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Fluglärm
Donnerhall vom Düsenjet

Wo entsteht der größte Lärm beim Start eines Düsenjets? Dieser Frage sind Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in einer aufwendigen Messreihe nachgegangen. Anders als man vermuten mag, liegt die lauteste Stelle nicht im Triebwerk selbst.

Von Frank Grotelüschen | 24.09.2014
    Ein Triebwerksmechaniker arbeitet an einem Flugzeugtriebwerk
    Triebwerke verursachen heute nur noch ein Achtel des Lärms, der vor 40 Jahren aus einer Turbine kam. (picture alliance / dpa)
    Flugzeuge sind mit der Zeit immer leiser geworden: Heute macht ein Triebwerk nur noch ein Achtel des Lärms, der vor 40 Jahren aus einer Turbine kam. Dennoch tüfteln die Konstrukteure an noch leiseren Jets - und setzen nun an den Grundlagen an: Wie im Detail entsteht der Krach überhaupt, wenn ein Flieger seine Triebwerke hochfährt? Um diese Frage zu beantworten, starteten Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im letzten Jahr eine aufwendige Messkampagne in der größten Lärmschutzhalle Europas. Gestern Nachmittag stellten sie ihre Resultate in Hamburg vor.
    September 2013, die Lufthansa-Lärmschutzhalle auf dem Flughafen Hamburg, ein Gebäude von den Ausmaßen eines Fußballfelds. Langsam fahren die beiden wuchtigen Metalltore zu und schließen das größte Forschungsflugzeug Deutschlands ein. Es heißt ATRA, das steht für Advanced Technology Research Aircraft, und ist ein ausgewachsener Airbus A320.
    Es wird laut
    "Kannst du mal endgültig festmachen?"
    Die Experten vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR, bereiten ein einzigartiges Experiment vor, Projektname Samurai. Sie präparieren die Triebwerke mit Sensoren und bauen in der Halle Dutzende von Mikrofonen und Lasern auf.
    Dann startet der Jet die Triebwerke, es wird laut in der Halle. Konzentriert sitzen die Forscher an ihren Rechnern und nehmen die Messdaten. Ein Triebwerkstest der besonderen Art, eine Weltpremiere.
    "Die bisherigen Messkampagnen fanden in kleinen Versuchen in Windkanälen statt. Jetzt haben wir erstmals an einem realen Triebwerk die Strömung vermessen, kombiniert verschiedene Verfahren angewendet, um die Strömung des Triebwerks besser zu verstehen", sagt Projektleiter Andreas Schröder vom DLR in Göttingen.
    Wie die Luft in ein Triebwerk hinein und wieder aus ihm herausströmt - das ist mitentscheidend für den Lärm, den ein Jet beim Start von sich gibt. Bereits das Einströmen kann lästige Geräusche erzeugen, verursacht durch sogenannte Einlaufstörungen. Diese entstehen unter anderem, wenn sich beim Beschleunigen auf der Startbahn Bodenwirbel unter den Tragflächen bilden, die dann vom Triebwerk regelrecht eingesaugt werden.
    "Die Einlaufstörungen, die bei Bodenwirbeln auftauchen können, tragen dazu bei, dass der Hauptrotor größeren Belastungen ausgesetzt ist, die zu Lärm beitragen können. Und das Verständnis dieser Einlaufstörungen ist ein wichtiger Baustein, um Triebwerke, die lärmgemindert ausgelegt werden können, zu ermöglichen."
    Mit dem Laser auf Wirbeljagd
    Diese vom Triebwerk eingesaugten Wirbel haben die Forscher in der teils abgedunkelten Halle genau unter die Lupe genommen. Die Laser machten die Wirbel sichtbar. Welche Geräusche diese Wirbel erzeugten, verrieten die gleichzeitigen Mikrofonaufnahmen. Die Messdaten sollen helfen, die Rotorblätter in den Triebwerken zu optimieren, sodass sie weniger stark auf die eingesaugten Wirbel reagieren und weniger Lärm erzeugen. Noch mehr Krach aber verursacht jene heiße Luft, die aus dem Triebwerk ausströmt. Diese Abluft besteht aus unterschiedlich schnellen und heißen Schichten. Und das sorgt für Radau, sagt Professor Lars Enghardt vom DLR in Berlin:
    "Diese Schichten, die aneinander reiben, neigen dazu, zu schwingen. Diese Schwingungen produzieren ein Geräusch. Und dieses Geräusch wird weiter weg vom Triebwerk als tieffrequentes Donnern, als das bekannte Strahlgeräusch wahrgenommen."
    Doch wo genau entsteht dieser Donnerhall aus dem Düsenjet? Auch das konnte die Samurai-Messkampagne mit ihrer Kombination aus Lasern und Mikrofonen enträtseln.
    "Vier bis fünf Durchmesser von dem eigentlichen Düsenauslass entfernt sind die wesentlichen Prozesse. Genau dort ist der Ort, wo der Schall, der uns so stört, entsteht."
    Der größte Lärm beim Start eines Düsenjets entsteht also nicht im Triebwerk selber, sondern ein paar Meter dahinter. Die Experten kennen auch schon eine Strategie, um diesen Lärm zu mindern: Sie versuchen, die Luftschichten hinter der Düse möglichst rasch zu durchmischen.
    "Die beschleunigte Durchmischung führt dazu, dass es weniger Reibungsflächen gibt. Das kann man erreichen, indem man die Durchmischungsebenen frühzeitig stört, zum Beispiel durch eine gezackte Hinterkante."
    Leise und sparsam
    Chevrons, so heißen diese Zacken am Düsenauslass, die ein wenig so aussehen wie die Dornen einer Rose. Zwar können sie die Luft verwirbeln und den Lärm ein wenig mindern. Allerdings verbraucht das Flugzeug dadurch mehr Treibstoff, weshalb Lars Enghardt nach einer besseren Lösung sucht:
    "Wir wollen alternative Maßnahmen entwickeln, die genauso wirken wie die Chevrons, aber keine Erhöhung des Spritverbrauchs verursachen. Und um diese Maßnahmen bewerten zu können, brauchen wir diese modernen Messverfahren, die wir jetzt in Samurai entwickelt haben."
    Eine dieser neuen Ideen: ein kleines, gezacktes Band, das bereits im Triebwerk die Luft so verwirbelt, dass sie draußen weniger Radau macht.