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"Frauen trauen sich nicht, aktiv auf die Chefs zuzugehen"

Noch immer bekommen Frauen häufig weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Zum Teil ist dies selbstverschuldet, wie die Karriereberaterin Bettina Sturm findet. Der Satz "Ich will mehr Geld" komme weiblichen Angestellten viel zu selten über die Lippen.

Bettina Sturm im Gespräch mit Kate Maleike | 08.03.2012
    Kate Maleike: Wenn von Gleichberechtigung im Beruf die Rede ist, dann wird hier in Deutschland im Moment vor allem über eine Frauenquote in Führungsetagen diskutiert. Gerade erst hat ja EU-Kommissarin Reding die Diskussion über eine europaweite Quote wieder neu entfacht. Dabei geht gern mal ein bisschen unter, dass dies nur ein Gesicht der Ungleichbehandlungen von berufstätigen Frauen in Deutschland ist. Zum Beispiel wird seit Jahren auch kritisiert, dass sie trotz gleicher Qualifikation durchschnittlich etwa 20 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Diese Tatsache ist von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gerade erst auch wieder frisch bestätigt worden. Da muss sich also in den Unternehmen und der Gesellschaft an sich noch einiges tun, aber die Frauen selbst sind auch gefordert, vor allem in den Gehaltsverhandlungen. Das meint die Karriereberaterin Bettina Sturm aus München, die selbst lange als Personalchefin eben genau auf der anderen Seite des Schreibtisches diese Verhandlungen ums Gehalt geführt hat. Guten Tag, Frau Sturm!

    Bettina Sturm: Schönen guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Zunächst mal, wie ist Ihre aktuelle Einschätzung? Warum haben Frauen beim Gehalt noch so stark das Nachsehen hier in Deutschland?

    Sturm: Also da gibt es eigentlich drei, vier Punkte, die ich da immer wieder auch erlebe in Vorbereitung auf entsprechende Coachings. Das eine ist, die Frauen trauen sich nicht, aktiv auf die Chefs zuzugehen und zu sagen: Ich will mehr Geld. So, und wenn dieser Punkt mal angesprochen wird, manchmal in einem Mitarbeitergespräch, dann fehlen ihnen die richtigen zündenden Argumente: Ja, warum will ich denn eigentlich mehr Gehalt? Und dann, im nächsten Punkt, sie sitzen in so einer Verhandlung, und der Chef sagt, oh, Wirtschaftskrise, können wir leider gar nichts machen. Den wenigsten Frauen fällt an der Stelle ein anderes Argument dagegen ein. Dann hat es leider nicht funktioniert, die Frauen bleiben nicht dran, das war es.

    Maleike: Aber warum ist es prinzipiell so, dass die Unternehmen von vorn herein die Frauen schon mit weniger Geld abspeisen wollen, um es mal so auszudrücken?

    Sturm: Die Problematik ist natürlich, dass das Ursprungsgehalt im Einstellungsgespräch festgelegt wird. Und wenn ich mich da auch so an meine Personalerzeit zurückerinnere und ich die Damen dann gefragt habe, was haben Sie sich denn gehaltlich jetzt vorgestellt, kam sehr häufig die Antwort entweder, oh, weiß ich jetzt gar nicht so genau, was haben Sie sich denn vorgestellt, oder aber es kam das Argument, ach wissen Sie, ist mir gar nicht so wichtig, Hauptsache, ich habe hier eine tolle Aufgabe und ich kann mich hier total gut einbringen. Ja, und an der Stelle sitze ich dann natürlich als Personalerin und sage: Schade für dich, hättest du mal eine Runde gepokert, hättest du was gewonnen.

    Maleike: Das heißt also, fürs Einstellungsgespräch auf jeden Fall sich vorher klar zu werden, was man an Gehalt anbringen will. Aber wenn man jetzt im Nachhinein – Sie haben es ja auch gerade gesagt – feststellt, ich verdiene eigentlich zu wenig für das, was ich tue, wie geht man da am klügsten vor?

