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Flaggen-Referendum in Neuseeland
Der Union Jack darf bleiben

Seit dem Jahr 1902 ist in der oberen linken Ecke der neuseeländischen Flagge ganz offiziell der "Union Jack" zu sehen. Neuseelands Regierungschef John Key wollte diesen grafischen Zusatz nun loswerden - schließlich erinnere der doch an die britische Kolonialvergangenheit. Doch die Bevölkerung stimmte dagegen.

Von Andreas Stummer | 26.03.2016
    Neuseeland behält seine alte Flagge.
    Neuseeland hat Flagge gezeigt. Eine neue Landesfahne ist erst einmal vom Tisch. (Marty Melville / AFP)
    In nur 15 Sekunden waren 15 Monate Kampagne für eine neue, neuseeländische Nationalfahne vorbei. Schon nach dem ersten, vorläufigen Ergebnis des Referendums war klar: Es bleibt alles beim Alten. Der britische Union Jack bleibt auf der Flagge und eine eigene Landesfahne mit neuseeländischen Symbolen bleibt – vorerst – ein Wunschtraum.
    "Wir haben nicht das Ergebnis erreicht, das wir uns gewünscht haben", gesteht Lewis Holden von der "Ändert-die-Fahne"-Kampagne.
    "Aber immerhin wollten fast eine Million Neuseeländer einen Wechsel. In den Worten von Winston Churchill: Dies ist nicht das Ende. Es ist nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist, vielleicht, das Ende des Anfangs."
    Neuseelands Premier John Key war der größte Fahnenträger für eine neue Nationalflagge. Nach 114 Jahren hätte die alte ausgedient, eine neue müsse her. Eine, die nicht ständig mit der australischen oder der britischen verwechselt würde. Eine vom Volk gewählte Flagge. Außerdem hätte Neuseelands Kolonialvergangenheit nichts mit der Zukunft zu tun, Neuseeland sei modern, multikulturell und weltoffen – und längst viel mehr als nur Großbritannien bei Nacht. Doch die Kiwis entschieden sich dagegen zu reparieren, was gar nicht kaputt ist.
    "Ich wollte einen Wechsel", sagte Premier Key nach dem Scheitern des Referendums.
    "Aber die letzten Monate haben gezeigt, dass wir unsere Fahne hochhalten und der Welt beweisen können, wie stolz wir sind Neuseeländer zu sein. Wir sollten selbstbewusst sein und feiern in einem großartigen Land zu leben."
    "Unser Premier dachte nur an sein politisches Vermächtnis"
    Was für Kanada das Ahornblatt ist, sollte der Silberfarn für Neuseeland werden. Nach mehr als 10.000 Vorschlägen aus der Bevölkerung trat eine schwarz-blaue Fahne mit einem geschwungenen Silberfarn und dem alten Kreuz des Südens gegen die aktuelle Fahne an. Obwohl die All Blacks, das Rugby-Nationalteam, und die Armee Neuseelands Nationalsymbol auf ihren Uniformen tragen, wurde das Silberfarn-Design der neuen Fahne monatelang auf die Goldwaage gelegt.
    "Ich mochte die die neue Fahne, sie zeigt mein Neuseeland", sagt eine Frau in Wellington, "es wird Zeit, dass die alte verschwindet." "Diese Fahne ist wie ein Küchenhandtuch", schimpft eine andere. "Das Design ist nicht annähernd gut genug, um unser Land zu vertreten."
    Es gab keinen Putsch in Neuseeland, keine Revolution und auch kein historisch bedeutendes Jubiläum. "Warum dann die Flagge ändern?" fragten sich die Gegner der Volksabstimmung. Tradition war am Ende wichtiger. Winston Peters, der Chef der "Neuseeland Zuerst"-Partei, glaubt, dass sich Premier John Key das Scheitern des Referendums persönlich auf die Fahne schreiben müsse.
    "Unser Premier dachte nur an sein politisches Vermächtnis. Er hat nicht die Wirtschaft auf Vordermann gebracht oder Sozialreformen eingeleitet. Nein, er wollte unsere Fahne ändern. Damit ist er auf die Nase gefallen, weil die Neuseeländer ihre Geschichte respektieren, weil das Referendum Geldverschwendung war und nur von ernsteren Problemen in unserem Land ablenken sollte."
    57 Prozent der Bevölkerung sind für die alte Fahne
    John Key, seit acht Jahren Premier, gilt in Neuseeland als "Mister Teflon", als Politiker, an dem nichts hängen bleibt. Keine Skandale, keine Pannen. Das Volk über eine neue Nationalfahne abstimmen zu lassen, war alleine seine Idee. Journalist Lloyd Burr glaubt aber nicht, dass jetzt, nach dem gescheiterten Flaggen-Referendum, Keys politische Zukunft auf Halbmast steht.
    "Der Stolz und das Ego unseres Premiers haben einen Dämpfer bekommen, auch politisch, aber die Wähler werden ihn dafür nicht abstrafen. Das Referendum war durch und durch demokratisch. Der Premier hat nicht einfach im Parlament versucht, eigenmächtig die Fahne zu ändern, er gab jedem Neuseeländer das gleiche Mitspracherecht."
    57 Prozent für die alte und 43 Prozent für eine neue Fahne: Das Ergebnis war knapper, die Wahlbeteiligung mit 2,2 Millionen abgegebenen Stimmen um vieles höher als erwartet. Neuseeland hat Flagge gezeigt. Eine neue Landesfahne ist erst einmal vom Tisch, aber längst nicht aus der Welt.
    "Es ist wichtig, dass wir eine Diskussion um unser nationales Selbstbewusstsein begonnen haben", sagt Lewis Holden von der "Ändert-die-Fahne-Kampagne".
    "Wir müssen diese Diskussion weiterführen. Die alte Fahne hat diesmal gewonnen haben, aber eines Tages werden wir eine Flagge haben, die Neuseeland als unabhängiges, mulikulturelles Land im Südpazifik auch wirklich repräsentiert."