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Fotografie im Lockdown
"Da ist plötzlich diese Absenz, diese Leere, diese Stille"

Zu Beginn der Pandemie hatte Johannes Röll, Leiter der Fotothek der römischen Bibliotheca Hertziana, fünf Fotografen beauftragt, in Rom und Neapel während der Ausgangssperren Bilder zu machen. "Wir kennen diese Plätze nur bevölkert, nur belebt", sagte er im Dlf. Das mache die Spannung der Serie aus.

Johannes Röll im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Außenansicht des favischen Amphitheaters von Nordosten.
Kolosseum Rom (Marcello Leotta / Fotothek der Bibliotheca Hertziana)
Die italienische Bevölkerung war die erste in Europa, die massiv von der Pandemie und von Ausgangssperren betroffen war. Knapp 100.000 Menschen sind an Covid 19 gestorben. Die Bilder, die letztes Jahr aus Bergamo um die ganze Welt gingen, als das Militär mit dem Abtransport der Leichen kaum noch hinterherkam, wirken bis heute nach.
Es gab aber auch andere Bilder: Bilder der Leere, bedingt durch den Lockdown. Zu den wenigen Berufen, die außerhalb der Wohnung ausgeübt werden durften, gehörten die der Fotografen. Die Bibliotheca Hertziana in Rom, das Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, zeigt diese Lockdown-Fotografie nun auf seiner Website. Johannes Röll, Leiter der Fotothek, erklärt, dass es für die Fotografen zunächst eine völlig neue Situation gewesen sei. Man musste niemanden bitten, zur Seite zu treten, die Städte, ihre Straßen und Plätze waren einfach leer in dieser Ausnahmesituation:
"Wir wollten die Monumente endlich einmal so fotografieren, wie wir sie aus Aufnahmen des späten 19. Jahrhunderts beispielsweise kennen. Die Spanische Treppe, das Pantheon, das Kolosseum allein, ohne Menschen, ohne Autos, ohne Werbung, ohne Trubel außen herum. Und diese wissenschaftliche Dokumentationsfotografie ist zunächst einmal emotionslos und sie kommt ohne Kommentar an. Und durch das Wörtchen "Lockdown" ergibt sich dann eine ganz andere Wirklichkeit, weil wir bestimmte Ereignisse, die sich während dieser Zeit auch abgespielt haben, tatsächlich in uns tragen."

Ästhetisierung des Stillstands

Johannes Röll erinnert an die Bilder der Krankenhäuser, der Toten, der Transporte, die wir eben heute auch mit dieser Zeit des ersten Lockdowns in Italien verbinden. "Dokumentationsfotografie im Lockdown" nennt Röll dieses Fotografieprojekt, das Städte wie leere Bühnen, wie Zeichnungen aus der Renaissance zeigt. Natürlich lieben auch viele Menschen diese Vorher-Nachher Bilder, die immer einen Vergleich ermöglichen, meint Röll.
"Wir kennen diese Plätze nur bevölkert, nur belebt. Der Trevi-Brunnen das Kolosseum. Das sind eben die Touristenmagneten im Herzen von Bella Italia, dem Land der Sehnsucht und der blühenden Zitronenbäume. Und da ist plötzlich diese Absenz, diese Leere, diese Stille. Das ist etwas, das wir mit unseren Emotionen und unseren Erfahrungen in irgendein Gleichgewicht zu bringen versuchen. Und das macht eben diese Spannung von dieser Serie von Fotografien aus.
Überdauert die Architektur auf gespenstische Weise die Menschen? Auf diese Idee könnte man kommen, wenn man die Bilderserie betrachtet.