Otmar Zwiebelhofer führt seinen Besuch durch eine nagelneue Fabrikhalle, in der 16 dieser Maschinen in Reih und Glied stehen. Hier werden Rohre perforiert, das heißt: Sie werden gelocht – später finden sich die Rohre in Schalldämpfern von Autos wieder. Sein Unternehmen, König Metall im badischen Gaggenau, ist ein typischer Zulieferbetrieb. Hier werden Bleche und Rohre verarbeitet vor allem für den Fahrzeug- und Maschinenbau. Die neue Fabrikhalle steht seit einem halben Jahr. Sie ist fast menschenleer. Für drei Maschinen ist jeweils nur ein Mann zuständig.
Je höher unsere Lohnkosten sind in Deutschland, desto größer ist der Druck sie zu vermeiden, sie runter zu drücken in der Fertigung, andere Lösungen zu suchen. Das ist ja das teuflische an der ganzen Geschichte.
Als mittelständischer Unternehmer steht Zwiebelhofer unter einem ständigen Kostendruck. Der Personalkostenanteil im Betrieb liegt bei 25 Prozent. Überstunden werden bezahlt. Ab 19 Uhr sind Schichtzuschläge fällig. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss der Chef die Kosten immer weiter senken: Er hat beim Perforieren der Rohre rationalisiert, also Menschen durch Maschinen ersetzt. In der Halle nebenan werden die Rohre dann gebogen – ein personalintensiver Arbeitsschritt. Jede Maschine wird von einem Arbeiter bedient. Mitten unter den Männern tut seit wenigen Wochen ein Roboter das Gleiche:
Ich könnte jetzt überall, wo ein Mann steht, einen Roboter hinstellen. Wäre vielleicht etwas preisgünstiger. Aber dann haben wir wieder 40 Leute weniger hier.
Gut 320 Mitarbeiter beschäftigt König Metall in Gaggenau. Mit einem Umsatz von 57 Millionen Euro im Jahr 2003 ist das Unternehmen stetig auf Wachstumskurs. Doch den hier Beschäftigten wird tagtäglich vor Augen geführt, unter welchem Druck sich der Standort Deutschland befindet. Derzeit sucht Zwiebelhofer nach einer Produktionsstätte in Polen.
Wir machen dieses Engagement,, um den Standort Gaggenau zu sichern. Um dort gewisse Dinge zusätzlich zu machen, die wir hier mit unserem Lohnniveau in Gaggenau nicht darstellen können. Ich war gestern erst in Polen, die haben mir gesagt, ein angelernter Mann verdient in 40 Stunden 250 Euro. Maximal ein Fünftel vom hiesigen Niveau.
König Metall plant keine Verlagerung – noch nicht. Zwiebelhofer folgt vielmehr einem Kunden, der den polnischen Markt für sich entdeckt hat und nun auch von seinem Zulieferer polnische Produktionskosten verlangt. Der tägliche Kampf eines Mittelständlers.
Wir haben Wort gehalten: Keine flächendeckende Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. Und schon gar keine kostenlose Mehrarbeit. Wir haben immer gesagt, wir werden nicht die Hand reichen für weitere Arbeitslosigkeit in Deutschland.
IG Metall-Chef Jürgen Peters am 12. Februar in Pforzheim, nachdem die Unterschriften unter einen Tarifvertrag gesetzt waren, der bundesweit Pilotcharakter hat und bis Ende Februar 2006 gültig ist. Das Credo der Gewerkschaft: An der 35 Stunden-Woche lässt sie nie und nimmer rütteln. Und doch beinhaltet das Pforzheimer Tarifwerk eine Besonderheit: Es erlaubt – erstmals – betriebliche Sonderregeln. Wo immer notwendig können Betriebsräte und Firmenleitung vor Ort über Entgeltfragen und Arbeitsvolumen entscheiden, das letzte Wort aber haben immer IG Metall und Arbeitgeberverband. Diese Vereinbarung hat der Gaggenauer Unternehmer Otmar Zwiebelhofer durchgesetzt. Er ist Verhandlungsführer von Südwestmetall. Er nennt das Ergebnis von Pforzheim praxistauglich, und wird es auch in seinem Betrieb anwenden.
Wir wollen die Überstundenzuschläge absenken, wir versuchen auch die Spätschichtzuschläge zu reduzieren. Es ist eigentlich so der letzte Versuch, den Flächentarif, der nun wirklich sehr viel positives hat, über solche Öffnungsmöglichkeiten zukunftsfähig zu machen.
Gut ein halbes Jahr ist vergangen, seit in Pforzheim die Unterschriften unter den Tarifvertrag gesetzt worden sind. Für die baden-württembergische IG Metall waren es stressige Monate – denn fast wöchentlich einigten sich Gewerkschaftler und Betriebsräte mit Firmenchefs auf betriebliche Bündnisse, die von den Belegschaften zwar Zugeständnisse abverlangen, dafür aber Jobs auf Jahre hinaus garantieren. Bis heute hat die Gewerkschaft im Südwesten in rund 25 solcher Fälle mit Unternehmen so genannte Ergänzungstarifverträge abgeschlossen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall spricht von 50 weiteren Bündnissen, über die zur Zeit deutschlandweit verhandelt wird.
Von lautstarken Protesten und politischen Kommentaren begleitet und deshalb von nationalem Interesse waren vor vier Wochen die Gespräche bei DaimlerChrysler. Der Konzernvorstand hatte von 2007 an eine Senkung der Arbeitskosten um jährlich eine halbe Milliarde Euro gefordert. Anderenfalls sollte die Produktion der neuen Modelle der Mercedes-C-Klasse nach Bremen und Südafrika verlagert werden. Dies hätte in Sindelfingen, im größten deutschen Werk des Automobilherstellers, 6.000 der dort gut 30.000 Arbeitsplätze bedroht.
