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Folgen der Vogelgrippe
Kaum Freiland-Eier zu Ostern

Wer zu Ostern in manchen Discountern nach Freilandeiern sucht, könnte enttäuscht werden. Durch die ungewöhnlich lang anhaltende Vogelgrippe mit Stallpflicht gibt es weniger Eier der höchsten Qualitätsstufe. Denn ein Freilandei wird zu einem Ei aus Bodenhaltung, wenn die Henne drei Monate nicht den Stall verlassen konnte.

Von Henning Hübert | 12.04.2017
    Legehennen stehen am 10.09.2014 in einem Betrieb für die Produktion von Eiern aus Freilandhaltung in Bergen im Landkreis Celle (Niedersachsen).
    Legehennen in Freilandhaltung in Niedersachsen. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Bio schlägt Käfig, die 0 gewinnt gegenüber der 3: Das gilt zumindest für den Verkauf roher Eier. Dort ist der Aufdruck einer Kennziffer für die jeweilige Haltungsart der Hühner vorgeschrieben. 0 steht für Bio, 1 für Freiland, 2 für Bodenhaltung. Die 3 für Käfighaltung ist in diesem Ostergeschäft aus den Supermarktregalen verschwunden. Tierschützer verbuchen das als Erfolg ihrer Kampagnen. Lea Schmitz, Pressesprecherin vom Deutschen Tierschutzbund:
    "Angefangen hat es ja mit unserm Kampf gegen die Käfighaltung. Da sind wir mittlerweile so weit, dass es sehr zurückgegangen ist. Das heißt: Die letzten Käfige werden wir bis 2025 noch haben. Aber wir haben in diesem Jahr das erste Mal, dass die Anzahl der Hühner in Biohaltung die Zahl der Hühner in Käfighaltung übersteigt. Also man sieht, es geht voran."
    Die Bonner Marktinfo Eier und Geflügel kann den Kundengeschmack genau beziffern: Während nur noch acht Prozent der deutschen Eierproduktion aus Käfighaltung kommt und komplett in die verarbeitende Lebensmittelindustrie wandert, liefern Bio-Hühner aktuell schon jedes zehnte frisch gelegte Ei. Die beiden anderen großen Gruppen sind die Bodenhaltung ohne Auslauf ins Freie - mit fast zwei Dritteln Marktanteil – und die Freilandhaltung – mit inzwischen knapp 20 Prozent. Sie werden vom Verbraucher besonders stark nachgefragt und waren laut der Marktinfo-Stelle schon immer knapp. Und in den vergangenen Monaten wurde die Situation immer schwieriger.
    Aufstallpflicht für Legehennen
    Nicht so sehr wegen steigender Nachfrage nach Ostereiern– sondern vor allem wegen der sogenannten Aufstallpflicht. Wo bei Wildvögeln in der Region das Vogelgrippevirus entdeckt worden war, musste alles Geflügel im Stall bleiben. Auch die Dattenberger Bäuerin Gabi Schmitz hat sich daran gehalten. Ihre 300 Hühner waren seit Weihnachten komplett im Stall. Und drei Monate ohne Auslauf heißt bei der Kennzeichnung: Aus einem Freiland-Ei wird ein Bodenhaltungs-Ei. Erst Anfang April hat das Veterinäramt des Landkreises von Gabi Schmitz die Stallpflicht wieder aufheben können. Ein Schritt, zu dem sich bundesweit inzwischen die meisten Kreise entschlossen haben:
    "Es ist schön, wenn man die Hühner wieder draußen sieht. Das ist man eigentlich gewöhnt, die jeden Tag rein und raus – und jetzt halt lange Zeit konnte man sie nicht raus tun. Sie fangen schon an, zu scharren. Also man sieht, wie die Hühner das genießen."
    Nur wenige Hühner verlassen den Stall nach vierteljähriger Karenz
    Das gilt allerdings nur für die wenigen Hühner, die den Stall auch verlassen, nachdem die Bäuerin die Klappe zum Auslauf nach mehr als einem viertel Jahr hochgeschoben hat. Die Mehrheit nutzt am ersten Tag der Freilandhaltung die Chance auf Auslauf nicht. Die Leiterin des Wissenschaftlichen Geflügelhofs in Rommerskirchen-Sinsteden verwundert das nicht. Für den Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter erforscht Inga Tiemann das Verhalten der Legehennen. Sie kennt die Untersuchungen zum Freiheitsdrang der gängigen Rassen:
    "Von Freilandeiern waren 50 Prozent der Hennen nie draußen. Weil sie das genetisch nicht mit sich bringen. Das Verhalten ist so, dass sie nicht raus wollen. Es ist ja nicht schlecht fürs Tier. Es ist nur schwierig für mich in meinen Augen zu vermarkten, wenn man davon ausgeht, dass alle Tiere auf der grünen Wiese leben. Das ist nicht so."
    Hühner wollen sich stattdessen unter Gebüsch verstecken können und vor allem erhöhte Nester und Schlafpositionen einnehmen. Das ermöglicht ihnen, wenn auch in drangvoller Enge, Stempelnummer 2, die Bodenhaltung. Die ist eigentlich eine Lufthaltung. Denn anders als ihr Name nahelegt, leben viele Tiere in großen, hohen Ställen - auf mehreren Volieren-Etagen übereinander. Diese Haltung ist inzwischen das Rückgrad der deutschen Eierindustrie – auch und gerade für das Ostergeschäft. Und die jetzt an vielen Orten gegebene Entwarnung bei der Vogelgrippe kommt etwas zu spät für volle Regale mit den angesagten Freilandeiern.