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Finstere Einflüsterungen

Tschechows Novelle "Schwarzer Mönch" hat der 1948 in Rom geborene französische Komponist Philippe Hersant seiner gleichnamigen, jüngsten Oper zugrunde gelegt. Der schwarze Kuttenträger erscheint einem jungen Mann, mischt sich in dessen Leben. Hersants Auftragswerk für die Oper Leipzig hatte dort am vergangenen Wochenende Uraufführung, mit dem Gewandhausorchester unter Leitung von Axel Kober und dem Bühnenbild von Klaus Grünberg; in einer Inszenierung der Berghaus- und Konwitschny-Schülerin Tatjana Gürbaca.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Die Musik erinnert anfangs etwas an Debussy, Ravel. Später wird sie harmonisch schroffer, unmelodiös kaum. Tanzrhythmen kommen hinzu. Tschaikowsky wird zitiert - "Eugen Onegin" -, dazu auch russische Chöre. Neutönerisch klingt das nicht, was da im Leipziger Opernhaus als Uraufführung angekündigt wurde. Philippe Hersant, der diese Musik schrieb, versuchte sich zunächst in Avantgarde. Dann probierte er, wie er sagt, seinen "eigenen Weg". Es ist seine zweite Oper. Die erste gestaltete er nach einem Stoff von Jules Verne. Die neue Oper hält sich an eine Novelle von Anton Tschechow. Das Libretto verfasste Hersants Bruder.

    Im Mittelpunkt der Oper steht Andrej. Er hat Gesichte. Ein "schwarzer Mönch" erscheint ihm immer wieder, der ihn ermuntert, sich für ein Genie zu halten. Die Beziehung zu seiner Jugendfreundin Tanja geht dabei allerdings in die Binsen. Mit einem Knall endet die erste gemeinsame Nacht. Tanja trennt sich von ihm, als ihr Vater tot ist. Der starb am Ärger mit Andrej und dass jemand in seinem wohl behüteten Garten ein Pferd angebunden hat, das er nicht wieder loswird. Am Ende stirbt auch Andrej, lungenkrank, an einem Blutsturz. Die Mönchsstimme hat ihn noch gescholten, dass er sich herabließ, sich nicht mehr für ein Genie zu halten, sondern es mit dem Mittelmaß zu versuchen. Auch eine neue Freundin ändert daran nichts.

    Genie und Wahnsinn ist das eigentliche Thema. Eines des 19.Jahrhunderts. Was den Komponisten daran so sehr interessierte, spürt man nicht. Hersants Art "narrativen" Komponierens steht auch quer zum Stoff. Merkwürdig abgehoben-introvertiert wirkt seine Oper. Die Inszenierung der jungen, mancherorts reüssierenden Tatjana Gürbaca versucht die Defizite mit einem globalen Ansatz zu glätten, aber bleibt im Ungefähren. In der weißen Plastik-Bühnen-Landschaft von Klaus Grünberg, die bewusst an den frühen Malewitsch anknüpft und eine Art verblichenen Garten Gethsemane imaginiert, begnügt sie sich mit einer Verdoppelung und Verdreifachung der handelnden Figuren.

    Als "Anhäufung" vergangener Zeit im Gegenwärtigen ist das gemeint, als ein "Fluch", den man nicht loswird - auf dem Theater bleibt das freilich statisch und spannungslos. Allzu einförmig wiederholen sich die Figuren mit: Fotos gucken, beschriebene Blätter fallen lassen, einen Luftballon spazieren führen - so Tanja. Schließlich bedient sie sich auch noch an Vaters Schnapstheke im Pferdebauch.

    Die diversen Andrejs simulieren: "Philosophieren", Dialogisieren mit dem halluzinierten Gottesboten, die blutbeschmierten Finger betrachten, Probleme mit der Liebe kultivieren - sei es nun bei der alten oder der neuen Freundin. Mögliche Umkehrpunkte zeichnen sich nicht ab. Der Mönch kreuzt in persona auf als eine Art Clochard. Musikalisch wird er imaginiert mit einem Akkordeon als Orgelersatz in extremen Lagen. Irgendwann hat er seine ganze Bettel-Bruderschaft im Schlepptau, die dann vollmundig einen schönen Chor intoniert.

    Die Leipziger Oper hat unter ihrem seit fast fünf Jahren amtierenden, aus dem Elsass stammenden Intendanten Henri Maier nicht gerade durch ästhetischen Wagemut geglänzt. An dem Eindruck wird mit diesem Auftragswerk, der ersten Uraufführung unter seiner Ägide, kaum gekratzt. Zu bewundern gab es gute sängerische Leistungen, zumal von Tuomas Pursio als Andrej. Auch Ulrich Dünnebach als Mönch kann beeindrucken. Klangschön leitet Axel Kober das Gewandhausorchester mit Jean Pacalet am Akkordeon. Das Publikum spendete freudigen Beifall. Überfordert wurde es in den gut anderthalb Stunden ja nicht.