Das Sparziel wurde erreicht. Aber wir haben einen Ausschluss betrieblicher Kündigungen vereinbart, der bis ins Jahr 2012 hinein reicht. Wir haben das getan mit dem Ziel, Arbeitsplätze hier in Deutschland zu schützen und zu sichern.
Lobte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Erich Klemm, den Kompromiss. Doch die Beschäftigungsgarantie hat auch ihren Preis: Alle rund 160.000 deutschen Mitarbeiter der Mercedes Car Group verzichten ab 2006 dauerhaft auf bereits zugesagte Lohn- und Gehaltserhöhungen in Höhe von 2,79 Prozentpunkte. Im Einzelfall werden einem Bandarbeiter bis zu 300 Euro im Jahr in der Lohntüte fehlen. Doch Lohnverzicht ist auch eine Form von Flexibilität. Konzernboss Jürgen Schrempp.
Ich möchte hier ganz klar sagen, Deutschland braucht keine pauschale Regelung der Länge der Arbeitszeit. Unternehmen in Deutschland brauchen vielmehr wieder Raum zum freien Atmen, sie brauchen Flexibilität.
Schrieb Schrempp all denen ins Stammbuch, die glauben Flexibilität bedeute ausschließlich unbezahlte Mehrarbeit. Siemens brachte diese Diskussion ins Rollen. In zwei Werken in Nordrhein-Westfalen, wo die Handy-Produktion auf der Kippe stand, waren längere Arbeitzeiten ohne Lohnausgleich vereinbart worden. Siemens weckte auf Arbeitgeberseite Begehrlichkeiten. Siemens-Chef Heinrich von Pierer:
Ich bin sehr zufrieden. Denn mir ging es von Anfang an darum, die 4.000 Arbeitsplätze in Kamp-Limpfort und Bocholt zu erhalten. Jetzt ist das Ziel erreicht, und deshalb bin ich sehr zufrieden.
In der Diskussion um Flexibilisierung der Arbeitszeit wird gerne übersehen, dass es die längst gibt: in Ostdeutschland nämlich. So ist Harald Ringstorff, der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, schon ein bisschen verwundert, welche Wellen die Verhandlungen geschlagen haben die Kosten zu senken:
Vieles von dem, was dort erreicht worden ist in den Verhandlungen, ist bei uns gang und gäbe. Hier wird sehr flexibel gearbeitet, wenn Arbeit da ist, wird gearbeitet, man hat Arbeitszeitkonten, man hat betriebliche Verträge, also die Flexibilität ist hier sehr hoch und es ist kein Novum, was dort erreicht worden ist.
Das Standardbeispiel für Mecklenburg-Vorpommern sind natürlich die Werften, einer der wenigen Industriezweige in Deutschlands Nordosten.
"Aker Ostsee" steht an dem hohen Gebäude, das schon von weit vor den Toren von Wismar aus sichtbar ist. Mehrere Schiffe werden gleichzeitig montiert. Schwere Krane tragen noch schwerere Schiffsteile oder Stahlplatten an ihre Plätze. Bei den Schweißarbeiten regnet es Funken auf den Boden des Trockendocks. Um schneller an Ort und Stelle zu sein, fahren viele mit dem Fahrrad in der Halle umher. Die Werft der Hansestadt gehört zu den modernsten in ganz Europa. Auftraggeber loben die genaue Einhaltung der Liefertermine. Die Termintreue im Schiffbau hängt mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit zusammen. Werftchef Jürgen Kennemann:
Wir haben ja eine Vereinbarung, die es ermöglicht, bis auf 42 Stunden raufzugehen. Oder bis auf 35 Stunden runterzugehen und das handhaben wir eigentlich sehr flexibel. Und ich glaube auch im Verständnis der Mitarbeiter ist es sehr weit vorangekommen, Die wissen, wenn arbeit ist, muss eben gearbeitet werden und wenn weniger ist, dann sind sie eben mal ne Zeit zuhause. Ist für uns nicht das Problem.
Die beiden Aker-Ostsee-Werften in Wismar und Warnemünde haben derzeit gut zu tun, verfügen über einen Auftragsbestand von 28 Containerschiffen, die bis zum vierten Quartal 2006 abgeliefert werden sollen.
Es gibt de facto Jahresarbeitszeitkonten. Aber wir müssen einfach sagen, wir sind auch da ein bissel flexibel, das Jahr endet nicht mit dem Kalenderjahr, sondern manchmal auch ein bisschen darüber hinaus. Wir richten und mehr nach dem Produktionsdurchlauf und kriegen wir es auch vereinbart mit dem Betriebsrat.
Ronald Zier, der Betriebsratsvorsitzende ergänzt:
Wir können jetzt in Zeitkonten Stunden ansparen, bis +100 und bis –75. Das lässt dann einen Spielraum von 175 Stunden, also praktisch von einem Monat zu, den man bis auf 0 Stunden runter gehen könnte. Wenn es die jeweilige Situation verlangt. Das muss man dann immer angucken.
Die Diskussion über längere Arbeit bei gleichem Lohn sagt Werftchef Kennemann sehr zu:
Ich glaube das ist ein Thema, das ich auch wichtig finde, es zu diskutieren. Diese Argumente, dass weniger arbeiten mehr Arbeitsplätze bringt, ich bin nicht ein Verfechter davon. Ich glaube, wenn wir mehr arbeiten in einer bestimmten Bandbreite, um dadurch die Kosten zu reduzieren, ohne dass ein Arbeiter weniger in der Tasche hat, Ich glaub das ist entscheidend. Und wenn sie durch die Werft gehen würden, mit Mitarbeitern reden, würden Sie diesen Widerhall auch wieder finden.
Das ist nicht ganz so einfach. Die meisten Arbeiter in der großen Halle ziehen es vor, dem Reporter lieber nichts zu sagen. Willi Rehmann traut sich dann aber doch. Der Rohrschlosser ist 54 Jahre alt.
