Luc Bondy hat vor langer Zeit, als Zwanzigjähriger, schon einmal Jean Genets "Die Zofen" inszeniert. Bei der damaligen Inszenierung in einer Hamburger Fabrikhalle habe er das Stück, ohne es zu verstehen, faszinierend gefunden. Heute, so erklärte Bondy im Interview, reize ihn folgendes: "Drei Schauspielerinnen, Edith Clever, Caroline Peters und Sophie Rois in alphabetischer Reihenfolge und der Wunsch, das Stück jetzt zu verstehen."
Jean Genet, der das Verbrechen verherrlichte und elegant zelebrierte Gewalt ästhetisierte, hat seine Rolle als Outcast der Gesellschaft stets akzeptiert und sich als Asozialer glorifiziert. Diese Haltungen, die auch sein 1947 uraufgeführtes Stück "Die Zofen" prägen, wirken heute genauso wenig mehr provokant wie die Tatsache, dass in diesem Einakter von keinerlei Schuldgefühlen oder moralischen Empfindungen mehr die Rede ist, wenn hier jede die andere belauert und bekämpft.
Und auch die Faszination, die von der einst von einem realen Mordfall angeregten Geschichte über zwei Schwestern ausging, die sich in Liebe und Hass ihrer Herrin unterwerfen, ihr zugleich aber auch nach dem Leben trachten, hat sich in unserer von Gewalt und Gewaltanalysen geprägten Gesellschaft längst verflüchtigt.
Genets "Die Zofen" lebte von einer Haltung, die durch die Theorien und Texte von Baudrillard und Houellebecq endgültig als auftrumpfend leere Pose kenntlich geworden ist. Den Aufstieg in der gesellschaftlichen Hierarchie und das Verhältnis zwischen Herrin und Dienerinnen spielen die Zofen in heimlichen Rollenspielen durch, um sie in der Fantasie zu erreichen und zu bewältigen.
Doch ohne seine Aura eines Tabubruchs, vor allem aber ohne sein Provokationspotenzial, wirken Stück und Handlung erschreckend bieder. Selbst Inszenierungen in der Vergangenheit, die den scheiternden Aufstand der Schwestern politisch zu interpretieren suchten, konnten dem Stück keinen lebendigen Atem mehr einhauchen. So fristeten Genets "Die Zofen" ihr Bühnenleben nur mehr als dankbares Spielmaterial für drei gestandene Schauspielerinnen.
Auch Luc Bondy hat bei den Wiener Festwochen die Zofen nur als Rollenfutter für drei bekannte Schauspielerinnen genommen. Irgendeine tiefere Interpretation ist hinter seinen soliden Arrangements nicht zu erkennen. Obwohl ihm der seit langem wieder einmal aktive legendäre Schaubühnendramaturg Dieter Sturm eine Fassung hergestellt hat, in der die Kontraste zwischen Reinheit und Schmutz, zwischen Identität und Rollenspiel geschickt zugespitzt werden, zieht sich die Aufführung in sämig ausgemalter Behäbigkeit völlig spannungslos dahin.
Die einstige Absurdität und Subversivität ist im psychologisch realistischen Erklärstil einer Inszenierung aufgehoben, die das Stück zwischen Ibsen und einem boulevardesken Konversationsstück ansiedelt. Auf viel zu großer Bühne, die Bert Neumann für diese Koproduktion mit der Berliner Volksbühne als ein Boudoir im Stil der sechziger Jahre recht uninspiriert ausgestattet hat, spielen alle so , wie es Jean-Paul Sartre in seinem langen Essay über das Stück geschrieben hat: Jeder Schauspieler muss die Rolle einer Figur spielen, die eine Rolle spielt. Die Zofen sind immer andere, während die Herrin einerseits stets sie selber bleibt, aber dabei zugleich immer eine gesellschaftliche Rolle spielt. Der falschen Unterwerfung der Zofen begegnet sie mit falscher Zärtlichkeit - so, wenn sie großmütig ihre Kleider an die Zofen verschenkt, weil ihr Geliebter, der nie auftretende Gnädige Herr, im Gefängnis sitzt:
"Ihr habt Glück, dass man euch Kleider schenkt. Ich muss sie mir kaufen, wenn ich welche will. Aber ich werde noch prächtigere bestellen, damit der Trauerzug für den gnädigen Herrn noch glänzender ausfällt."
"Die gnädige Frau ist schön."
"Nein, nein, bedankt euch nicht."
Claire spielt, dass sie Madame ist, und Solange spielt, dass sie Claire ist. Das ganze ist ein Ritual, der im Mord enden soll. Was wir bei Luc Bondy sehen, ist das Ritual der Routine eines Festivalbetriebs der großen Namen. Dabei gibt Caroline Peters, die bei René Pollesch so herrlich gegen die Sprache und die Verhältnisse rasen kann, hier im gediegenen Bedeutungs-, ja sogar Einfühlungs-Spiel die Claire, während die sonst oft so herrlich anarchistisch, wenigstens aber rotzig aufmüpfig wirkende Sophie Rois sich als Solange ins konventionelle Konversationsstück einbinden lässt, als das Luc Bondy Genets "Die Zofen" missversteht.
Nur gelegentlich scheint Sophie Rois mit burschikosen Gesten, mit rau gicksiger Stimme und komisch auftrumpfender Körperlichkeit gegen das sedative Inszenierungskonzept von Luc Bondy aufzubegehren. Wie die beiden Zofen anfangs in Unterwäsche still miteinander tanzen, wie sie dann ineinander verhakt auf dem Bett liegen, um dann doch in den Streit zu geraten, um das richtige Verhalten gegenüber der Herrin, beim Nachspiel der Herrin und beim Streit um den Milchmann, das ist zwar sehr genau konstruiert, doch es fasziniert nicht - weil es nur routinierte Schauspielerei ist, die Rollenspiele vorführt, ohne die existentiellen Konflikte der Schwestern mit Genets Text heute noch zu beglaubigen. Und weil es kein rechtes Timing, keinen Spannungsaufbau in dieser gleichförmig dahin fließenden Inszenierung gibt.
Nur wenn Edith Clever als die Gnädige Frau auf die Bühne stolziert, wird es wirklich Theater, manchmal sogar großes Theater der bewusst falschen Bedeutungsgesten. Wie Edith Clever mit einer Armbewegung echte Haltung und falsches Gefühl zugleich auszudrücken vermag, wie sie ihre Texte moduliert und zelebriert, das gibt ihrer Figur echte Bühnenaura. Man schaut ihren schauspielerischen Kunststücken gerne zu, aber die Bosheiten, Abgründe und Absurditäten im Kampfspiel der Frauen deutet auch Edith Clever kaum an.
Das Publikum im kammerspielartig kleinen Theater Akzent spendete den Schauspielerinnen solidarisch freundlichen Applaus, während Regisseur Luc Bondy etliche Buhs quittieren musste.
Jean Genet, der das Verbrechen verherrlichte und elegant zelebrierte Gewalt ästhetisierte, hat seine Rolle als Outcast der Gesellschaft stets akzeptiert und sich als Asozialer glorifiziert. Diese Haltungen, die auch sein 1947 uraufgeführtes Stück "Die Zofen" prägen, wirken heute genauso wenig mehr provokant wie die Tatsache, dass in diesem Einakter von keinerlei Schuldgefühlen oder moralischen Empfindungen mehr die Rede ist, wenn hier jede die andere belauert und bekämpft.
Und auch die Faszination, die von der einst von einem realen Mordfall angeregten Geschichte über zwei Schwestern ausging, die sich in Liebe und Hass ihrer Herrin unterwerfen, ihr zugleich aber auch nach dem Leben trachten, hat sich in unserer von Gewalt und Gewaltanalysen geprägten Gesellschaft längst verflüchtigt.
Genets "Die Zofen" lebte von einer Haltung, die durch die Theorien und Texte von Baudrillard und Houellebecq endgültig als auftrumpfend leere Pose kenntlich geworden ist. Den Aufstieg in der gesellschaftlichen Hierarchie und das Verhältnis zwischen Herrin und Dienerinnen spielen die Zofen in heimlichen Rollenspielen durch, um sie in der Fantasie zu erreichen und zu bewältigen.
Doch ohne seine Aura eines Tabubruchs, vor allem aber ohne sein Provokationspotenzial, wirken Stück und Handlung erschreckend bieder. Selbst Inszenierungen in der Vergangenheit, die den scheiternden Aufstand der Schwestern politisch zu interpretieren suchten, konnten dem Stück keinen lebendigen Atem mehr einhauchen. So fristeten Genets "Die Zofen" ihr Bühnenleben nur mehr als dankbares Spielmaterial für drei gestandene Schauspielerinnen.
