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Flipper unter Stress

Zoologie.- Einmal mit wilden Delfinen schwimmen, diesen Traum können sich Urlauber auf der Insel Sansibar erfüllen: Vor der südlichen Küste leben rund 150 Große Tümmler. Doch die sensationshungrigen Touristen machen den Tieren schwer zu schaffen.

Von Marieke Degen | 20.04.2010
    Die Delfine sind umzingelt. Boote über Boote, Touristen springen ins Wasser, greifen nach ihren Flossen. In Panik versuchen die Tiere zu fliehen. Szenen aus einem Urlaubsvideo auf YouTube: So sieht es also aus, wenn Touristen mit wilden Delfinen schwimmen, vor den Küsten Sansibars.

    "Die Touristen sind das Problem. Sie ermutigen die Bootsfahrer, immer schneller und näher an die Tiere heranzufahren. Manchmal kommen 15 Boote voller Touristen auf eine Delfingruppe, das ist für die Tiere Stress pur. Vor allem, wenn die Boote die Tiere umzingeln und die Touristen zwischen sie springen."

    Per Berggren ist Meeresbiologe an der Universität in Newcastle. Eigentlich hat er überhaupt nichts gegen den Delfintourismus auf Sansibar, im Gegenteil: Früher haben die Einwohner Delfine gejagt. Heute verdienen sie mit lebendigen Delfinen Geld. Eine gute Sache sei das, sagt Per Berggren, aber schlecht gemacht. Für die Meeressäuger sei der Trubel einfach zu groß.

    "Für unsere Studie sind wir den Delfinen einen Monat lang selbst mit unserem Boot gefolgt, aber vorsichtig, und mit einem großen Abstand."

    Die Forscher haben das Verhalten der Tiere genau beobachtet, und wie sich das Verhalten verändert hat, wenn Touristenboote in der Nähe waren.

    "Die Tiere haben sich weniger ausgeruht, weniger gefressen und sich weniger mit ihren Artgenossen beschäftigt, sich also auch weniger gepaart, wenn Touristenboote bei ihnen waren. Stattdessen sind sie nur viel herumgeschwommen. Die Tiere verbrauchen also deutlich mehr Energie und haben viel weniger Zeit für andere wichtige Dinge wie jagen oder sich um den Nachwuchs kümmern."

    Mehr schwimmen und weniger fressen: Der Stress raubt den Tieren viel Kraft. Sie sind geschwächt und möglicherweise auch nicht mehr so fruchtbar und widerstandsfähig. Auf lange Sicht könnte das den Bestand gefährden.

    "Außerdem könnten die Delfine die Region verlassen und in Gewässer ziehen, die weniger optimal sind. Wo es weniger Futter gibt, aber mehr Feinde wie zum Beispiel Haie."

    Für die Gemeinden wäre es verheerend, wenn die Delfine verschwinden würden. Sie würden eine wichtige Einkommensquelle verlieren.

    "Wir glauben, dass der Tourismus wirklich ein Segen für die Region ist. Aber damit das auch in Zukunft so bleibt, müssten die Delfintouren gesetzlich geregelt werden."

    Die lokalen Behörden müssten gesetzlich vorschreiben, wie viele Boote sich einer Delfingruppe nähern dürfen, und wie sich die Touristen verhalten müssen. Per Berggrens Studienergebnisse könnten sehr hilfreich sein.

    "Es ist generell immer besser, die Tiere kommen zu lassen, anstatt ihnen hinterher zu jagen. Delfine sind neugierig, sie kommen irgendwann von allein zu den Booten und wollen sich das ganze näher ansehen."

    Der Meeresbiologe ist überzeugt: Entspannte Delfine machen auch den Touristen mehr Spaß.