Arbeitszeit? 40 Stundenwoche! Mal so mal so. je nachdem wie die Arbeit kommt. Aber jetzt stehen wir bis zum Hals inne Kacke, wolln mal sagen.
An Urlaub ist erst einmal nicht zu denken, Betriebsferien gibt es dieses Jahr nicht. Jürgen Kennemann:
Wir haben so viel zu tun, dass wir uns das nicht leisten können. Besonders die Gute Sommerzeit, die ja doch ein bisschen mehr Wärme bringt für das schiff und dadurch auch die Belastungen für die Mitarbeiter wesentlich geringer sind auszunutzen. Trotz allem ermöglichen wir allen Mitarbeitern, die im Sommer Urlaub haben wollen wenigstens zwei Wochen Urlaub.
Aker Ostsee ist im Flächentarifvertrag, aber aufgrund der schwierigen Situation gibt es Sonderregelungen. Damit die Werft international konkurrenzfähig bleibt, haben Betriebsrat und Geschäftsleitung einen Änderungstarifvertrag abgeschlossen. Ronald Zier spricht von Berg und Tal:
Hier gibt das Liefertermine, hier gibt das Docktermine, wo die Kollegen gezwungen sind, wenn Dockungen anstehen, über 2, 3 Tage mitunter zu Hause zu bleiben, das gibt Zeiten, da sind dann Termine so eng gesteckt, dass wir dann hochgehen bis auf 40, 42 Stunden lässt dieses Modell zu und eine Absenkung auf 35 Stunden.
2300 Mitarbeiter haben die Werften in Warnemünde und Wismar noch. Über 200 Kollegen mussten schon seit der Zusammenlegung gehen.
Wir haben einen Personalabbau vermeiden könne, indem wir ein Arbeitszeitmodell vereinbart haben, dass Flexibilität zulässt und eine generelle Absenkung von 38 auf 37-Stundenwoche ohne Lohnausgleich und das hat dann bis zu 150 Arbeitsplätze in diesem Betrieb retten können, dadurch dass die Kollegen Arbeitszeit abgesenkt haben, die Arbeit, die da ist aufgeteilt haben auf die Kollegen, die hier in diesem Betrieb verbleiben.
Vorher, als die von der EU-Kommission erlaubte Produktion der Werft schon Ende Herbst ausgeschöpft war, gab es Kurzarbeit in Wismar und Warnemünde.
Ja bestraft... natürlich: wir haben Baubegrenzungen, für beide Schiffswerften. Und wenn wir effektiver werden, ist es natürlich so, dass wir dann einige Probleme bekommen, weil sie nicht mehr produzieren dürfen. Und die sonstige Produktion, die man außerhalb des Schiffbaus hätte machen können, gab es eigentlich nicht, die für unsere Anlagen konzipiert wären, so dass wir letztendlich zu Kurzarbeit übergingen...
Dat wird dies Jahr nicht kommen. Die nächsten Jahre nicht. Halbe Schiff kommt von Warnemünde und wir haben die Kacke denn am Hals, nicht. Draußen liegen zwei, hier liegen zwei, Überstunden, Überstunden...
Beim Medizintechnikhersteller Aesculape im schwäbischen Tuttlingen boomt das Geschäft. An großen Maschinen werden aus Titan Implantate für Hüfte, Knie und Wirbelsäule gefräst. Ein Geschäftszweig mit zweistelligen Wachstumsraten. Die Entscheidung, in die Produktion von Implantaten einzusteigen, traf die Geschäftsleitung vor gut fünf Jahren. Damals dachte Professor Michael Ungethüm auch über den Neubau einer Fabrik nach:
Wir haben im Zuge dieser Überlegungen mehrere europäische Standorte untersucht. Letztendlich kristallisierten sich Sheffield in England, wo wir bereits eine Produktion hatten, und Tuttlingen als die möglichen zukünftigen Standorte heraus. Mit der Konsequenz, dass bei einem Bau einer neuen Fabrik in Sheffield die Stückkosten um 30 Prozent gesunken wären, während sie bei einer Realisierung in Tuttlingen um 20 Prozent gesunken wären. Das heißt, eine Differenz von 10 Prozentpunkten in den Herstellungskosten.
Die Beschäftigten in Sheffield arbeiten 265 Stunden länger im Jahr. Es sprach einiges dafür, die neue Fabrik mit rund 220 Arbeitsplätzen in England zu bauen. Dem Traditionsstandort Tuttlingen drohte über kurz oder lang die Bedeutungslosigkeit, denn es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen bis auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der innovativen Produktlinie nach Sheffield gefolgt wäre.
Es war klar, dass wir eine Differenz von zehn Prozentpunkten in den Herstellungskosten nicht einfach akzeptieren konnten. Hier war nun gefragt eine intelligente Lösung zu finden. Und da kam das Thema auf Mehrarbeit der Belegschaft. Und zwar nicht nur der Belegschaft, die hier in der neuen Fabrik arbeiten sollte, sondern der gesamten bestehenden Belegschaft am Standort Tuttlingen.
Die heute noch gültige Regelung sieht vor, dass alle gut 2.400 Mitarbeiter sechs Jahre lang pro Jahr 60 Stunden mehr arbeiten – ohne Bezahlung. Die 60 Stunden sammeln sich auf Arbeitszeitkonten an, und können beispielsweise mit Qualifizierungsmaßnahmen verrechnet, aber nicht durch Freizeit abgefeiert werden. Zustande kam die Vereinbarung unter Beteiligung und mit dem Segen der IG Metall, betonte der Vorsitzende des Betriebsrats, Ekkehard Rist
Es war klar, wenn wir von der Entwicklung unserer großen Konkurrenten nicht abgeschnitten sein wollen im Bereich Orthopädie, war es notwendig, dass man eine neue Fabrik baut. Wir wussten, dass ein anderer Standort günstiger ist wie wir. Also war klar, wenn wir diese Produktion in Tuttlingen haben wollen, und das war unser Ziel, weil wir insgesamt den Standort für die Zukunft gesichert haben wollten, war klar, dass wir dann irgendein Betrag leisten müssen.
