Donnerstag, 28. März 2024

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Fotoausstellung in Köln
Starke Motive zu Flower-Power und Black Panther

Die einen posieren mit Gewehren, die anderen feiern eine Schlammparty: Das Ehepaar Pirkle Jones und Ruth-Marion Baruch fotografierten in den 60er-Jahren so unterschiedliche Gruppen wie die Hippies und die schwarzen Bürgerrechtler. Eine Ausstellung im Museum Ludwig zeigt: Ihre Bilder sind heute aktueller denn je.

Von Berit Hempel | 05.02.2018
    Wayne mit seinem Papagei (Normal-Norman Carlin, Michael Scott in der Mitte und unbekanntem Mann rechts, #10, Gate Five, Sausalito, CA, aus: Gate Five, 1969–1971), 1970 Schenkung Pirkle Jones Foundation
    Wayne mit seinem Papagei (© Pirkle Jones Foundation / Pirkle Jones)
    Diese Hymne auf schwarzes Selbstbewusstsein singt James Brown 1968, in dem Jahr, in dem Martin Luther King ermordet wurde. Zur selben Zeit feiern Hippies freien Drogenkonsum und freie Liebe, während sich die sozialistische Black-Panther-Bewegung wehrhaft mit Fahnen präsentiert, mit Barrett und Lederjacke.
    Das Ehepaar Pirkle Jones und Ruth-Marion Baruch zog durch San Francisco und hielt in schwarzweißen Fotos fest, was die Massenmedien damals nicht zeigten: selbstbewusste Afroamerikaner, die sich organisieren und sich im Extremfall mit Waffengewalt gegen rassistische Angriffe wehren. Barbara Engelbach, Kuratorin im Museum Ludwig in Köln:
    "Man hatte dann in den Massenmedien das Bild des wehrlosen Afroamerikaners als Opfer. Und die Frage, die sich die Black Panthers gestellt haben, war: Ist es wirklich Empathie, die diese Fotografien provozieren oder ist das nicht eher so, dass das weitere Gewalt provoziert? Und dagegen wollten sie ein Gegenbild stellen."
    Rufe nach Gerechtigkeit
    Eine junge Afroamerikanerin in ärmellosem Kleid posiert mit einem Gewehr in der Hand. Zwei Aktivisten der Black Panther diskutieren auf einer Parkbank miteinander. Schwarze Demonstranten recken die Fäuste in die Höhe und skandieren Parolen.
    Man meint sie fast zu hören, die Rufe nach Gerechtigkeit. Offiziell war die Rassentrennung in Amerika zwar seit vier Jahren abgeschafft. Doch die Realität sah anders aus. Davon erzählen auch die Musiktitel, die in der Kölner Ausstellung aufs Smartphone geladen werden können und die die Sängerin Nina Simone zum Beispiel von einer kämpferischen Seite zeigen. Barbara Engelbach:
    "Es ist explizit politisch - und sie singt da diese gottverdammte Land mit den gottverdammten Diskriminierungen, Separatismus, wo eben Kinder sterben, Polizei mordet, also sozusagen der Staat eine rechtlose Situation im Grunde genommen herstellt. Es ist ein sehr, sehr starkes Protestlied."
    Stand der Black Panthers beim BlackFestival in Marin City, Kalifornien, aus einem Foto-Essay über die Black Panthers, 1968, Schenkung Pirkle Jones Foundation
    Stand der Black Panthers beim BlackFestival in Marin City, Kalifornien (© Pirkle Jones Foundation / Ruth-Marion Baruch)
    Illegale Hausdurchsuchungen und Verhaftungswellen bestimmen das gesellschaftliche Klima, gegen das sich die Black Panther zur Wehr setzen.
    Neben den organisierten Mitgliedern der Black Panther-Bewegung füllten auch die Hippies die Straßen an der Westküste, die auf ihre Art, mit experimentellen Lebensformen, neuartiger Musik und bewusstseinserweiterten Drogen auf gesellschaftlichen Druck, Kapitalismus und Vietnamkrieg reagierten.
    "Das war eine gemeinsame Erfahrung, die gemacht wurde, und weswegen es auch eine wechselseitige Solidarität gab, eine wechselseitige Unterstützung. Aber man sieht natürlich schon, dass dieser praktizierte Hedonismus, Drogenkultur, das war dann etwas, was Menschen mehr erreicht hat, die sonst vielleicht keine Probleme hatten, um es mal so zu formulieren."
    Fotohistorische Bedeutung
    Das Fotografenehepaar Jones und Baruch zeigt das gemeinschaftliche Leben in übervoll geschmückten Hausbooten zwischen Fransentüchern, auf der Schulter ruhenden Papageien und Schlammparties – gesellschaftliche Veränderung wird in der Praxis gelebt und mit der Musik im Ohr für den Ausstellungsbesucher nachvollziehbar.
    Man ist so gefangen von den starken Motiven zu Flower-Power und vor allem zu Black-Panther, dass die künstlerische Bedeutung der Fotos schon fast in Vergessenheit gerät. Was fatal wäre, denn:
    "Es ist in der Tat so, dass diese Fotografien sowohl zeithistorisch bedeutsam sind und aber auch fotohistorisch, weil sie eben vermitteln, wie die Dokumentarfotografie über die 30er, 40er und dann auch 60er-Jahre, 70er-Jahre eine ganz, ganz große Rolle spielt in der amerikanischen Fotografie, Street Photography, Straight Photographie. Und das etwas ist, was dann von der Kunst aufgenommen wird. Das ist der Beginn einer Fotografie, wo die Unterscheidung zwischen angewandter und freier Kunst nicht mehr gemacht wird."
    Die Ausstellung mit Analogfotografie und Motiven aus den 60er-Jahren ist nur auf den ersten Blick eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten. Denn gerade vor dem Hintergrund der Black-Lives-Matter-Bewegung - der Gegenreaktion auf die Ermordung von Afroamerikanern durch weiße Polizisten in den USA - besitzen die Bilder von damals eine traurige Aktualität.