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Folgen des Kita-Streiks
Mit dem Kind ins Büro

Bildschirm statt Bauklötze heißt es für viele Kinder während des Kita-Streiks. Denn ihre Eltern müssen sie mit zur Arbeit ins Büro mitnehmen. Wie der Arbeitstag für Kind, Eltern, Kollegen und Arbeitgeber aussieht, zeigt ein Beispiel aus Bremen.

Von Franziska Rattei | 04.06.2015
    Ein Vater arbeitet mit seinem Sohn auf dem Arm an einem Computer
    Viele Eltern müssen während des Kita-Streiks ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen. (imago / Westend61)
    Benjamin Moldenhauer sitzt an seinem Schreibtisch beim Sozialen Friedensdienst in Bremen. Er arbeitet dort halbtags und erledigt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Verein. Sein Sohn Florian, vier Jahre, geht normalerweise in die Kindertagesstätte, aber seitdem die Erzieherinnen streiken, ist nichts mehr "normal". Jeder Tag muss neu organisiert werden: An manchen Tagen kann Moldenhauers Frau auf Florian aufpassen – auch sie arbeitet halbtags. Manchmal bringt der Vater seinen Sohn auch bei den Großeltern, bei Freunden oder anderen Eltern unter. Aber zwei- oder dreimal die Woche muss der Vierjährige auch mit ins Büro.
    Benjamin Moldenhauer:
    "Bei Besprechungen geht das ganz gut, weil er dann eben im selben Raum spielt oder sich auch im Haus rumtreibt, das hier erkundet. Wenn ich jetzt Schreibarbeiten habe, längere Texte schreiben muss – das habe ich dann tatsächlich in die Abende verlegt und hab eben seit Streik-Beginn einige Nachtschichten, in denen ich das dann übernehme."
    Der Vater hält diese Situation noch für vergleichsweise komfortabel. Er kennt auch Eltern, die ihr Kind auf keinen Fall mitnehmen können. In großen produzierenden Unternehmen etwa ist es oft einfach zu gefährlich für die Kleinen. Manche Firmen bieten deshalb Kompromiss-Lösungen an: Laptops für zu Hause oder besonders flexible Arbeitszeiten. Manche Eltern bitten auch um unbezahlten Urlaub, weil die Überstunden schon alle abgebummelt und die Urlaubstage genommen sind. – soweit ist es bei Benjamin Moldenhauer noch nicht, aber ein Kind im Büro ist auch keine Dauerlösung; sagt auch Birgit Pfeiffer, die Chefin des 35-Jährigen.
    Unterstützung aller Kollegen gefragt
    "Florian kommt vor allem mit, wenn wir Besprechungen haben. Da gibt's sehr unterschiedliche Erfahrungen. Das eine Mal war das toll, völlig problemlos, und beim nächsten Mal hab ich gedacht: Ah, das stört meine Konzentration schon, wenn Florian rein- und rausrennt und wichtige Fragen mit seinem Papa klären muss. Dann ist das schon eine große Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit aller Beteiligten, klar. "
    Unterstützung aller Kollegen im Büro
    Grundsätzlich – sagt sie – wolle man dem Kollegen natürlich helfen in seiner misslichen Lage. Allerdings ist die Leiterin der Freiwilligen-Agentur, die mit zum Friedensdienst gehört, auch ein bisschen hin- und hergerissen. Schließlich nehme man mit solchen Angeboten ja auch Druck aus dem Kita-Streik. – Florian Moldenhauer bekommt von solchen Zweifeln nichts mit. Er fühlt sich wohl im Büro des Vaters und besucht gerade einen Kollegen ein Stockwerk tiefer: Normalerweise kümmert der sich um Jugendliche im Freiwilligendienst. Heute spielt er ein paar Minuten lang Schreibtisch hoch- und runterfahren mit Florian.
    "Aiaiai, - rums – Verluste gibt's immer, immer weiter drücken. Der Tisch ist ja jetzt höher als du! Noch mal runterfahren lassen?"
    Drei Wochen geht das jetzt schon so. Florian quatscht mit den Kolleginnen und Kollegen im Büro, spielt Fußball im Hof oder malt:
    "Und mehr mach ich hier nicht. Ist gar nicht langweilig."
    Die Kindertagesstätte vermisst er aber doch. Jetzt, während des Streiks, kann er seine Freunde seltener sehen. Und die Erzieherinnen fehlen ihm auch.
    "Ja, weil die so nett sind. Die Kita find ich besser, weil da so schöne Spielzeuge sind, so schöne Decken."
    Verdiensteinbuße für den Vater
    Keine Frage – auf Dauer kann Florian nicht mitkommen ins Büro. Aber solange der Streik dauert, trägt Benjamin Moldenhauer ihn mit.
    "Es ist mir unheimlich wichtig, dass dieser Streik Erfolg hat. Immer mit der Ergänzung, dass wir hier in einer vergleichsweise komfortablen Situation sind: Kind mit im Betrieb, Großeltern in der Nähe, Netzwerk von Freunden und Bekannten."
    Die Verdienst-Einbußen, die er hat, weil er während des Streiks nicht auch noch freiberuflich arbeiten kann, nimmt er in Kauf. Allerdings hofft er auch, dass die Gewerkschaften sich erkenntlich zeigen für seine Solidarität. Ein Konzept für die Kinderbetreuung in den Sommerferien etwa wäre schön. Und grundsätzlich mehr Information. Schließlich sind die Eltern doch diejenigen, die den ganzen Druck abbekommen haben.