Die neue Fabrik wurde in Tuttlingen gebaut und vor gut 2 ½ Jahren eingeweiht. Im Gegenzug hat sich die Unternehmensleitung laut Ungethüm dazu verpflichtet.
... dass wir erstens diese Investition in Tuttlingen getätigt haben. Es war immerhin eine Investition in der Größenordnung von 28 Millionen Euro. Zweitens alle Mitarbeiter haben eine Arbeitsplatzgarantie erhalten, die bis zum Ende der Laufzeit der Vereinbarung gilt.
Das betriebliche Bündnis bei Aesculap existiert seit fast fünf Jahren. Erst mit der Pforzheimer Einigung wurde es öffentlich, denn erst seit Februar entspricht es einem gültigen Tarifvertrag. Die Beschäftigten bei Aesculap schluckten die Kröte der unbezahlten Mehrheit – zugunsten ihrer Arbeitsplätze:
Wissen Sie, ein Grundmurren ist immer dabei. Aber solange ich einen Arbeitsplatz sicher habe, ist mir das lieber. Man kann es sich ja ein bisschen ausrechen: Wenn man jeden Tag eine Viertel Stunde länger bleibt, geht das automatisch. Oder man arbeitet ab und zu am Samstag, wenn viel Arbeit da ist, dann hat man das schnell zusammen.
Die IG Metall schaut sehr genau hin. Voraussetzung für betriebliche Bündnisse ist: Das Unternehmen muss die Bücher öffnen, was dem einen oder anderen schwäbischen Patriarch noch immer schwer fällt. Rund 25 Ergänzungstarifverträge tragen inzwischen die Unterschrift des baden-württembergischen IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann: es sind Vereinbarungen beispielsweise bei ZF Friedrichshafen, Voith, Stihl, Bosch Elektrowerkzeuge und Evobus. Sie reichen von flexiblen Arbeitszeitregeln bis zu Verdiensteinbußen. So wird Mehrarbeit beispielsweise nicht mehr als Überstunden vergütet, sondern auf so genannten Arbeitszeitkonten gesammelt. Ersparnisse daraus nutzen die Firmen für Investitionen am Standort, manche Fertigung wird nun nicht wie ursprünglich geplant ins Ausland verlagert. Der Tarifvertrag der Metaller wirkt.
Quantitativ ist die Zahl eher zu verstehen in Kontext der aktuellen konjunkturellen Situation, wo wir – typisch in einer Aufschwungphase die Erscheinung haben, dass insbesondere den kleinen und mittelständischen Firmen das genügende Kleingeld für notwendige Investitionen fehlt, dort Liquiditätsprobleme auftreten, deswegen ist der Großteil der 25 Firmen klassische Sanierungsfälle. Und auf der anderen Seite haben wir eine Phase, wo sich Großunternehmen neu strukturieren, wo sie sich restrukturieren an den Märkten mit neuen Produkten. Und in der Folge eine Debatte ausgelöst wird über Standorte, über Kosten und über Investitionsentscheidungen, wie wir sie gerade bei DaimlerChrysler gerade gehabt haben.
Im Osten schlagen sich einige Unternehmen mit ganz anderen Problem herum: Wie sollen sie Arbeitsplätze schaffen, wenn sie zuwenig Aufträge haben? Zum Beispiel der Windradbauer KGW in Schwerin. Flaute sozusagen, seufzt Chef Jörgen Thiele:
Wir haben aber im Moment das Problem, die Windenergie dümpelt so ein bisschen vor sich hin, wir haben also die 28. Und natürlich hoffen wir, dass im Zweiten Halbjahr, wenn dass EEG durch ist, dass wird dann auch 42 nutzen zu können, um dann mit voller Produktion arbeiten zu können.
Thiele ist auch Präsident der IHK zu Schwerin. Angesichts der Herausforderungen durch die Globalisierung, in der er die Deutschen mit ihren hohen Kosten auf Dauer für nicht wettbewerbsfähig hält, fordert auch er: mehr Arbeit ohne Lohnausgleich!
Nu wäre die eine Möglichkeit zu sagen: wir reduzieren einfach die Löhne. Das halte ich für völlig verkehrt, weil dann ist in der Tat so, dass die Binnennachfrage noch weiter zurück geht. Oder auch die Diskussion um eine Sonderwirtschaftszone halte ich auch für falsch. Weil in der Zwischenzeit ja die Lebenshaltungskosten sich annähernd angeglichen haben. Und da halte ich es schon für sinnvoll, dass man flexibel in den Unternehmen reagiert, aber nicht, dass man jetzt wieder eine Flächenbeurteilung macht und sagt: wir arbeiten alle mit 40 Stunden oder 45 Stunden, sondern von den Unternehmen ausgehend: was macht da Sinn um die Arbeitsplätze zu erhalten oder noch ausbauen zu können.
Dabei spielt Ostdeutschland schon längst die Vorreiterrolle. Das geht dem IHK-Präsidenten aber noch nicht weit genug:
Es gibt überall schon gewisse Scheren, die gemacht werden: wir haben Unternehmen, die können zwischen 28 und 42 Stunden arbeiten. Nur: was die Schwierigkeiten macht, um zu solchen Ergebnissen zu kommen müssen wir relativ lange verhandeln. Und die Zeit hat das Unternehmen nicht. Und deshalb bin ich der Meinung, wir müssen einen bestimmten Freiraum schaffen, ich bin nicht dafür, die Flächentarife ganz abzuschaffen, aber dazwischen müssen wir Bedingungen schaffen für die Unternehmen, dass sie sehr schnell entscheiden können und zwar innerhalb einer Woche, dass sie sagen können: wir machen das und das jetzt hier.
