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"Fracking nicht ermöglichen, sondern einschränken"

Die Bundesregierung möchte Fracking gesetzlich einschränken, sagt Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). In Trinkwassergebieten solle die Schiefergasförderung grundsätzlich verboten werden. Mit einem Boom der Bohrmethode sei in Deutschland aber sowieso nicht zu rechnen.

Peter Altmaier im Gespräch mit Jasper Barenberg | 11.02.2013
    Jasper Barenberg: Für die einen ist Fracking ein Schreckenswort. Mit dieser Bohrtechnik wird das Grundwasser mit giftigen Chemikalien verseucht, mit Metallen und mit radioaktiven Stoffen, sagen Umweltverbände, sagen Bürgerinitiativen und warnen sogar vor Erdbeben. Für andere dagegen verheißt die Bohrmethode vor allem Eines: gute Gewinne, Arbeitsplätze und billige Energie. Am Telefon begrüße ich den Bundesumweltminister. Schönen guten Morgen, Peter Altmaier!

    Peter Altmaier: Guten Morgen!

    Barenberg: Wir haben es ja gerade gehört, das Umweltbundesamt spricht von einem hohen Gefährdungspotenzial. Warum wollen Sie diese Technik in Deutschland trotzdem möglich machen?

    Altmaier: Nein, wir wollen sie gar nicht möglich machen, sondern wir wollen die bisherige Rechtslage deutlich einschränken. Insofern waren auch anderslautende Meldungen am Wochenende schlicht falsch. Wir haben, gemeinsam mit dem Umweltbundesamt in den letzten Monaten Gutachten in Auftrag gegeben, wir haben gemeinsam mit dem Bundesumweltamt darüber gesprochen, auf Workshops, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Und ich werde in den nächsten Wochen gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen daraus erste Konsequenzen ziehen. Das heißt, wir werden klarstellen - das ist bisher nicht der Fall - dass Fracking in Trinkwasserschutzgebieten grundsätzlich verboten ist, und wir werden für alle anderen Regionen wesentlich strengere Voraussetzungen im Planungsrecht aufnehmen. Das betrifft die Umweltverträglichkeitsprüfung, die zwingend notwendig ist. Im Übrigen sehe ich auf absehbare Zeit nicht, dass irgendwo in Deutschland Fracking zur Anwendung kommt oder kommen kann. Wie Sie wissen, haben wir auch derzeit keine Bereiche, wo gefrackt wird, obwohl die rechtliche Situation wesentlich großzügiger ist, als sie nach unserer Gesetzesänderung sein wird. Es ist so, dass ich auch dringend empfehle, allen Beteiligten, in der nächsten Zeit keine Anträge zu stellen, weil wir zunächst einmal wissen müssen, welche Flüssigkeiten überhaupt verwandt werden, welche Eigenschaften die haben, wie Gefahren reduziert werden können. Also die Botschaft ist: Wir wollen das Fracking einschränken, wir wollen es nicht ermöglichen.

    Barenberg: Wie müssen wir dann den FDP-Experten Michael Kauch verstehen, der sagt, es gebe ideologische Vorbehalte, ideologische Verbote, die wir uns nicht leisten können, denn Fracking soll Teil der Energieversorgung in Deutschland sein. Das zielt doch in eine ganz andere Richtung als das, was Sie jetzt gerade gesagt haben.

    Altmaier: Nein, der Kollege Kauch hat sich über langfristige Perspektiven ausgesprochen. Ob und wann es dazu kommt, wird davon abhängen, was die weiteren Untersuchungen und Studien ergeben. Ich kann jedenfalls sagen, ich habe selbst mit dem Kollegen Kauch telefoniert und mit ihm darüber gesprochen. Die Koalitionsfraktionen haben sich geeinigt, und unsere Botschaft ist ganz klar: Wir wollen Lücken im Gesetz schließen und wir wollen dafür sorgen, dass in bestimmten Bereichen Fracking generell und grundsätzlich ausgeschlossen wird.

    Barenberg: Und das heißt im Umkehrschluss auch, dass erst noch jahrelang geforscht werden muss, untersucht werden muss, bevor das überhaupt eine Option werden kann?

    Altmaier: Es ist so, dass wir ja im Augenblick nirgendwo in Europa Fracking-Aktivitäten in größerem Umfang haben, weil sich überall die gleichen Probleme und die gleichen Fragezeichen ergeben. Und deshalb tun wir gut daran, dass wir diese Frage ohne Zeitdruck klären und dass wir dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit umfassend beteiligt und eingebunden wird. Das wird, so weit ich das absehe, noch eine ganz geraume Zeit dauern. Und alles andere kann im Augenblick niemand verlässlich vorhersagen.

    Barenberg: Das heißt auch, dies vielleicht zum Schluss, Herr Altmaier, dass, wenn man alle Sorgen und Befürchtungen, was die Gefährdung des Grundwassers angeht, den Schutz von Trinkwassergebieten, dass alles darauf hinausläuft, dass von einem Boom, wie er derzeit aus den USA berichtet wird und woran sich viele Hoffnungen knüpfen, dass wir davon in Deutschland weit entfernt sind. Denn Auflagen heißen ja auch immer, dass es an viel weniger Orten als theoretisch möglich dann durchführbar wäre.

    Altmaier: So ist es. In den USA wird es vor allen Dingen in unbewohnten Gebieten gemacht. In Deutschland sind fast alle Gebiete bewohnt. Und deshalb kann, jedenfalls auf absehbare Zeit, von einem solchen Boom in Deutschland nicht die Rede sein. Und das wissen auch alle Beteiligten, und das ist gut so.

    Barenberg: Der Bundesumweltminister heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke, Peter Altmaier, für das Gespräch!

    Altmaier: Ich danke Ihnen!

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