Archiv


Firma sucht Chef

Fast jedes dritte deutsche Familienunternehmen hat das große Problem, einen geeigneten Nachfolger für die Unternehmensspitze zu finden. Die Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet hat deshalb einen Nachfolger-Pool ins Leben gerufen.

Von Klaus Deuse |
    Rund 30.000 Unternehmen umfasst der Bereich der IHK Mittleres Ruhrgebiet mit Sitz in Bochum. Auch hier stellt sich aufgrund der demografischen Entwicklung immer öfter die Frage einer geregelten Unternehmensnachfolge, wenn Senior-Chefs ihren Ausstieg planen. Insofern erkannte die IHK nach den Worten von Stefan Grave Handlungsbedarf und gründete einen Nachfolger-Club:

    "Und wir erkennen eine Tendenz, dass die Nachfolge innerhalb der Familie rückläufig ist. Und da ist einfach der Blick außerhalb der Familie wichtig, um zu schauen, wen gibt es denn da als externen Nachfolger. Und deswegen halten wir das für ein sinnvolles Angebot."

    Nämlich die Vermittlung bei der Übernahme von wirtschaftlich kerngesunden Betrieben an interessierte Außenstehende.

    "Wir haben gemerkt, dass wir relativ häufig angesprochen worden sind von potenziellen Unternehmensnachfolgern. Und haben dann eben gemerkt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, diese Leute in einen Pool zu bringen und die Qualitäten dieser Leute sozusagen systematisch zu erfassen. Und sie eben dann mit Unternehmern zusammenzubringen, die ihre Nachfolge extern regeln wollen."

    Für die IHK geht es dabei auch um die Sicherung qualifizierter Arbeitsplätze. Allerdings, resümiert Stefan Grave, wartet mancher Alt-Unternehmer zu lange, um die Übergabe in die Wege zu leiten. Insofern setzt die Kammer mit Sitz in Bochum mit dem Nachfolger-Pool auf eine frühzeitige Vermittlung.

    "Wir richten unser Angebot an Unternehmen, die so in der Größenordnung ab zehn bis 70, 80 Mitarbeiter haben. Und da reden wir über Kaufpreise in der Größenordnung zwischen einer halben Million und acht Millionen Euro. Das sind so die Spannen, die wir in der Vergangenheit begleitet haben."

    Circa 40 Personen gehören momentan zum Nachfolger-Pool der IHK Mittleres Ruhrgebiet. Außerdem melden sich pro Jahr etwa 40 weitere Interessenten, die man auf Herz und Niere überprüfe. Von der Fachqualifikation bis zur finanziellen Liquidität. Doch selbst, wenn sich der rückzugswillige Firmeninhaber und der am besten geeignete Kandidat aus dem Pool, einig seien, kommt es nicht in kurzer Zeit zu der Übernahme. Weil:

    "Man muss einfach dabei berücksichtigen, dass solche Prozesse sehr, sehr lange dauern. Wir reden dabei durchaus von bis zu drei Jahren, die solche Nachfolgen in Anspruch nehmen. Und ist eben auch von vielen Faktoren abhängig, ob so etwas zum Erfolg führt. Man muss einfach sehen, dass ein gewisser Flaschenhals einfach die Hausbank ist. Selbst wenn sich der Verkäufer und der Käufer einig sind und wir gut gematcht haben, dann steht immer noch die Frage im Raum, kriegt der Käufer den Preis finanziert. Und viele Dinge scheitern einfach daran."

    Unternehmensübergaben scheitern nach Graves Erfahrung weniger an überzogenen Forderungen des Altunternehmers als an Kreditbremsen der Banken. Dennoch kann die Kammer mehr als ein Dutzend geglückter Vermittlungen verbuchen. Auch weil man bei der Auswahl der Kandidaten für den Nachfolge-Pool strenge Kriterien anlegt:

    "Wir haben in unserem Nachfolge-Club alle möglichen Qualifikationen. Von Ingenieuren über Kaufleute und Banker. Da ist also wirklich alles dabei. Und da ist natürlich auch die Bandbreite dessen, was gesucht wird, relativ groß."

    Und falls die Mitglieder dieses Clubs im Kammerbezirk der IHK Mittleres Ruhrgebiet nicht das Unternehmen finden, das sie mit ihren Qualifikationen übernehmen möchten, vermittelt man sie an benachbarte Kammern. Einer Überprüfung unterzogen werden übrigens auch die Kompetenzen zur Führung eines Unternehmens, versichert Stefan Grave:

    "Das heißt: In der Regel sind es Akademiker, die sich hier bei uns bewerben. Und was wichtig ist, dass eine gewisse Branchenerfahrung ganz einfach da ist. Man muss einfach sehen, dass man in Unternehmen kommt, wo man einfach der Chef ist …"

    … und die Unternehmensleitung in die Hand nehmen kann. Auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen.