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Firma "dSPACE" aus Paderborn
Auto-Software auf dem Prüfstand

Einparkhilfe, Spurwechselassistent, Navigation: Fast alles im Fahrzeug überwacht und regelt mittlerweile ein Computer. Aber wer garantiert, dass die Software fehlerfrei funktioniert? Das haben sich bereits 1988 Mitarbeiter des Paderborner Instituts für Mechatronik gefragt. Heute ist ihre Firma dSPACE Weltmarktführer im Bereich Software-Tests für Fahrzeuge.

Von Mirko Smiljanic | 16.10.2015
    Autos auf einer Straße.
    Immer mehr Bereiche im Auto werden elektronisch gesteuert. Da ist es wichtig, dass die Software fehlerfrei funktioniert. (dpa/picture alliance/Rolf Vennenbernd)
    dSPACE in Paderborn, ein sonniger Spätsommertag. Hörbar mühsam und immer nur wenige Zentimeter dreht der Motor ein Gestänge mal nach rechts, mal nach links. Prüfingenieur Tobias Rodehüser beschreibt:
    "Wir sind jetzt hier in der Werkshalle und sehen eine virtuelle Fahrt auf dem Hockenheimring. Der Lenkungsprüfstand bewegt sich so, wie sich das Auto auch auf der Straße bewegen würde, wie sich die Lenkung verhalten würde."
    Weder Fahrer noch Wagen noch Hockenheimring sind real. Alles simuliert eine Software. Was wie ein Computerspiel aussieht, hat aber einen ernsten Hintergrund: Tobias Rodehüser testet, ob die Steuerprogramme für Autos wirklich sicher arbeiten. Denn davon gibt es mittlerweile viele: Lenkung und Zündanlage, Bremsen und Entfernungsmesser, Regensensoren und Einparkhilfen, Antriebsmanagement und Federung, Navigation und Licht – alles überwacht und regelt mittlerweile ein Computer.
    Die dafür notwendige Software entwickeln Autoproduzenten entweder selbst oder geben sie bei externen Firmen in Auftrag. Halten sie schließlich die Programme in Händen, stellt sich die alles entscheidende Frage: Funktionieren sie auch in der rauen Praxis? Bei Hitze und Kälte? Auf trockenem Asphalt und nassem Kopfsteinpflaster? Im Zusammenspiel mit vielen Hundert anderen Steuerbefehlen?
    Digitale Werkzeuge für mehr Sicherheit
    Antworten auf diese Fragen sucht der Paderborner Mittelständler dSPACE. Er entwickelt Computerprogramme – genau genommen sind das digitale Werkzeuge –, mit denen Autobauer die Sicherheit ihrer Steuerungssoftware testen. Der geschäftsführende Gesellschafter der Firma, Herbert Hanselmann, betont:
    "Das ist sehr wichtig für die Entwicklung, vorher schon festzustellen, wie das Verhalten der Lenkung ist, wie kommt zum Beispiel ein Kopfsteinpflaster am Fahrer durch zum Lenkrad. Das hat wenig zu tun mit den Prüfständen, die man für den Dauertest kennt, das hier sind Dynamiktests und Verhaltenstests, die in der Entwicklungsphase gemacht werden."
    1988 gründeten Hanselmann und drei weitere Mitarbeiter des Instituts für Mechatronik der Universität Paderborn dSPACE. 900 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen mittlerweile, inklusive seiner Zweigstellen in Frankreich, Großbritannien, USA, Japan und China sind es 1.200. Knapp 200 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet die Firma, Tendenz steigend.
    Weltmarktführer aus Paderborn
    dSPACE hat sich mittlerweile zum Weltmarktführer digitaler Testwerkzeuge gemausert. Dabei ist das Firmenziel, so Herbert Hanselmann, vom ersten Tag an gleich geblieben:
    "Die Mittel haben sich verändert, es gibt viel leistungsfähigere Computer heutzutage, die Software ist wahnsinnig viel komplexer geworden und kann auch sehr, sehr viel mehr. Aber im Kern ist die Aufgabe immer noch, die Signalverarbeitung, Regelungstechnik, Software, Elektronik den Ingenieuren zugänglich zu machen, die das brauchen, um neue Regelungs- und Steuerungstechnik zu entwickeln und zu testen."
    Ausweitung der Arbeitsfelder
    Die Automobilindustrie zählt zum wichtigsten Kunden von dSPACE, der Bedarf an digitalen Testwerkzeugen steigt von Jahr zu Jahr. Mit der VW-Betrugs-Software zur "Optimierung" der Abgaswerte bei Dieselmotoren im Testmodus haben die Paderborner Entwickler übrigens nichts zu tun, betont Herbert Hanselmann.
    Überhaupt versuche er seit geraumer Zeit, die Arbeitsfelder auszuweiten, erklärt er:
    "Wir haben zum Beispiel einen Simulator mit ganz ähnlicher Einsatzfunktion, nämlich der Darstellung der Umgebung, auch für einen Flugzeughersteller gebaut. Dort steht dann im Labor eine Kabine mit der ganzen Elektronik und auch ein Stück Hydraulik. Aber das Flugzeug fliegt nicht, das Flugzeug denkt aber, es fliegt, weil wir den Simulator drum herum gebaut haben, der das macht."
    Seit knapp einer Stunde fährt der virtuelle Wagen auf dem Hockenheimring seine Runden, über Kopfsteinpflaster und Eis, rasant und langsam. Bei diesem Test gibt es noch einen Prüfstand mit Motoren, die ein Lenkgestänge bewegen. Ein hoher Aufwand, der nicht unbedingt sein muss. Letztlich lässt sich der gesamte stählerne Prüfstand in einer Software widerspiegeln, sagt Tobias Rodehüser:
    "Das gibt es auch, dass wir Steuergeräte nicht mit der Mechanik testen, sondern die Steuergeräte auf Signalebene freischneiden und die gesamte Mechanik und Leistungselektronik simulieren."
    Wichtig sei zudem, meint Firmengründer Herbert Hanselmann,
    "dass unsere Kunden dann auch automatisierte Tests durchführen können. Ein Fahrer verhält sich in jedem Versuch ein bisschen anders, oder die Strecke hat sich ein bisschen geändert, oder die Temperatur hat sich ein bisschen geändert, mit den Simulatoren ist es möglich, alles zu wiederholen."
    Bleibt zum Schluss die Frage, warum der Firmensitz von dSPACE in Paderborn ist und nicht in Süddeutschland, wo alle wichtigen Softwarehäuser ihre Zentralen haben. Weil dSPACE von Mitarbeitern der Universität Paderborn gegründet wurde!
    Richtig, doch damit ist das Thema noch nicht erledigt, erklärt Herbert Hanselmann:
    "Es ist eine ganz nette Anekdote, dass der Dieter Zetsche, der heute der Vorstandsvorsitzende von Daimler ist, in diesem Bereich promoviert hat, und zwar letztlich in Paderborn!"