopf. Die Alternativen: Rettung in letzter Minute oder Zerschlagung der Landesbank. Die EU verlangt ein neues, ein tragfähiges Geschäftsmodell, die Frist dafür läuft um Mitternacht heute ab. Bis jetzt aber ist völlig unklar, wer die Milliarden schultern soll, die für den Umbau der WestLB nötig sind. Das Land Nordrhein-Westfalen und die Sparkassen an Rhein und Ruhr als Eigentümer, sie erwarten Hilfe vom Bund. Der Finanzminister in Berlin aber ziert sich bisher. Bleibt es dabei, droht die WestLB die Abwicklung. Wäre das aber so schlimm? – Darüber möchte ich in den nächsten Minuten mit dem Finanzmarkt-Experten Wolfgang Gerke sprechen. Er ist Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Schönen guten Morgen, Herr Gerke.

    Wolfgang Gerke: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Der Bund hat bereits drei Milliarden Euro ausgegeben, um die WestLB zu stabilisieren. Soll er für die Landesbank jetzt noch einmal tief in die Tasche greifen?

    Gerke: Nicht ohne Bedingungen. Das wäre Steuergeld, das leichtfertig eingesetzt würde. Man muss eins sehen: Die WestLB ist natürlich eine Riesenbank mit einer Bilanzsumme von immer noch 220 Milliarden Euro, und da muss man genau hinschauen, wenn man so eine Bank gefährdet. Aber genauso genau muss man hinschauen, wenn man Geld ausgibt, das dann womöglich doch nicht die Endlösung der Rettung für die WestLB darstellt. Insofern ist es schon richtig, dass sich der Finanzminister hier erst einmal ziert, und dann kommt eins hinzu: Die WestLB gehört nicht dem Bund. Sie gehört den Sparkassenverbänden und dem Land Nordrhein-Westfalen und die sind als erste gefordert.

    Barenberg: Und die haben jetzt ja offenbar eine Absichtserklärung abgegeben, eine Absichtserklärung mit dem Inhalt, dass Sparkassen und Landesbanken insgesamt bereit sind, einen finanziellen Beitrag zu leisten. Ist das sagen wir mal der erste Schritt, um die Bank doch noch zu retten?

    Gerke: Na ja, wenn das der erste Schritt ist, dann muss man dazu sagen, dann wird der arg spät gemacht, wenn man kurz vor Toresschluss das schafft, und das ist auch eine Kritik, die man bundesweit sagen muss. Wir haben eine so heftige Finanzkrise, das Konzept der Landesbanken hat sich so, wie es aufgestellt wurde, als verlängerter Arm von Landesregierungen, überlebt, kann im Markt sich so nicht mehr behaupten. Und dennoch hat man noch keine Lösung gefunden für die Landesbanken in Deutschland. Dies ist ein Armutszeugnis und dann darf man sich nicht wundern, wenn die EU-Kommission hier sagt, wir wollen fairen Wettbewerb und wir werden dafür sorgen, dass Banken, die dagegen verstoßen, möglicherweise dann eben abgewickelt werden. Almunia, der zuständige Kommissar, hat hier als Wettbewerbskommissar eine verständliche Position.

    Barenberg: Sollte die WestLB am ende doch abgewickelt werden, dann wäre es das erste Mal, dass seit Ausbruch der Finanzkrise in Deutschland eine große Bank tatsächlich vom Markt verschwindet. Wäre das denn ein Verlust?

    Gerke: Sicherlich ist das immer ein Verlust, weil auch Arbeitsplätze dann verloren gehen, und insofern kann man jetzt nicht leichtfertig sagen, dann soll der Wettbewerb das richten. Da stehen einfach zu viele Schicksale mit hinten dran. Dennoch muss man sagen, die WestLB darf auch keine unendliche Geschichte von staatlichen Unterstützungs- und Rettungsaktionen werden. Sie steht möglicherweise zu sehr im Visier der Europäischen Kommission, da gibt es in Europa sicherlich eine Menge anderer Probleme an den Finanzmärkten. Aber sie hat auch alles dazu beigetragen, dass sie in diese Position geraten ist. So eine Abwicklung wäre eine mögliche Lösung, die Welt bricht nicht zusammen, die Filet-Stücke würden am Markt verteilt würden, verkauft werden, andere Dinge eingestampft werden. Das ist aber eine sehr, sehr unschöne Lösung und ich meine, die Sparkassen bundesweit und die Länderpolitiker müssten eine Lösung finden, wo man ein Institut schafft, das den Sparkassen dann die Dienstleistung bringt, die sie selber so nicht erstellen können, insbesondere auch im internationalen Geschäft, sogar im Verbriefungsgeschäft, im Geschäft mit Großkreditkunden, und da ist man immer noch weit von entfernt.