    Sturm: Da kann ich nur den Tipp geben: Vorbereitung ist alles. Sich als allererstes mal hinsetzen und Bilanz ziehen. Tatsächlich, was habe ich für Leistungen erbracht? Was habe ich für Ideenimpulse eingebracht? Und wie hat das auf der anderen Seite auch zu Unternehmenserfolgen geführt? Und das schriftlich dokumentieren, ganz wichtig. Dann als zweiten Punkt: Ich will mehr Geld, ich muss mir ein Ziel setzen. Heißt als erstes, ich mache mal einen Gehalts-Check: Was bin ich denn eigentlich auf dem Markt wert mit dem, was ich da einbringe? Dann auch, es gibt ja neben dem ich hätte gerne 2.000 Euro mehr gibt es ja auch andere Gehaltsbestandteile. Ich könnte ja zum Beispiel auch einen Fahrtkostenzuschuss oder einen Essenskostenzuschuss verlangen, das wäre ja auch eine mögliche Spielart, um letztendlich mein Netto auf dem Konto zu erhöhen. Und dann sollte ich mir natürlich auch überlegen: Was ist mein Minimum? Mit was will ich wenigstens rausgehen? Und was ist mein Maximum-Ziel? Und als dritten Punkt kann man noch anführen, souverän sein – das Gespräch ist auf Augenhöhe –, und diese Einstellung: Das Ganze ist ein Spiel. Wir bewegen uns hier gemeinsam, ich bringe was ein, du bringst was ein, und bestenfalls geht es dann so aus, dass die Frau sagt: Strike!

    Maleike: Frau Sturm, an der Stelle würde ich ganz gerne mal eine Passantin aus Wuppertal zu Wort kommen lassen, die eine Frage an den Gehaltscoach hat, und hier kommt die Frage:

    Passantin: Also ich würde einen Gehaltscoach fragen, wie ich es schaffe als Frau, hart zu verhandeln und dabei nicht zickig zu wirken. Ich finde, das Problem von uns Frauen ist ja, dass sobald wir irgendwie auftreten als toughe, irgendwie gut organisierte Frau, sind wir ganz schnell in dieser Ecke: Oh, die ist zickig, die hat aber einen Tonfall. Das ist so, wenn Männer das machen, dann ist das tough und cool und hart, und die können sich durchbeißen, und bei Frauen ist das ja ganz schnell irgendwie sehr negativ. Und ich würde fragen, wie man das hinkriegt, dass man sich durchbeißt und trotzdem immer noch eine sympathische Frau ist.

    Sturm:Ja, das hat ganz viel mit der Einstellung im Gespräch zu tun: Wie gehe ich da rein? Was habe ich für eine Denke? Weil die Denke, die geht ja dann auch direkt ins Verhalten über. Denke ich, wow, das ist ja ein Spiel, ich gehe jetzt hier ein bisschen charmant rein und fordere meinen Chef durchaus mal ein bisschen heraus und sehe das auch ein bisschen locker, oder bin ich da wirklich diejenige, die sagt, ich bin das wert, ich muss es jetzt durchkriegen, und so weiter und so fort. Dann wird es tatsächlich schwierig.

    Maleike: Frau Sturm, wir haben heute Weltfrauentag, das heißt, Sie dürfen sich jetzt zum Abschluss etwas wünschen für die Frauen in der Berufswelt in Deutschland. Was wäre da Ihr größter Wunsch?

    Sturm: Mehr Mut.

    Maleike: Mehr Mut – das heißt, Appell an die Frauen selbst, aber auch an die Unternehmen hoffentlich?

    Sturm: Ja, auch an die Unternehmen, also da ganz klar: Schaut euch die Frauen an, unterstützt sie, impliziert mehr Mentoren-Programme und so weiter und so fort, dass die Frauen auch tatsächlich in den Unternehmen mehr Möglichkeiten haben, tatsächlich nach oben zu kommen. Das wäre mein Wunsch an die Unternehmen.

    Maleike: Sagt Bettina Sturm, Karriere- und Gehaltscoach aus München. Da gibt es noch eine ganze Menge zu tun, Mut und Umdenken sind allerorten gefordert.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.