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Fit fürs E-Learning

In Hamburg ist das so genannte Multimediakontor der zentrale Ansprechpartner für alle Fachbereiche der Universität und die Fachhochschulen, wenn es um Fragen zum Einsatz neuer Medien in der Lehre geht. Ein Jahr lang hat das Kontor Kurse zum E-Learning kostenlos angeboten und in dieser Zeit 292 Dozenten am Computer fit gemacht. Jetzt ist die Anschubfinanzierung aufgebraucht.

Von Elske Brault |
    In Hamburg ist das so genannte Multimediakontor der zentrale Ansprechpartner für alle Fachbereiche der Universität und die Fachhochschulen, wenn es um Fragen zum Einsatz neuer Medien in der Lehre geht. Ein Jahr lang hat das Kontor Kurse zum E-Learning kostenlos angeboten und in dieser Zeit 292 Dozenten am Computer fit gemacht. Jetzt ist die Anschubfinanzierung aufgebraucht: Die Kurse kosten in Zukunft Geld. Auf der Informationsveranstaltung "E-Camp" warb das Multimediakontor jetzt für seine Qualifizierungsmaßnahmen.

    Die Atmosphäre in dem kleinen Vortragssaal ist wie bei einer Vorlesung, nur dass hier lauter Dozenten die steil ansteigenden Holzbänke drücken. Etwa 80 lauschen den Ausführungen über Web-CT, das gemeinsame Netz aller Hamburger Hochschulen, über Urheberrechtsfragen und die audio-visuelle Begleitung von Seminaren. Darunter der Biologe Udo Wienand, 51 Jahre alt. Er verbringt die Hälfte seines Tages am Computer, die meisten Informationen zu seinem Forschungsgebiet Gentechnik von Nutzpflanzen holt er sich via Internet. Aber was die Lehre betrifft, hat er gerade erst den Sprung von der mit Filzstift beschriebenen Folie zur Power-Point-Präsentation geschafft - und viele Fragen:

    " Was soll das Ganze, wie komm ich da rein, kann ich da eine Vorlesung rein stellen, wie komme ich in Kontakt mit den Leuten? Vielleicht ist es auch ganz einfach, wie viele Sachen, wenn man da erst mal drin ist, denkt man, ah, das hätte man auch vorher wissen können. Aber so ist es eben, ich brauche ein bisschen Zeit und jemanden, der mir sagt, mach das und das. Ganz alleine, auf absoluter Selbstlernbasis, das schaffe ich nicht und das ist mir viel zu kompliziert. "

    Die auf Web-CT bereit gestellte Lernplattform ist in der Tat so aufgebaut, dass jeder Dozent durch Ausprobieren herausfinden könnte, wie er Bilder, Texte und Hausaufgaben zu seinem Seminar ins Netz stellt. Die E-Learning-Kurse von Annette Stöber im Multimediakontor sind also nur noch notwendig, damit ein Mensch die Spezialsprache des Computers erklärt - und Hemmschwellen abbaut:

    " Zunächst einmal muss ich mich hier einloggen. Jeder Nutzer bekommt dann eine entsprechende ID, um an diesem System teilzunehmen. Es ist recht intuitiv gestaltet, ich klicke hier also einfach einen Button, der mir gewisse Designoptionen eröffnet. Und dann hab ich immer Auswahlmöglichkeiten: sie sehen hier zum Beispiel "Seite oder Tool hinzufügen, bearbeiten, löschen, zeigen, verbergen, verschieben." Ich könnte mir hier eine neue Seite einbinden in mein Inhaltsmodul, was ich erstelle."

    Ein Tool, das kann alles Mögliche sein: ein Foto oder eine Grafik. Eine Tabelle, in die die Studenten ihre Messergebnisse eintragen, oder ein Interview, das sie als Audiostream hören und dann analysieren sollen.

    Gabriele Perger vom Amt für Arbeitsschutz möchte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften "Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz" lehren: Und mit einer anderen Software des Multimediakontors, dem E-Learning-Baukasten, einen virtuellen Rundgang durch ein Unternehmen ins Netz stellen.

    " An einem virtuellen Beispiel Gefährdung darstellen, damit man das eben nicht nur theoretisch vermittelt. So was kann man theoretisch nicht vermitteln, weil dazu dann auch ein Risikobewusstsein gehört. Das kann man auch nur erlernen, wenn man sich den Arbeitsplatz angeschaut hat. Wir können mit den Studenten nicht ständig in Unternehmen gehen, das sind ja große Gruppen - so was passiert auch, das ist natürlich noch viel besser."

    Ein simpler E-Learning-Baukasten kann nicht das Gleiche leisten wie der Programmierer eines Computerspiels: Gabriele Pergers Studenten werden niemals als kleine Figur durch ein dreidimensionales Abbild des Beiersdorff-Konzerns laufen. Aber sie können anhand von Videoaufnahmen der Werkshallen oder Ergebnissen von Schadstoffmessungen Fragen stellen, die sie bei einem tatsächlichen Unternehmensbesuch aus Höflichkeit verschweigen würden. Und der Vergleich mit dem Computerspiel ist doch nicht so weit hergeholt: Die Politikwissenschaftlerin Patricia Schneider hat mit Studenten aus verschiedenen Balkanstaaten und aus Hamburg den Kosovo-Konflikt nachgestellt, damit die lernen, wie internationale Organisationen handeln:

    " Die mussten alle verschiedene Rollen übernehmen, die sie sich online ausgesucht und vorbereitet haben. Sie haben Ländervertreter gespielt oder auch die Europäische Kommission, oder mussten Medienrollen übernehmen oder mussten die UCK spielen. Und die Regel war, dass sie keine Rolle übernehmen durften, die ihrer persönlichen zu nahe ist. Also durfte ein Albaner nicht die albanische Regierung spielen, sondern hat dann zum Beispiel die serbische Vertretung gespielt. "

    5000 Euro hat Patricia Schneider aus einem E-Learning-Fonds der Bildungsbehörde bekommen, damit sie einfache Seminarvorbereitungen auf wissenschaftliche Mitarbeiter abwälzen und sich ganz konzentrieren auf die Planspielgestaltung im Netz kann. Auf das reale Treffen aller über Europa verstreuten Seminarteilnehmer will sie keinesfalls verzichten.

    Und auch Ulrich Schmid, Leiter des Multimediakontors Hamburg, hält den direkten Austausch von Mensch zu Mensch für unverzichtbar. Obwohl seine Software so angelegt ist, dass sie sich quasi selbst vermittelt und er seine in Zukunft kostenpflichtigen Kurse somit aufgeben könnte. Aber viele Professoren brauchen einen Menschen, der ihnen die Maus in die Hand drückt.

    " Wir können feststellen, dass die klassischen Naturwissenschaften, also Biologie, Physik, eher wenig Interesse an E-Learning haben. Ein sehr hohes Interesse ist bei Technik und Ingenieurswissenschaften. Auch bei den Geisteswissenschaften, auch die Historiker. Wir können eigentlich sagen: Quer durch die Disziplinen ist ein gewisses Interesse bei denen da, die auch Interesse an der Lehre haben und an einer guten und qualitätsvollen Lehre."