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Forscher können Häufigkeit von Klimaextremen berechnen

Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben untersucht, wie Wetterextreme und die Erderwärmung zusammenhängen. So sei die Hitzewelle von Moskau im Sommer 2010 zu 80 Prozent eine Folge der klimatischen Erwärmung gewesen, sagt Stefan Rahmstorf.

Stefan Rahmstorf im Gespräch mit Georg Ehring | 25.10.2011
    Georg Ehring: Ist das schon der Klimawandel? Diese Frage kommt mit großer Regelmäßigkeit, wenn es im Sommer mal ein paar Wochen lang heiß ist, wenn es wochenlang immer wieder regnet, oder wenn ungewöhnliche Stürme durchs Land fegen. Genauso sicher kommt bei einer Kältewelle im Winter die Frage, ob der Klimawandel nicht doch ausfällt. Klimaforscher haben hier bisher gern abgewunken, Einzelereignisse seien eben Wetter und noch nicht auf den Klimawandel zurückzuführen, heißt es dann regelmäßig. Da lässt eine Veröffentlichung aufhorchen, die gerade in eine Zeit mit völlig unauffälligem Wetter platzt. Danach kann eine Hitzewelle, also etwa die, die im vergangenen Jahr im Sommer in Russland das Wetter bestimmte, doch konkret als Folge des Klimawandels identifiziert werden. Autor ist Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Guten Tag, Herr Professor Rahmstorf!

    Stefan Rahmstorf: Guten Tag, Herr Ehring.

    Ehring: Wie sicher können Sie sich denn da sein?

    Rahmstorf: Was die Hitzewelle in Moskau im vergangenen Jahr angeht, sind wir 80 Prozent sicher, dass es eine Folge der klimatischen Erwärmung war. Ihre Anmoderation war übrigens nicht ganz korrekt, aber ein sehr typisches Missverständnis, was entsteht, denn Sie haben gesagt, die Klimaforscher hätten in der Vergangenheit gesagt, eine bestimmte Hitzewelle sei nicht auf den Klimawandel zurückzuführen. Was wir immer gesagt haben ist, wir können diese Frage nicht beantworten. Das wird in der Öffentlichkeit dann oft tatsächlich so verstanden, als sei es nicht auf den Klimawandel zurückzuführen, aber das ist so, wie wenn sie einen Würfel haben und der ist gezinkt und würfelt doppelt so viel Sechser wie ein normaler Würfel und sie würfeln eine einzelne Sechs, dann können sie nicht sagen, ob diese jetzt darauf zurückzuführen war, dass der Würfel gezinkt ist, oder ob die sowieso gefallen wäre.

    Ehring: Aber jetzt hat sich das ja offenbar geändert. Jetzt können Sie das ausrechnen. Wie machen Sie das denn?

    Rahmstorf: Ja. Wir können nur statistische Aussagen machen. Das heißt, für die Hitzewelle in Moskau können wir zeigen, dass der Würfel praktisch so gezinkt ist, dass er fünfmal so viele Sechser würfelt wie ein normaler Würfel, sodass es bei einer einzelnen Sechs, also dieser einzelnen Hitzewelle, eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit gibt, dass sie ohne den Klimawandel nicht aufgetreten wäre.

    Ehring: In Westeuropa gab es ja im Jahr 2003 ein ähnliches Ereignis. Hatte da auch der Klimawandel seine Hand im Spiel?

    Rahmstorf: Richtig. Das haben auch schon Kollegen aus Großbritannien vor einigen Jahren gezeigt, in einer Studie mit einer ganz anderen Methodik, aber mit einem ähnlichen Ergebnis. Sie kamen damals zum Schluss, dass eine derartige Hitzewelle aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels schon viermal häufiger geworden ist, und das ist eben sehr ähnlich wie für die Moskauer Hitzewelle, finden wir, fünfmal häufiger als in einem unveränderten Klima.

    Ehring: Nun ist ja der Klimawandel nicht nur eine Häufung von Hitzewellen; es gibt ja auch andere Wetterkatastrophen, zum Beispiel die Überschwemmung, die derzeit in Thailand stattfindet. Kann man denn solche Ereignisse auch mit dem Klimawandel ganz konkret inzwischen in Zusammenhang bringen?

    Rahmstorf: Da wird intensiv dran gearbeitet. Es spricht natürlich einiges dafür, weil zum Beispiel die grundlegende Physik schon besagt, dass in einem wärmeren Klima die Luft mehr Luftfeuchte aufnehmen kann und dann bei entsprechender Wetterlage auch abregnen kann, sodass eben vieles dafür spricht, dass ein wärmeres Klima zu häufigeren Starkniederschlägen und Überschwemmungen führt.

    Ehring: Jetzt steht der Winter bevor. Kann man denn wenigstens sagen, dass extreme Kälte dadurch auch deutlich seltener wird?

    Rahmstorf: Generell weltweit kann man das sicherlich sagen. Bei Europa haben wir eine Sondersituation, die wir in den letzten Jahren beobachten, und zwar zeigen hier sowohl die Daten als auch Modellrechnungen, dass durch den Eisschwund in der Arktis, insbesondere in der Barentssee, dort eine Luftdruckverteilung entsteht, die gerade arktische Kaltluft bevorzugt nach Europa hineinschaufelt, sodass wir dann, wie mehrfach in den vergangenen Jahren, in Europa sehr kalte Winter kriegen, in Grönland ist es dafür dann extrem warm. Man kann sich also bei uns hier nicht darauf verlassen, dass durch den Klimawandel jetzt kältere Winter seltener werden, sondern das Gegenteil könnte sogar der Fall sein.

    Ehring: Herzlichen Dank! – Das war Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.