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Fontane auf der Seebühne

Bütow, Treskow, Buskow, Kränzlin und Bechlin - so klingen die Namen von Dörfern im Fontane-Land Brandenburg. Um den Dichter zu ehren und die Kulturlandschaft zu beleben, hat man dort das Seefestival Wustrau gegründet. Seit 2005 kommen dort jährlich 6000 bis 8000 Besucher hin. Nach einem Stück über Effi Briest im letzten Jahr, geht es diesmal um eine andere Fontane-Figur namens Oceane. Für sie wurde sogar extra eine Bühne in den See gebaut.

Von Hartmut Krug |
    Mit Musik von Pink Floyd in der Einspielung des Royal Philharmonic Orchestra beginnt auf der Seebühne von Wustrau die Uraufführung eines Romanfragments von Theodor Fontane. Am Ruppiner See, kaum dreißig Kilometer vor Rheinsberg, liegt am einen Ende Fontanes Geburtsort Neuruppin, am anderen gibt es drei Dörfer und einstige Rittergüter. Hier atmet alles preußische Geschichte: Fehrbellin ist nicht weit, in Karwe residierten die Knesebecks, im Wustrauer Schloss die Zietens, deren berühmtester der preußische Reitergeneral Hans Joachim von Zieten mit seinem Husarenregiment war. Heute dient das Wustrauer Schloss als Richterakademie, und nebenan hat ein Privatbankier ein Brandenburg-Preußen Museum errichtet. Der an dieser Stelle enge See bietet eine romantische Naturkulisse für ein wagemutiges Festival, das nun im dritten Jahr mit Fontanes Texten sein Publikum zu finden sucht. Der Schauspieler Marten Sand von der Festivalleitung:

    " Als wir angefangen haben, haben wir als erstes die Seeschlacht, die der Theodor Fontane aufgeschrieben hat - zwischen Karwe und Wustrau - umgesetzt und haben gesagt, wenn es Neuruppin nicht schafft, Fontane-Festspiele zu etablieren, dann machen wir es eben in Wustrau, und haben gesagt, wir werden immer Stoffe suchen, die mit Fontane zu tun haben, mit dem Heimatdichter hier, und haben voriges Jahr ja eine Eigenproduktion gemacht, "Effi Briest", auch vor dem Schloss. Und für mich stand schon immer fest: wenn ich schaffe, eine Seebühne hinzukriegen, dann werde ich dieses Fragment weiter bearbeiten, weil es einfach inhaltlich sehr gut zusammen passt."

    Die aus drei Pontons zusammengesetzte Seebühne, die 25 x 10 Meter groß ist und etwa 20 Meter vor dem Schlossufer schwimmt, ist die neue Attraktion des Seefestivals. Fünfhundert Zuschauer fanden am Schlossufer Platz bei der Uraufführung von Fontanes Fragment "Oceane von Parceval". Die Titelfigur ist ein Frauentyp, der Fontane zwischen 1878 und 1897 immer wieder beschäftigt hat und ihn augenscheinlich gleichermaßen faszinierte wie ängstigte. Unter dem Namen Melusine taucht er noch dreimal in Fragmenten und dem Roman "Der Stechlin" auf. Im "Oceane-"Fragment, das mehr philosophierend denn beschreibend daherkommt, wird sie von Fontane, vom Schauspieler Hans Teuscher gesprochen, so charakterisiert:

    " Oceane von Parceval ist eine moderne Melusine. Sie hat Liebe, aber keine Trauer. Der Schmerz ist ihr fremd. Alles was ihr geschieht, wird ihr zum Bild. Und ihre Sehnsucht nach Herzensteilnahme mit den Schicksalen der Menschen wird ihr selber zum Schicksal."

    Die Aufführung beginnt vor dem Schloss mit dem "Vorspiel auf dem Theater" aus Goethes Faust, dann wandert man zum Wasser hinab, und während am Ufer drei Männer über Oceane philosophieren, liefert Sabine Reinhard, ehemalige Solotänzerin der Komischen Oper Berlin mit einer kleinen Ballettgruppe auf der Seebühne die emotionale Grundierung von Fontanes philosophierenden Texten. Die Choreographin Gesine Ringel:

    " Ja, diese Kulisse auf dem Ruppiner See mit der Seebühne war für uns die Basis für großes Bildertheater. Wir wollten atmosphärische Bilder schaffen, und das ist natürlich über den Tanz und über die Körpersprache besonders gut möglich."

    Es ist eine Aufführung, die gleichermaßen von der Sprechkunst Hans Teuschers wie den Tanzbildern lebt. Oceane wird in dieser Aufführung zu einer Frau, die, anders als bei Fontane, als Außenseiterin an Kirche und Gesellschaft scheitert. Regisseur Marten Sand:

    " Wir haben ja versucht, daraus ein Theaterstück in irgendeiner Form hinzukriegen. Da musste ich auch noch ein paar dramatische Elemente mit einflechten lassen. Zum Beispiel, dass der Doktor Felgentreu, was ja auch im Fragment nicht ist, ein Verhältnis mit Oceanes Mutter hatte, das hab ich aus dem "Stine", glaube ich, genommen. Also, ich hab einfach versucht, da eine rundere Geschichte draus zu machen: nachvollziehbar, was alles passiert sein könnte."

    Wenn am Schluss Oceane ins Wasser gegangen ist, werden von einem Ruderboot brennende Papierschiffchen ins Wasser gesetzt, dann aber setzt ein Feuerwerk den Schlusspunkt für eine Aufführung und ein Festival, die auf überzeugende Weise ihren künstlerischen Weg zwischen darstellender Kunst und Event zu finden verstehen.