Auch Luc Bondy hat bei den Wiener Festwochen die Zofen nur als Rollenfutter für drei bekannte Schauspielerinnen genommen. Irgendeine tiefere Interpretation ist hinter seinen soliden Arrangements nicht zu erkennen. Obwohl ihm der seit langem wieder einmal aktive legendäre Schaubühnendramaturg Dieter Sturm eine Fassung hergestellt hat, in der die Kontraste zwischen Reinheit und Schmutz, zwischen Identität und Rollenspiel geschickt zugespitzt werden, zieht sich die Aufführung in sämig ausgemalter Behäbigkeit völlig spannungslos dahin.
Die einstige Absurdität und Subversivität ist im psychologisch realistischen Erklärstil einer Inszenierung aufgehoben, die das Stück zwischen Ibsen und einem boulevardesken Konversationsstück ansiedelt. Auf viel zu großer Bühne, die Bert Neumann für diese Koproduktion mit der Berliner Volksbühne als ein Boudoir im Stil der sechziger Jahre recht uninspiriert ausgestattet hat, spielen alle so , wie es Jean-Paul Sartre in seinem langen Essay über das Stück geschrieben hat: Jeder Schauspieler muss die Rolle einer Figur spielen, die eine Rolle spielt. Die Zofen sind immer andere, während die Herrin einerseits stets sie selber bleibt, aber dabei zugleich immer eine gesellschaftliche Rolle spielt. Der falschen Unterwerfung der Zofen begegnet sie mit falscher Zärtlichkeit - so, wenn sie großmütig ihre Kleider an die Zofen verschenkt, weil ihr Geliebter, der nie auftretende Gnädige Herr, im Gefängnis sitzt:
"Ihr habt Glück, dass man euch Kleider schenkt. Ich muss sie mir kaufen, wenn ich welche will. Aber ich werde noch prächtigere bestellen, damit der Trauerzug für den gnädigen Herrn noch glänzender ausfällt."
"Die gnädige Frau ist schön."
"Nein, nein, bedankt euch nicht."
Claire spielt, dass sie Madame ist, und Solange spielt, dass sie Claire ist. Das ganze ist ein Ritual, der im Mord enden soll. Was wir bei Luc Bondy sehen, ist das Ritual der Routine eines Festivalbetriebs der großen Namen. Dabei gibt Caroline Peters, die bei René Pollesch so herrlich gegen die Sprache und die Verhältnisse rasen kann, hier im gediegenen Bedeutungs-, ja sogar Einfühlungs-Spiel die Claire, während die sonst oft so herrlich anarchistisch, wenigstens aber rotzig aufmüpfig wirkende Sophie Rois sich als Solange ins konventionelle Konversationsstück einbinden lässt, als das Luc Bondy Genets "Die Zofen" missversteht.
Nur gelegentlich scheint Sophie Rois mit burschikosen Gesten, mit rau gicksiger Stimme und komisch auftrumpfender Körperlichkeit gegen das sedative Inszenierungskonzept von Luc Bondy aufzubegehren. Wie die beiden Zofen anfangs in Unterwäsche still miteinander tanzen, wie sie dann ineinander verhakt auf dem Bett liegen, um dann doch in den Streit zu geraten, um das richtige Verhalten gegenüber der Herrin, beim Nachspiel der Herrin und beim Streit um den Milchmann, das ist zwar sehr genau konstruiert, doch es fasziniert nicht - weil es nur routinierte Schauspielerei ist, die Rollenspiele vorführt, ohne die existentiellen Konflikte der Schwestern mit Genets Text heute noch zu beglaubigen. Und weil es kein rechtes Timing, keinen Spannungsaufbau in dieser gleichförmig dahin fließenden Inszenierung gibt.
Nur wenn Edith Clever als die Gnädige Frau auf die Bühne stolziert, wird es wirklich Theater, manchmal sogar großes Theater der bewusst falschen Bedeutungsgesten. Wie Edith Clever mit einer Armbewegung echte Haltung und falsches Gefühl zugleich auszudrücken vermag, wie sie ihre Texte moduliert und zelebriert, das gibt ihrer Figur echte Bühnenaura. Man schaut ihren schauspielerischen Kunststücken gerne zu, aber die Bosheiten, Abgründe und Absurditäten im Kampfspiel der Frauen deutet auch Edith Clever kaum an.
Das Publikum im kammerspielartig kleinen Theater Akzent spendete den Schauspielerinnen solidarisch freundlichen Applaus, während Regisseur Luc Bondy etliche Buhs quittieren musste.