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Frankreichs Bauern auf neuen Wegen
Weniger Pestizide, gleicher Ertrag

Auf Initiative des französischen Landwirtschaftsministeriums haben 3.000 Bauern in den vergangenen fünf Jahren getestet, inwieweit sich ihre Ernte verringert, wenn sie weiniger Pestizide verwenden. Ihre Erfahrungen haben sie in einer Datenbank festgehalten. Die Ergebnisse zeigen: Es geht auch ohne Glyphosat und Co - allerdings mit Einschränkungen.

Von Suzanne Krause | 09.05.2017
    Ein Rapsfeld im Sommer.
    Sind Pestizide wirklich notwendig? Das Netzwerk "dephy" in Frankreich meint nein. (picture alliance / dpa/ Andreas Franke)
    Im Herzen der Brie, 80 Kilometer östlich von Paris, bewirtschaftet Cyrille Milard rund 340 Hektar. Er baut Getreide an, dazu Zuckerrüben, Mais, Raps und Flachs. Und seit Milard 2001 den Hof von den Eltern übernahm, bemüht er sich, soweit wie möglich auf chemische Pflanzenschutzmittel zu verzichten.
    "Heute schaffe ich es, 25 Prozent weniger Pestizide einzusetzen. Insektizide verwende ich gar keine mehr ein. Dafür muss ich beim Mais nun auf biologische Waffen setzen, auf Insekten, die den Maiswurzelbohrer ausmerzen. Und zur Schädlingsbekämpfung besprühe ich manche Kulturen mit Zucker."
    Cyrille Milard gehört zum Netzwerk "Dephy", das das Pariser Landwirtschaftsministerium initiierte. 3.000 Höfe im ganzen Land sind bei "Dephy" zusammengeschlossen: Landwirte, die im Alltag testen, wie sich auf chemische Keulen verzichten lässt. Und akribisch Buch führen darüber, wie sie arbeiten, was und wie viel sie wann ausbringen, wie ihre Ernte ausfällt. Diese weltweit einmalige Datenbank haben die Wissenschaftler des Agrarforschungsinstituts INRA ausgewertet. Studienleiter ist Nicolas Munier-Jolain.
    "In 94 Prozent der Fälle zeigte sich: Betriebe, die weniger Pestizide einsetzen, sind mindestens so produktiv wie Betriebe mit höherem Pestizidverbrauch. Daraufhin haben wir simuliert, um wie viel diejenigen Höfe, die heute massiv chemische Pflanzenschutzmittel verwenden, deren Einsatz ohne Rentabilitätsverlust reduzieren können. Der landesweite Durchschnitt ergibt: um die 30 Prozent."
    Notwendige Veränderungen für den Umweltschutz
    Cyrille Milard hat es eine Zeit lang geschafft, seinen Pestizideinsatz gar zu halbieren. Der Landwirt nahm an einem Fünfjahresprogramm zum Wasserschutz teil: Aus seiner Region stammt ein Großteil des Trinkwassers für Paris. Für das Risiko, dass er mit seinem Betrieb dabei einging, erhielt er eine Entschädigung. Allerdings hat Milard dafür einiges umgestellt, unter anderem auf widerstandsfähigere Anbausorten.
    "Ich habe später als üblich ausgesät und nicht mehr systematisch gespritzt, sondern die Felder intensiver überwacht. Man muss beim Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln stärker das Für und Wider abwägen. Zudem habe ich nach und nach begonnen, Äcker zwischen Ernte und neuer Aussaat öfter zu pflügen, allerdings nur an der Oberfläche. Damit ist es mir zum Beispiel gelungen, fast vollständig auf Glyphosat zu verzichten."
    Niederschmetternde Bilanz
    Nach fünf Jahren jedoch zog der Landwirt eine niederschmetternde Bilanz: Seine Felder waren voller Unkraut, dem er nur mit massiven Dosen Chemie Herr werden konnte. Milard wünscht sich deshalb mehr Forschung in Richtung pestizidarmer Anbaumethoden.
    INRA-Forscher Nicolas Munier-Jolain liegt eine Erkenntnis besonders am Herzen: Der massive Einsatz chemischer Produktionshilfen sei geradezu Bedingung für das derzeit vorherrschende Agraproduktionsmodell.
    "Seit Jahrzehnten dominiert in der französischen Landwirtschaft der Trend, zu rationalisieren und sich zu spezialisieren, mit dem Ziel, die Effizienz zu erhöhen. Und das erklärt, warum global gesehen die französische Landwirtschaft immer abhängiger wird vom Pestizideinsatz."
    Um ein Viertel hat Getreidebauer Milard seinen Pestizideinsatz senken können, dank anderer Arbeitsmethoden. Mehr ginge spontan nur, wenn er sich Tiere in den Stall stellen würde, meint der Landwirt.
    "Dann könnte ich auch Pflanzen in Zwischenkultur anbauen, die mir den Einsatz chemischer Unkrautvernichter ersparen. Pflanzen, die zwar für den Verkauf uninteressant sind, die ich aber als Tierfutter verwerten könnte. Und Gülle und Dung aus dem Stall ersetzen chemischen Dünger."
    Landwirtschaftskollege, die sich Tiere angeschafft haben, gingen deshalb noch weiter, sagt Milard: Sie seien gerade dabei, auf Bioproduktion umzustellen.