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Flamenco
Identität und Gefühl

Der Flamenco ist ein Tanz zwischen Tradition und Avantgarde, ein Musikstil, den man weniger versteht als fühlt. Andalusiens Armen-Viertel waren der Ursprung dieser speziellen Ausdrucksform, die von Freiheit, Stolz, Poesie und auch Liebe handeln kann.

Von Hans-Günter Kellner | 16.11.2019
     Die Beine von zwei Flamenco-Tänzern (Mann und Frau) sind bis zu den Knien zu sehen. Der Mann trägt eine schwarze Hose, die Frau ein rosafarbenes gestuftes Kleid bis zu den Knöcheln.
    Der Flamenco gehört dem Volk - sagen viele Andalusier (Unsplash / Dolo Iglesias)
    Eine sozialkritische Kunst, die fortlebt, wenn auch viele Flamenco-Fans, "aficionados" genannt, das Genre als bedroht ansehen, seit Größen wie der Gitarrist Paco de Lucía oder der Komponist Enrique Morente gestorben sind. Aber der Flamenco, von dem viele Andalusier sagen, dass er dem Volk gehört, lebt weiter. Immer wieder haben ihm experimentierfreudige Musiker neue Impulse gegeben und neues Leben eingehaucht.
    Hans-Günter Kellner auf den Spuren einer Ausdrucksform, die von Freiheit, Stolz, Poesie oder auch Liebe handeln kann.
    Flamencokritiker Alfredo Grimaldos (l.) und Barbesitzer Juan Sanabria
    "Flamenco singt man mit Rechtschreibfehlern"
    Das Bild des Flamenco wurde zu Francos Zeiten für Touristen eingeengt auf lustige Lebensart mit Gitarre und Sangria. Doch eigentlich geht es in dieser Musik nicht immer fröhlich zu, sondern durchaus komplex und auch sozialkritisch, erklärt der Flamenco-Kritiker Alfredo Grimaldos.
    Guillermo García, Lehrer für Cajón in der Flamencoschule Amor de Dios
    "Flamenco ist sehr komplex verglichen mit westlicher Musik"
    Der Flamenco hat seine Rhythmen aus Asien, Amerika, dem Orient. Um sie alle zu erklären, braucht der Perkussionist Guillermo García viele Internetvideos. In einer berühmten Madrider Flamencoschule bringt er seinen Schülern bei, sich dem Absatzklacken der Tänzerinnen anzupassen.
    Die Tänzerin und Choreographin Rafaela Carrasco mit ihrer Kompanie bei der Flamenco-Biennale in Sevilla
    "Ich kann mich ja nicht so ausdrücken wie vor 60 Jahren"
    Geschichten erzählen mit Tanz: Rafaela Carrasco choreographiert Lebenswege starker Frauen mit Mitteln des Flamenco. Neue Ausdrucksformen zu etablieren, sei schwierig. Versuche man etwas Neues, heiße es immer: "Das ist kein Flamenco."
    Cantaor Rafael Jiménez, kurz El Falo
    "Lieber mit leerem Magen der Kunst treu bleiben"
    Sein Leben als Flamenco-Cantaor zu bestreiten, ist in Madrid eine beschwerliche Ochsentour. Davon kann der erfolgreiche Rafael Jiménez ein Lied singen. Auftrittsmöglichkeiten gibt es zwar - aber von den 30 bis 60 Euro Eintritt für ein Flamenco-Lokal sehen die Musiker oft nur ein Handgeld.
    "Ich denke, heutzutage muss man nichts mehr rechtfertigen"
    Die einen verkünden regelmäßig das Ende des Flamenco, wenn fremde Elemente hinzukommen. Andere glauben, dass er gerade durch seine stilistische Ausweitung überlebt - zu ihnen gehört auch das Camerata Flamenco Project, das Jazz und Klassik hinzufügt.