
Große Verkehrsflugzeuge haben nicht nur große Flügel, sondern am Heck auch große Seitenleitwerke. Sie dienen dazu, das Flugzeug gewissermaßen in der Spur zu halten, wenn starker Seitenwind oder andere einseitige Kräfte auf die Maschine einwirken. Der Deutsche Lutz Taubert arbeitet als Experte für Aerodynamik an der Universität von Arizona:
"Die Größe wird benötigt, um in der Start und Landephase, wenn die Geschwindigkeit am geringsten ist, einen möglichen Ausfall einer Turbine kompensieren zu können. Das heißt, im normalen Flug wird diese Größe überhaupt nicht benötigt, aber produziert entsprechend Widerstand und hat auch ein Gewicht, was getragen werden muss."
Bei hohen Fluggeschwindigkeiten ist schon ein kleiner Ausschlag des Seitenruders wirksam. Im Langsamflug hingegen braucht es viel mehr Fläche, um bei gleicher Auslenkung die nötigen aerodynamischen Kräfte zu entwickeln. Das Ruder einfach weiter auszuschlagen, ist nur eine begrenzte Option. Wird der Anstellwinkel des Ruders zu groß, reißt die daran anliegende Strömung schlagartig ab.
"Dann hat man plötzlich statt einer großen Seitenkraft oder Auftriebskraft nur noch Widerstand, und im Falle eines Flugzeuges hätte es einen totalen Kontrollverlust zur Folge."
Sprit sparen durch aktive Strömungskontrolle
Lutz Taubert arbeitet in einem Forschungprojekt mit, das für dieses Problem nach neuen Lösungen sucht. Auch die NASA und der Flugzeughersteller Boeing sind daran beteiligt. Sie würden gerne bei Flugzeugen die Seitenleitwerke verkleinern, um Sprit zu sparen. Ihr technischer Ansatz dafür: aktive Strömungskontrolle.
"Aktiv - allgemein heißt: Man bringt von außen Energie in die Strömung ein. In unserem Fall bedeutet das, dass wir mit kleinen sogenannten Sweeping Jets arbeiten."
Tests im Windkanal
Sweeping Jets – das sind kleine Düsen, die Druckluft mit hoher Geschwindigkeit ausblasen. Dabei bewegen sie den Strahl auch noch seitlich hin und her, sodass er eine größere Fläche abdeckt. Die Sweeping Jets werden direkt vor das Seitenruder eingebaut und über einen Kompressor mit Druckluft versorgt. Im Langsamflug können sie bei Bedarf zugeschaltet werden und sorgen dann für eine schnellere Umströmung der Ruderfläche. Das verhindert nicht nur, dass die Strömung abreißt, sondern erhöht auch die seitlich wirksamen Steuerkräfte. Wie gut das funktioniert, testeten die Forscher im Windkanal an einem Original-Seitenleitwerk, groß wie sechs Garagentore, das von einer ausrangierten Boeing 757 stammte. Die Ergebnisse hätten die Erwartungen übertroffen, sagt Lutz Taubert.
"Wenn man die Seitenkraft, was im Experiment gemacht wurde, um 50 Prozent erhöhen kann, kann man theoretisch das Ruder um 30 Prozent verkleinern."
Anders gesagt: Statt umgerechnet sechs Garagentoren Leitwerksfläche am Heck reichen auch schon vier. Entsprechend verringern sich der Luftwiderstand und das Gewicht. Kleinere Seitenruder mit aktiver Strömungskontrolle bieten deshalb ein Einsparpotenzial beim Sprit. Laut Simulationsrechnungen liegt es bei einem bis zwei Prozent.
"Das hört sich nicht viel an. Aber man muss wissen, dass bei modernen Verkehrsflugzeugen die Turbinen permanent überwacht werden, nicht vom Flugingenieur an Bord, sondern von der Zentrale irgendwo am Boden, um wirklich das letzte Prozent raus zu kitzeln und die Effizienz zu optimieren. So gesehen sind ein bis zwei Prozent sehr viel."
Testflüge für 2015 geplant
Auf jeden Fall ist es genug, dass Boeing diese Technik weiter verfolgen will. 2015 soll erstmals eine eigens umgebaute Boeing 757 als Erprobungsträger mit Sweeping Jets am Seitenleitwerk zu Testflügen starten. Bis die aktive Strömungskontrolle auch in neuen Modellen für den Alltag der Verkehrsluftfahrt Einzug halten kann, werden aber noch viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte vergehen. Flugzeugbauer sind extrem konservativ, wenn es um die Einführung neuer Techniken geht. Schließlich kann der kleinste Fehler schnell zu großen Katastrophen führen.
