Archiv


Fragen zum Akkreditierungsrat

Ohne den Akkreditierungsrat werden in Deutschland keine Studiengänge im Sinne des Bologna-Prozesses zertifiziert. Der Rat sorgt aber nicht nur dafür - Fragen und Antworten mit Blick auf die Bildungsproteste der letzten Wochen.

    Ulrike Burgwinkel: Zunächst aber Karl-Heinz Heinemann. Ein Stück Aufklärung: Der Akkreditierungsrat – wie ist eigentlich sein Bezug zum Bildungsstreik?

    Karl-Heinz Heinemann: Na ja, der hat eine ganze Menge mit den Zielen des Bildungsstreiks zu tun, denn, sagen wir mal, die ganze Umsetzung der Bologna-Reform läuft über ihn. Das heißt, der Akkreditierungsrat muss im Auftrag von Kultusministern und Hochschulrektoren gucken, ob die Studiengänge, die nun eingeführt werden, den Kriterien entsprechen, die die aufgestellt haben, also einmal diese internationalen Kriterien, aber auch eben die Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz – wie lang das ist, ob die Module alle richtig angeordnet sind und ob die alle abgeprüft werden und wie die Workloads in Punkte umgerechnet werden und so weiter und so fort. Also, der ganze bürokratische Wust, der nun kritisiert wird daran, der wird vom Akkreditierungsrat umgesetzt, nicht direkt, sondern der akkreditiert ja die Agenturen und achtet darauf, dass die Agenturen ihrerseits das schön nach dem Papier richtig machen.

    Burgwinkel: Was ist denn das Hauptproblem, Herr Heinemann, aus Sicht der Hochschulen? Es ist ja wohl so, dass die Lehrenden sich im Moment immer mehr auch hinter die Lernenden stellen, heute zum Beispiel die Präsidenten der führenden Technischen Universitäten Deutschlands. Die haben gesagt: Mensch, ihr habt recht, lasst euch nicht unterkriegen, macht weiter so, wir stehen zu euch.

    Heinemann: Na ja, das Hauptproblem aus Sicht der Hochschulen ist die enorme Bürokratisierung, die damit einhergeht. Eigentlich soll ja nun der Staat raus und alles soll entbürokratisiert werden. Was ist die Folge? In den Fakultäten sitzen Hochschullehrer, Mitarbeiter, Bedienstete und schreiben dicke Modulhandbücher und produzieren CDs und Unterlagen und so weiter, sind damit lange beschäftigt. Dann kommt die Akkreditierungsagentur mit ihren Gutachtern, die reisen an, müssen dicke Gutachten lesen. Das kostet unglaublich Manpower und schließlich muss jede Uni dann auch, ich weiß nicht, zwischen 10.000 und 15.000 Euro für eine Akkreditierung bezahlen und das bei inzwischen, wie vielen, 12.000 Studiengänge – ja, das ist eine Menge Geld. Das ist sicherlich der Hauptpunkt, den sie da kritisieren. Und das andere ist: Ja, wird dort nicht sozusagen eine Nivellierung nach unten betrieben? Die legen nur Mindeststandards an, wir wollen aber was Besseres. Können wir das denn überhaupt?

    Burgwinkel: Ja, das heißt aber, besonders autonom sind die Hochschulen da gar nicht in ihrer Entscheidung?

    Heinemann: Nein. Die müssen sich genau nach diesen Vorgaben richten, sofern sie sich akkreditieren lassen, das müssen ja alle, bisher hat es ja nur die Hälfte ... sind ja nur die Hälfte der Studiengänge akkreditiert worden. Und diese Agenturen überprüfen dann ja auch die entscheidenden Kriterien, auch: Wie weit ist das überhaupt studierbar, was dort angeboten wird? Und das ist ja einer der Hauptkritikpunkte, die jetzt geäußert werden, dass es nicht mehr studierbar ist.

    Burgwinkel: Ja, das ist ja das, was die Studierenden behaupten oder was sie auch zu Recht behaupten, wie jetzt wirklich endlich mal alle einsehen. Aber was bedeutet letztlich, in letzter Konsequenz, das für die Studierenden?

    Heinemann: Jetzt ist die Frage: Wohin soll es gehen? Heißt das jetzt ... Ich meine, der Hochschulverband, der ist schnell mit der Forderung dabei: Wir schaffen diese ganze Akkreditierungsgeschichte ab. Das gibt es in anderen Ländern auch nicht, warum brauchen wir das? Ist natürlich so: Früher gab es Rahmenprüfungsordnungen und die Ministerien haben die Studiengänge genehmigt. Jetzt macht das diese Agentur. Das sollte also ein bisschen weiter entfernt sein vom Staat, also ein bisschen liberalisiert in diesem Sinne. Ja, wenn wir das jetzt abschaffen, was kommt dann?

    Burgwinkel: Ordinarienuniversität, oder?

    Heinemann: Ja, oder? Da hat man doch manchmal den Verdacht, also jetzt auch gerade, wenn sich so viele Hochschullehrer in dieser Frage engagieren: Wollen die zurück zur Ordinarienuniversität oder eigentlich noch weiter dahin, dass sie eben wirklich die volle Autonomie bekommen und allein bestimmen können, was in den Studiengängen drin ist? Also, wird das nicht dann dazu führen, dass die noch mehr, was heute kritisiert wird, ihren Hobbys nachgehen können und nicht mehr das anbieten, was sozusagen nötig ist? Das kann sicherlich nicht die Lösung sein.

    Burgwinkel: Eine Möglichkeit für Studierende – gibt es die überhaupt?

    Heinemann: Ja, natürlich. Sagen wir mal, die Studierenden müssten stärker einbezogen werden und jetzt nicht nur, dass da zwei Vertreter in den Gutachterkommissionen sitzen, sondern dass man sich in den Hochschulen, in den Fakultäten mal an einen Tisch setzt und gemeinsam diskutiert, Lehrende und Lernende: Was wollen wir überhaupt? Was heißt für uns Qualität? Was heißt für uns Studierbarkeit? Die wissen es am besten, die brauchen nicht irgendwelche Fragebögen oder sowas dazwischen, sondern sich einfach mal an einen Tisch setzen und miteinander reden.

    Burgwinkel: Herzlichen Dank für das Gespräch, Karl-Heinz Heinemann! Wir sprachen über die Akkreditierungsagentur und den Bildungsstreik.