    Barenberg: Dann lassen Sie uns darüber sprechen, wofür wir Landesbanken überhaupt noch brauchen.

    Gerke: Die Dienstleistungen, die Landesbanken erbringen, kann im Markt jede größere andere Bank auch erbringen. Aber sie sind spezialisiert auf gerade auch die Sparkassen, und wenn sie im Wettbewerb Konditionen bieten können, die mit den anderen konkurrieren, dann haben sie durchaus ihren Sinn, ihren Sinn nicht als Banken, die das Geschäft der Sparkassen dann auch machen – davon halte ich gar nichts; das können Sparkassen und können übrigens auch die Banken besser -, sondern als Spezialbank, und dann sage ich auch bewusst Bank, denn es sollten dann nicht mehrere sein, die gerade die großen Geschäfte machen, die die Sparkassen nicht machen können, und auch Abwicklungsgeschäfte, Geschäfte mit Großkreditkunden. Man kann hier Produkte stricken und dann müsste man sich die Landschaft noch mal genauer anschauen. Da gibt es noch die Deka-Bank, die ganz gute Geschäfte in dieser Richtung macht. Welche Position kann die dabei einnehmen? Und die Genossenschaftsbanken sind mit ihrer DZ-Bank und WGZ-Bank da schon wesentlich weiter, wesentlich besser aufgestellt an dieser Stelle.

    Barenberg: Herr Gerke, lassen Sie uns den Versuch machen, das noch mal ganz konkret zu beschreiben. Die Bremer Landesbank beispielsweise hat im Jahr 2007 große Fotovoltaik-Projekte finanziert, Projekte, die einzelne Sparkassen wohl so nicht stemmen können. Ist das aber heute nicht längst anders? Sind nicht die Sparkassen selber in der Lage, viel größere Projekte abzuwickeln und deshalb auch in dieser Form die Wirtschaft einer Region zu fördern?

    Gerke: Nein, nicht alle. Da gibt es sicherlich noch zahlreiche regionale Sparkassen, die selber ihre Existenzberechtigung absolut haben, die gutes Geschäft machen vor Ort, die Region gut kennen, die aber Dienstleistungen, die sie an diesem Ort anbieten, nicht selber produzieren können. Es gibt Spezialisten – und da zählt eine Bank, die nun weiß Gott in den Schlagzeilen ist, die HSH-Nordbank, dazu -, die aber in der Schiffsfinanzierung eine hohe Expertise haben und sich in anderen Dingen völlig verrannt haben. Man kann also Spezialbereiche durchaus dann auch delegieren, dass bestimmte Dinge in Düsseldorf gemacht werden, andere in München, andere in Stuttgart etc. Aber das geht nicht so, wie man es jetzt macht, dass jeder meint, ich bin die größte Landesbank und mache alles selber. Und dass diese Lehre nicht gezogen wird, da muss man als Steuerzahler allmählich wirklich auf die Barrikaden gehen, denn es ist ja unser Geld, was da verbraten wird.

    Barenberg: Und wir, Herr Gerke, wir Steuerzahler, wir müssen mit ansehen, dass die Landesbanken in der Vergangenheit das ganz große Rad drehen wollten, jenseits ihrer ursprünglich angedachten Geschäftsfelder, und jetzt sitzen die nach einer Schätzung auf Schrottpapieren in einer Höhe von 355 Milliarden Euro insgesamt, die Landesbanken in Deutschland. Was wird daraus?

    Gerke: Ja, das ist eine Last, die wird die Öffentlichkeit tragen. Da gibt es nichts, womit man sich daran vorbeilügen könnte. In verschiedenen Formen, einmal durch direkte Hilfen, aber auch, wenn Landesbanken schlechte Geschäfte machen, gibt es keine Ausschüttungen an die Inhaber, und die Inhaber, das ist ja die Öffentlichkeit. Und insofern: Die Skandale, die da gelaufen sind, dass man sich darüber aufregt, das ist das Minimum. Ich habe manchmal den Eindruck, einige sind bis heute noch nicht wach geworden.

    Barenberg: ... , sagt der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Vielen Dank für dieses Gespräch, Wolfgang Gerke.

    Gerke: Schönen Tag, Herr Barenberg.