Der Wirtschaftsminister will sich aus den Diskussionen über die Arbeitszeit lieber raushalten und die Verhandlungen den Tarifpartnern überlassen. Er weist aber darauf hin, dass schon jetzt die Löhne im Osten bedeutend geringer sind und die Menschen im Schnitt länger als 35 Stunden arbeiten. Mehr Arbeitsplätze hat das bis jetzt nicht gebracht. Die Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern liegt im Schnitt um die 20 Prozent, mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
Je höher unsere Lohnkosten sind in Deutschland, desto größer ist der Druck sie zu vermeiden, sie runter zu drücken in der Fertigung, andere Lösungen zu suchen. Das ist ja das teuflische an der ganzen Geschichte.
Als mittelständischer Unternehmer steht Zwiebelhofer unter einem ständigen Kostendruck. Der Personalkostenanteil im Betrieb liegt bei 25 Prozent. Überstunden werden bezahlt. Ab 19 Uhr sind Schichtzuschläge fällig. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss der Chef die Kosten immer weiter senken: Er hat beim Perforieren der Rohre rationalisiert, also Menschen durch Maschinen ersetzt. In der Halle nebenan werden die Rohre dann gebogen – ein personalintensiver Arbeitsschritt. Jede Maschine wird von einem Arbeiter bedient. Mitten unter den Männern tut seit wenigen Wochen ein Roboter das Gleiche:
Ich könnte jetzt überall, wo ein Mann steht, einen Roboter hinstellen. Wäre vielleicht etwas preisgünstiger. Aber dann haben wir wieder 40 Leute weniger hier.
Gut 320 Mitarbeiter beschäftigt König Metall in Gaggenau. Mit einem Umsatz von 57 Millionen Euro im Jahr 2003 ist das Unternehmen stetig auf Wachstumskurs. Doch den hier Beschäftigten wird tagtäglich vor Augen geführt, unter welchem Druck sich der Standort Deutschland befindet. Derzeit sucht Zwiebelhofer nach einer Produktionsstätte in Polen.
Wir machen dieses Engagement,, um den Standort Gaggenau zu sichern. Um dort gewisse Dinge zusätzlich zu machen, die wir hier mit unserem Lohnniveau in Gaggenau nicht darstellen können. Ich war gestern erst in Polen, die haben mir gesagt, ein angelernter Mann verdient in 40 Stunden 250 Euro. Maximal ein Fünftel vom hiesigen Niveau.
König Metall plant keine Verlagerung – noch nicht. Zwiebelhofer folgt vielmehr einem Kunden, der den polnischen Markt für sich entdeckt hat und nun auch von seinem Zulieferer polnische Produktionskosten verlangt. Der tägliche Kampf eines Mittelständlers.
Wir haben Wort gehalten: Keine flächendeckende Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. Und schon gar keine kostenlose Mehrarbeit. Wir haben immer gesagt, wir werden nicht die Hand reichen für weitere Arbeitslosigkeit in Deutschland.
IG Metall-Chef Jürgen Peters am 12. Februar in Pforzheim, nachdem die Unterschriften unter einen Tarifvertrag gesetzt waren, der bundesweit Pilotcharakter hat und bis Ende Februar 2006 gültig ist. Das Credo der Gewerkschaft: An der 35 Stunden-Woche lässt sie nie und nimmer rütteln. Und doch beinhaltet das Pforzheimer Tarifwerk eine Besonderheit: Es erlaubt – erstmals – betriebliche Sonderregeln. Wo immer notwendig können Betriebsräte und Firmenleitung vor Ort über Entgeltfragen und Arbeitsvolumen entscheiden, das letzte Wort aber haben immer IG Metall und Arbeitgeberverband. Diese Vereinbarung hat der Gaggenauer Unternehmer Otmar Zwiebelhofer durchgesetzt. Er ist Verhandlungsführer von Südwestmetall. Er nennt das Ergebnis von Pforzheim praxistauglich, und wird es auch in seinem Betrieb anwenden.
Wir wollen die Überstundenzuschläge absenken, wir versuchen auch die Spätschichtzuschläge zu reduzieren. Es ist eigentlich so der letzte Versuch, den Flächentarif, der nun wirklich sehr viel positives hat, über solche Öffnungsmöglichkeiten zukunftsfähig zu machen.
Gut ein halbes Jahr ist vergangen, seit in Pforzheim die Unterschriften unter den Tarifvertrag gesetzt worden sind. Für die baden-württembergische IG Metall waren es stressige Monate – denn fast wöchentlich einigten sich Gewerkschaftler und Betriebsräte mit Firmenchefs auf betriebliche Bündnisse, die von den Belegschaften zwar Zugeständnisse abverlangen, dafür aber Jobs auf Jahre hinaus garantieren. Bis heute hat die Gewerkschaft im Südwesten in rund 25 solcher Fälle mit Unternehmen so genannte Ergänzungstarifverträge abgeschlossen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall spricht von 50 weiteren Bündnissen, über die zur Zeit deutschlandweit verhandelt wird.
Von lautstarken Protesten und politischen Kommentaren begleitet und deshalb von nationalem Interesse waren vor vier Wochen die Gespräche bei DaimlerChrysler. Der Konzernvorstand hatte von 2007 an eine Senkung der Arbeitskosten um jährlich eine halbe Milliarde Euro gefordert. Anderenfalls sollte die Produktion der neuen Modelle der Mercedes-C-Klasse nach Bremen und Südafrika verlagert werden. Dies hätte in Sindelfingen, im größten deutschen Werk des Automobilherstellers, 6.000 der dort gut 30.000 Arbeitsplätze bedroht.
Das Sparziel wurde erreicht. Aber wir haben einen Ausschluss betrieblicher Kündigungen vereinbart, der bis ins Jahr 2012 hinein reicht. Wir haben das getan mit dem Ziel, Arbeitsplätze hier in Deutschland zu schützen und zu sichern.
Lobte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Erich Klemm, den Kompromiss. Doch die Beschäftigungsgarantie hat auch ihren Preis: Alle rund 160.000 deutschen Mitarbeiter der Mercedes Car Group verzichten ab 2006 dauerhaft auf bereits zugesagte Lohn- und Gehaltserhöhungen in Höhe von 2,79 Prozentpunkte. Im Einzelfall werden einem Bandarbeiter bis zu 300 Euro im Jahr in der Lohntüte fehlen. Doch Lohnverzicht ist auch eine Form von Flexibilität. Konzernboss Jürgen Schrempp.
Ich möchte hier ganz klar sagen, Deutschland braucht keine pauschale Regelung der Länge der Arbeitszeit. Unternehmen in Deutschland brauchen vielmehr wieder Raum zum freien Atmen, sie brauchen Flexibilität.
Schrieb Schrempp all denen ins Stammbuch, die glauben Flexibilität bedeute ausschließlich unbezahlte Mehrarbeit. Siemens brachte diese Diskussion ins Rollen. In zwei Werken in Nordrhein-Westfalen, wo die Handy-Produktion auf der Kippe stand, waren längere Arbeitzeiten ohne Lohnausgleich vereinbart worden. Siemens weckte auf Arbeitgeberseite Begehrlichkeiten. Siemens-Chef Heinrich von Pierer:
Ich bin sehr zufrieden. Denn mir ging es von Anfang an darum, die 4.000 Arbeitsplätze in Kamp-Limpfort und Bocholt zu erhalten. Jetzt ist das Ziel erreicht, und deshalb bin ich sehr zufrieden.
In der Diskussion um Flexibilisierung der Arbeitszeit wird gerne übersehen, dass es die längst gibt: in Ostdeutschland nämlich. So ist Harald Ringstorff, der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, schon ein bisschen verwundert, welche Wellen die Verhandlungen geschlagen haben die Kosten zu senken:
Vieles von dem, was dort erreicht worden ist in den Verhandlungen, ist bei uns gang und gäbe. Hier wird sehr flexibel gearbeitet, wenn Arbeit da ist, wird gearbeitet, man hat Arbeitszeitkonten, man hat betriebliche Verträge, also die Flexibilität ist hier sehr hoch und es ist kein Novum, was dort erreicht worden ist.
Das Standardbeispiel für Mecklenburg-Vorpommern sind natürlich die Werften, einer der wenigen Industriezweige in Deutschlands Nordosten.
"Aker Ostsee" steht an dem hohen Gebäude, das schon von weit vor den Toren von Wismar aus sichtbar ist. Mehrere Schiffe werden gleichzeitig montiert. Schwere Krane tragen noch schwerere Schiffsteile oder Stahlplatten an ihre Plätze. Bei den Schweißarbeiten regnet es Funken auf den Boden des Trockendocks. Um schneller an Ort und Stelle zu sein, fahren viele mit dem Fahrrad in der Halle umher. Die Werft der Hansestadt gehört zu den modernsten in ganz Europa. Auftraggeber loben die genaue Einhaltung der Liefertermine. Die Termintreue im Schiffbau hängt mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit zusammen. Werftchef Jürgen Kennemann:
Wir haben ja eine Vereinbarung, die es ermöglicht, bis auf 42 Stunden raufzugehen. Oder bis auf 35 Stunden runterzugehen und das handhaben wir eigentlich sehr flexibel. Und ich glaube auch im Verständnis der Mitarbeiter ist es sehr weit vorangekommen, Die wissen, wenn arbeit ist, muss eben gearbeitet werden und wenn weniger ist, dann sind sie eben mal ne Zeit zuhause. Ist für uns nicht das Problem.
Die beiden Aker-Ostsee-Werften in Wismar und Warnemünde haben derzeit gut zu tun, verfügen über einen Auftragsbestand von 28 Containerschiffen, die bis zum vierten Quartal 2006 abgeliefert werden sollen.
Es gibt de facto Jahresarbeitszeitkonten. Aber wir müssen einfach sagen, wir sind auch da ein bissel flexibel, das Jahr endet nicht mit dem Kalenderjahr, sondern manchmal auch ein bisschen darüber hinaus. Wir richten und mehr nach dem Produktionsdurchlauf und kriegen wir es auch vereinbart mit dem Betriebsrat.
Ronald Zier, der Betriebsratsvorsitzende ergänzt:
Wir können jetzt in Zeitkonten Stunden ansparen, bis +100 und bis –75. Das lässt dann einen Spielraum von 175 Stunden, also praktisch von einem Monat zu, den man bis auf 0 Stunden runter gehen könnte. Wenn es die jeweilige Situation verlangt. Das muss man dann immer angucken.
Die Diskussion über längere Arbeit bei gleichem Lohn sagt Werftchef Kennemann sehr zu:
Ich glaube das ist ein Thema, das ich auch wichtig finde, es zu diskutieren. Diese Argumente, dass weniger arbeiten mehr Arbeitsplätze bringt, ich bin nicht ein Verfechter davon. Ich glaube, wenn wir mehr arbeiten in einer bestimmten Bandbreite, um dadurch die Kosten zu reduzieren, ohne dass ein Arbeiter weniger in der Tasche hat, Ich glaub das ist entscheidend. Und wenn sie durch die Werft gehen würden, mit Mitarbeitern reden, würden Sie diesen Widerhall auch wieder finden.
Das ist nicht ganz so einfach. Die meisten Arbeiter in der großen Halle ziehen es vor, dem Reporter lieber nichts zu sagen. Willi Rehmann traut sich dann aber doch. Der Rohrschlosser ist 54 Jahre alt.
Arbeitszeit? 40 Stundenwoche! Mal so mal so. je nachdem wie die Arbeit kommt. Aber jetzt stehen wir bis zum Hals inne Kacke, wolln mal sagen.
An Urlaub ist erst einmal nicht zu denken, Betriebsferien gibt es dieses Jahr nicht. Jürgen Kennemann:
Wir haben so viel zu tun, dass wir uns das nicht leisten können. Besonders die Gute Sommerzeit, die ja doch ein bisschen mehr Wärme bringt für das schiff und dadurch auch die Belastungen für die Mitarbeiter wesentlich geringer sind auszunutzen. Trotz allem ermöglichen wir allen Mitarbeitern, die im Sommer Urlaub haben wollen wenigstens zwei Wochen Urlaub.
Aker Ostsee ist im Flächentarifvertrag, aber aufgrund der schwierigen Situation gibt es Sonderregelungen. Damit die Werft international konkurrenzfähig bleibt, haben Betriebsrat und Geschäftsleitung einen Änderungstarifvertrag abgeschlossen. Ronald Zier spricht von Berg und Tal:
Hier gibt das Liefertermine, hier gibt das Docktermine, wo die Kollegen gezwungen sind, wenn Dockungen anstehen, über 2, 3 Tage mitunter zu Hause zu bleiben, das gibt Zeiten, da sind dann Termine so eng gesteckt, dass wir dann hochgehen bis auf 40, 42 Stunden lässt dieses Modell zu und eine Absenkung auf 35 Stunden.
2300 Mitarbeiter haben die Werften in Warnemünde und Wismar noch. Über 200 Kollegen mussten schon seit der Zusammenlegung gehen.
Wir haben einen Personalabbau vermeiden könne, indem wir ein Arbeitszeitmodell vereinbart haben, dass Flexibilität zulässt und eine generelle Absenkung von 38 auf 37-Stundenwoche ohne Lohnausgleich und das hat dann bis zu 150 Arbeitsplätze in diesem Betrieb retten können, dadurch dass die Kollegen Arbeitszeit abgesenkt haben, die Arbeit, die da ist aufgeteilt haben auf die Kollegen, die hier in diesem Betrieb verbleiben.
Vorher, als die von der EU-Kommission erlaubte Produktion der Werft schon Ende Herbst ausgeschöpft war, gab es Kurzarbeit in Wismar und Warnemünde.
Ja bestraft... natürlich: wir haben Baubegrenzungen, für beide Schiffswerften. Und wenn wir effektiver werden, ist es natürlich so, dass wir dann einige Probleme bekommen, weil sie nicht mehr produzieren dürfen. Und die sonstige Produktion, die man außerhalb des Schiffbaus hätte machen können, gab es eigentlich nicht, die für unsere Anlagen konzipiert wären, so dass wir letztendlich zu Kurzarbeit übergingen...
Dat wird dies Jahr nicht kommen. Die nächsten Jahre nicht. Halbe Schiff kommt von Warnemünde und wir haben die Kacke denn am Hals, nicht. Draußen liegen zwei, hier liegen zwei, Überstunden, Überstunden...
Beim Medizintechnikhersteller Aesculape im schwäbischen Tuttlingen boomt das Geschäft. An großen Maschinen werden aus Titan Implantate für Hüfte, Knie und Wirbelsäule gefräst. Ein Geschäftszweig mit zweistelligen Wachstumsraten. Die Entscheidung, in die Produktion von Implantaten einzusteigen, traf die Geschäftsleitung vor gut fünf Jahren. Damals dachte Professor Michael Ungethüm auch über den Neubau einer Fabrik nach:
Wir haben im Zuge dieser Überlegungen mehrere europäische Standorte untersucht. Letztendlich kristallisierten sich Sheffield in England, wo wir bereits eine Produktion hatten, und Tuttlingen als die möglichen zukünftigen Standorte heraus. Mit der Konsequenz, dass bei einem Bau einer neuen Fabrik in Sheffield die Stückkosten um 30 Prozent gesunken wären, während sie bei einer Realisierung in Tuttlingen um 20 Prozent gesunken wären. Das heißt, eine Differenz von 10 Prozentpunkten in den Herstellungskosten.
Die Beschäftigten in Sheffield arbeiten 265 Stunden länger im Jahr. Es sprach einiges dafür, die neue Fabrik mit rund 220 Arbeitsplätzen in England zu bauen. Dem Traditionsstandort Tuttlingen drohte über kurz oder lang die Bedeutungslosigkeit, denn es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen bis auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der innovativen Produktlinie nach Sheffield gefolgt wäre.
Es war klar, dass wir eine Differenz von zehn Prozentpunkten in den Herstellungskosten nicht einfach akzeptieren konnten. Hier war nun gefragt eine intelligente Lösung zu finden. Und da kam das Thema auf Mehrarbeit der Belegschaft. Und zwar nicht nur der Belegschaft, die hier in der neuen Fabrik arbeiten sollte, sondern der gesamten bestehenden Belegschaft am Standort Tuttlingen.
Die heute noch gültige Regelung sieht vor, dass alle gut 2.400 Mitarbeiter sechs Jahre lang pro Jahr 60 Stunden mehr arbeiten – ohne Bezahlung. Die 60 Stunden sammeln sich auf Arbeitszeitkonten an, und können beispielsweise mit Qualifizierungsmaßnahmen verrechnet, aber nicht durch Freizeit abgefeiert werden. Zustande kam die Vereinbarung unter Beteiligung und mit dem Segen der IG Metall, betonte der Vorsitzende des Betriebsrats, Ekkehard Rist
Es war klar, wenn wir von der Entwicklung unserer großen Konkurrenten nicht abgeschnitten sein wollen im Bereich Orthopädie, war es notwendig, dass man eine neue Fabrik baut. Wir wussten, dass ein anderer Standort günstiger ist wie wir. Also war klar, wenn wir diese Produktion in Tuttlingen haben wollen, und das war unser Ziel, weil wir insgesamt den Standort für die Zukunft gesichert haben wollten, war klar, dass wir dann irgendein Betrag leisten müssen.
Die neue Fabrik wurde in Tuttlingen gebaut und vor gut 2 ½ Jahren eingeweiht. Im Gegenzug hat sich die Unternehmensleitung laut Ungethüm dazu verpflichtet.
