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Frauen-Eishockey in Deutschland
Die verschobene WM und die Perspektive der Spielerinnen

Rund 750 Mädchen spielen in deutschen Vereinen Eishockey. Bei den Jungen sind es 6.500. In die Schlagzeilen geraten die Nationalspielerinnen meist nur, wenn es schlechte gibt - wie die über die unmittelbar vor Turnierstart wegen der hohen Corona-Inzidenz verschobene Eishockey-WM in Kanada.

Von Thomas Wheeler |
Drei Frauen stehen in ziviler Kleidung im Park und lächeln in die Kamera
Nationalspielerin Laura Kluge, Vanessa Gasde und Nina Kamenik (v.l.n.r.) eint die Liebe zum Eishockey (Deutschlandradio / Thomas Wheeler)
Kurz vor Pfingsten im Berliner Tiergarten in der Nähe des Brandenburger Tors: An einem sonnigen Frühlingsabend treffe ich die Eishockeyspielerinnen Nina Kamenik, Laura Kluge und Vanessa Gasde. Alle drei haben eins gemeinsam: Sie sind Stürmerinnen. Warum entscheiden wir uns eigentlich für oder gegen etwas? Was sagt es beispielsweise aus, wenn wir Eishockeyspielen? Erklärungsversuche:
"Eishockey war irgendwie was Besonderes. Es hat nicht jeder gemacht. Ich glaube als Kind denkt man da gar nicht so darüber nach. Da macht man einfach das, was am meisten Spaß macht. Und das war in dem Fall Eishockey. Es ist halt ein sehr schnelles Spiel, und es macht extrem viel Spaß in einer Mannschaft zu spielen. Man freut sich zusammen. Man ist allerdings auch manchmal traurig zusammen. Das gehört auch dazu."
Etwas gemeinsam machen und schaffen, ist auch heute noch Ansporn für Nina Kamenik: 2014 Olympia-Teilnehmerin und mehrfach bei Weltmeisterschaften im Einsatz.

Nur ein Stützpunkt in Füssen

Auch im deutschen Frauen-Eishockey gibt es eine Bundesliga. Dort spielen momentan drei Vereine aus Bayern, zwei aus Nordrhein-Westfalen und je einer aus Baden-Württemberg und Berlin. Darunter der oberbayerische Rekordmeister ESC Planegg, die Eisbären Juniors und die Kölner Haie. Wobei letztere ja auch durch deren Männermannschaften bekannt sind. Anders als bei denen können die meisten höherklassigen Spielerinnen davon jedoch nicht leben. Das liegt auch an den Strukturen, die der Deutsche Eishockey-Bund vorgibt, erklärt Nina Kamenik:
"Es gibt das Bundesleistungszentrum in Füssen. Das ist sozusagen der Hauptstandort, wo auch die Nationalmannschaft trainiert, und sonst gibt es keine Stützpunkte in Deutschland verteilt. Jedenfalls nicht für Frauen-Eishockey speziell. Und das wäre zum Beispiel auch wichtig, dass speziell Frauen-Eishockey dann da auch gefördert wird. Das man sagt, dass die Mädchen dorthin gehen können, Trainer haben, die nur für sie zuständig sind. Die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen. Rundum versorgt werden, was vielleicht auch die Physiotherapie, Laufbahnberatung etc. anbelangt, was man in Berlin am OSP ja schon hat."
Bundesweit spielen derzeit ungefähr 750 Mädchen in Vereinen. Bei den Jungen sind es etwa 6.500 Aktive. Bis zum 13./14. Lebensjahr können beide Geschlechter zusammenspielen. Wobei das zahlenmäßige Ungleichgewicht ein Problem mit sich bringt, sagt Laura Kluge: "Es gibt halt nicht so viele, die Eishockey spielen, weil es im Nachwuchs schwierig ist, Mädchen in Jungenmannschaften unterzubringen. Und daher kommen halt auch relativ wenig Mädchen nach. Was man dann auch in der 1. Bundesliga merkt, dass da nur relativ wenig Mädchen spielen."
Alle Frauen, die Eishockey spielen, sind natürlich durch ihre Erfahrungen in den gemischten Teams geprägt worden. Die 26-jährige Vanessa Gasde: "Wir waren alle eine Mannschaft. Wir haben zum selben Team gehört. Und da war egal, ob Mädchen oder Junge. Bei uns war alles gemeinsam."

USA, Kanada und Finnland führend im Frauen-Eishockey

Weltweit kommen die besten Frauen am Puck aus den USA, Kanada und Finnland. Da Eishockey dort Nationalsport ist, sind die Trainingsbedingungen hervorragend, vor allem an den US-Colleges. Damit sind diese natürlich auch attraktiv für junge Ausländerinnen, wie Laura Kluge. Erst kürzlich ist sie von einem vierjährigen Studium an der St. Cloud State University in Minnesota zurückgekehrt: "Man muss halt sagen College-Hockey ist schon professionell. Also sehr professionell. Ist glaube ich so das Professionellste, was man im Frauen-Eishockey spielen kann zurzeit. War eine Mega-Zeit. Hat richtig viel Spaß gemacht."
Vor allem im Fernsehen findet Frauen-Eishockey, abgesehen von Olympia, kaum statt. Es müsste einfach mehr positive Schlagzeilen über ihren Sport geben, meint die 24-jährige Laura Kluge: "Ich finde halt nur, dass es ja gerade mit der WM aufgefallen ist, dass eigentlich viel mediale Aufmerksamkeit kommt, wenn etwas schiefläuft, und nicht, wenn etwas gut läuft."

WM-Absage einen Tag vor Abflug

Die Frauen-Weltmeisterschaft in Kanada hätte zwischen dem 6. und 16. Mai stattfinden sollen. Das deutsche Team, darunter Laura Kluge, erfuhr erst einen Tag vor dem geplanten Abflug von der Absage. Natürlich eine riesige Enttäuschung. Um sich gezielt auf die WM vorzubereiten, hatten die Spielerinnen ihre gesamten Alltagsabläufe außerhalb des Sports hinten angestellt. Das lässt sich nicht so leicht wegstecken, gibt die 36-jährige Ex-Nationalspielerin Nina Kamenik zu bedenken:
"Es ist ja nicht so, dass die alle Profis sind. Ja also, dass die einfach so sagen können, ja okay, wir kriegen ja sowieso ein bisschen Geld, und wir machen jetzt hier irgendwo eine Bubble, und dann fahren wir zur WM. Sondern das bedeutet für viele, die jetzt zum Beispiel nicht in der Bundeswehr sind, dass sie ihre Ausbildung nicht weitermachen konnten, dass sie ihre Schule nicht weitermachen konnten. Und das ist einfach auch die Zukunft der Spielerinnen, die sie, sage ich jetzt mal dafür zurückgestellt haben, und dann war das natürlich für die sehr, sehr enttäuschend."
Die WM soll nun in der zweiten Augusthälfte nachgeholt werden. In der Hoffnung, dass dann auch wirklich gespielt werden kann.