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Forschung für kleines Geld

An der Universität Hamburg arbeiten zwölf langzeitarbeitslose Wissenschaftler als Ein-Euro-Jobber an Forschungsprojekten. Für 30 Stunden in der Woche bekommen sie im Monat 210 Euro ausgezahlt - zusätzlich zum Hartz IV-Geld. Studenten, manche Lehrkräfte und der Personalrat befürchten nun, dass durch diese Billigjobs studentische Hilfskräfte und andere Angestellte verdrängt werden könnten.

Von Christiane Glas |
    Am Institut für Sozialwissenschaften arbeiten drei langzeitarbeitslose Wissenschaftler im Alter zwischen 35 und 60 Jahren in so genannten "Aktiv-Jobs". An einem Forschungsprojekt über Lebenssicherheit sind sie beteiligt - für einen Euro die Stunde. Eine vierte Stelle könnte, so eine Stellungnahme des Direktors Sebastian Scheerer, noch besetzt werden.

    "Das finde ich nicht in Ordnung, das ist eine tierische Unterbezahlung. Ich finde, dass Wissenschaftler, die eine hohe Qualifikation haben, nicht mit solchen Jobs abgespeist werden sollten."

    Renè studiert im sechsten Semester Soziologie und ist Mitglied im Fachschaftsrat. Er sieht die Billigjobs für Wissenschaftler ebenso kritisch wie die Personalrätin der Uni Hamburg, Ulrike Seiler. Minijobs sollen, so steht es im Gesetz, gemeinnützig sein und feste Stellen nicht gefährden, also zusätzlich sein:

    "Wir sehen, dass es sehr schwierig ist, die Zusätzlichkeit […] verdrängt werden."

    Von Verdrängung oder Gefährdung von Arbeitsplätzen könne nicht die Rede sein, entgegnet der Prodekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften, Rolf von Lüde. Es gäbe sowieso keine Mittel, um reguläre Stellen zu schaffen. Also sei kein einziger Job von wissenschaftlichen Mitarbeitern oder studentischen Hilfskräften gefährdet. In jedem Fall sei es aber für die Betroffenen besser, sie in die Beschäftigung zu holen, als sie davon auszuschließen:

    "Sie arbeiten in Drittmittelprojekten und sie tun es freiwillig, um sich für den ersten Arbeitsmarkt qualifizieren zu können. "

    Aber – die Statistik beweist es – der Weg vom zweiten in den ersten Arbeitsmarkt ist schwer. Für langzeitarbeitslose Klempner genauso wie für Wissenschaftler:

    "Ich weiß bis jetzt nur von einem einzigen Fall von einhundert Leuten, dass es geklappt hat."

    Der ASTA der Uni Hamburg ist wissenschaftlichen Ein-Euro-Jobbern gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. Trotzdem will er mit der Universitätsleitung über eine Kontrollstelle für Niedriglohn-Stellen verhandeln. Asta-Sprecher Torsten Hönisch:

    "Die, wenn neue Stellen geschaffen werden fragen sollen: Findet Verdrängung statt? Clearing-Stellen sind genau die richtigen Instanzen dafür."

    Kontrolle und Transparenz in Sachen Minijobs, das wollen nicht nur Asta und Personalrat. Auch das Sozialwissenschaftliche Dekanat möchte die Gemüter beruhigen und Kontrollmechanismen erarbeiten. Auch an anderen deutschen Universitäten ist das Ein-Euro-Thema, bisher allerdings nur in Einzelfällen aktuell. Der Asta Hamburg plant, Kontakt zu deren Studentenvertretungen aufzunehmen, um den Umgang mit Billig-Jobs langfristig einheitlich zu gestalten.