... dass wir erstens diese Investition in Tuttlingen getätigt haben. Es war immerhin eine Investition in der Größenordnung von 28 Millionen Euro. Zweitens alle Mitarbeiter haben eine Arbeitsplatzgarantie erhalten, die bis zum Ende der Laufzeit der Vereinbarung gilt.
Das betriebliche Bündnis bei Aesculap existiert seit fast fünf Jahren. Erst mit der Pforzheimer Einigung wurde es öffentlich, denn erst seit Februar entspricht es einem gültigen Tarifvertrag. Die Beschäftigten bei Aesculap schluckten die Kröte der unbezahlten Mehrheit – zugunsten ihrer Arbeitsplätze:
Wissen Sie, ein Grundmurren ist immer dabei. Aber solange ich einen Arbeitsplatz sicher habe, ist mir das lieber. Man kann es sich ja ein bisschen ausrechen: Wenn man jeden Tag eine Viertel Stunde länger bleibt, geht das automatisch. Oder man arbeitet ab und zu am Samstag, wenn viel Arbeit da ist, dann hat man das schnell zusammen.
Die IG Metall schaut sehr genau hin. Voraussetzung für betriebliche Bündnisse ist: Das Unternehmen muss die Bücher öffnen, was dem einen oder anderen schwäbischen Patriarch noch immer schwer fällt. Rund 25 Ergänzungstarifverträge tragen inzwischen die Unterschrift des baden-württembergischen IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann: es sind Vereinbarungen beispielsweise bei ZF Friedrichshafen, Voith, Stihl, Bosch Elektrowerkzeuge und Evobus. Sie reichen von flexiblen Arbeitszeitregeln bis zu Verdiensteinbußen. So wird Mehrarbeit beispielsweise nicht mehr als Überstunden vergütet, sondern auf so genannten Arbeitszeitkonten gesammelt. Ersparnisse daraus nutzen die Firmen für Investitionen am Standort, manche Fertigung wird nun nicht wie ursprünglich geplant ins Ausland verlagert. Der Tarifvertrag der Metaller wirkt.
Quantitativ ist die Zahl eher zu verstehen in Kontext der aktuellen konjunkturellen Situation, wo wir – typisch in einer Aufschwungphase die Erscheinung haben, dass insbesondere den kleinen und mittelständischen Firmen das genügende Kleingeld für notwendige Investitionen fehlt, dort Liquiditätsprobleme auftreten, deswegen ist der Großteil der 25 Firmen klassische Sanierungsfälle. Und auf der anderen Seite haben wir eine Phase, wo sich Großunternehmen neu strukturieren, wo sie sich restrukturieren an den Märkten mit neuen Produkten. Und in der Folge eine Debatte ausgelöst wird über Standorte, über Kosten und über Investitionsentscheidungen, wie wir sie gerade bei DaimlerChrysler gerade gehabt haben.
Im Osten schlagen sich einige Unternehmen mit ganz anderen Problem herum: Wie sollen sie Arbeitsplätze schaffen, wenn sie zuwenig Aufträge haben? Zum Beispiel der Windradbauer KGW in Schwerin. Flaute sozusagen, seufzt Chef Jörgen Thiele:
Wir haben aber im Moment das Problem, die Windenergie dümpelt so ein bisschen vor sich hin, wir haben also die 28. Und natürlich hoffen wir, dass im Zweiten Halbjahr, wenn dass EEG durch ist, dass wird dann auch 42 nutzen zu können, um dann mit voller Produktion arbeiten zu können.
Thiele ist auch Präsident der IHK zu Schwerin. Angesichts der Herausforderungen durch die Globalisierung, in der er die Deutschen mit ihren hohen Kosten auf Dauer für nicht wettbewerbsfähig hält, fordert auch er: mehr Arbeit ohne Lohnausgleich!
Nu wäre die eine Möglichkeit zu sagen: wir reduzieren einfach die Löhne. Das halte ich für völlig verkehrt, weil dann ist in der Tat so, dass die Binnennachfrage noch weiter zurück geht. Oder auch die Diskussion um eine Sonderwirtschaftszone halte ich auch für falsch. Weil in der Zwischenzeit ja die Lebenshaltungskosten sich annähernd angeglichen haben. Und da halte ich es schon für sinnvoll, dass man flexibel in den Unternehmen reagiert, aber nicht, dass man jetzt wieder eine Flächenbeurteilung macht und sagt: wir arbeiten alle mit 40 Stunden oder 45 Stunden, sondern von den Unternehmen ausgehend: was macht da Sinn um die Arbeitsplätze zu erhalten oder noch ausbauen zu können.
Dabei spielt Ostdeutschland schon längst die Vorreiterrolle. Das geht dem IHK-Präsidenten aber noch nicht weit genug:
Es gibt überall schon gewisse Scheren, die gemacht werden: wir haben Unternehmen, die können zwischen 28 und 42 Stunden arbeiten. Nur: was die Schwierigkeiten macht, um zu solchen Ergebnissen zu kommen müssen wir relativ lange verhandeln. Und die Zeit hat das Unternehmen nicht. Und deshalb bin ich der Meinung, wir müssen einen bestimmten Freiraum schaffen, ich bin nicht dafür, die Flächentarife ganz abzuschaffen, aber dazwischen müssen wir Bedingungen schaffen für die Unternehmen, dass sie sehr schnell entscheiden können und zwar innerhalb einer Woche, dass sie sagen können: wir machen das und das jetzt hier.
Der Wirtschaftsminister will sich aus den Diskussionen über die Arbeitszeit lieber raushalten und die Verhandlungen den Tarifpartnern überlassen. Er weist aber darauf hin, dass schon jetzt die Löhne im Osten bedeutend geringer sind und die Menschen im Schnitt länger als 35 Stunden arbeiten. Mehr Arbeitsplätze hat das bis jetzt nicht gebracht. Die Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern liegt im Schnitt um die 20 Prozent, mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.