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Frech im Fernsehen

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen kämpft um junge Zuschauer, und zwar mittwochs: Denn dann läuft im Digitalsender das Pilotprojekt "Popmittwoch", das mit vier Formaten zwischen Musik, Unterhaltung und Meinung startet.

Von Ina Plodroch |
    "So, das ist jetzt also meine neue Show. 'Kebekus!' Ja, wir haben ein paar Leute zusammen getrommelt, und wenn es losgeht, dann ist es total laut und alles blinkt und es ist total bunt."

    Stimmt. Bunt, schrill und derbe ist die erste eigene Show der Komikerin Caroline Kebekus:

    "Aber eigentlich ist es nur Blödsinn, jede Menge Schwachsinn und ich."

    Koketterie, klar, denn ihre Show ist ganz witzig, wenn sie sich zum Beispiel über allgegenwärtige Vorwürfe gegen ihre Generation - Kebekus ist 32 - lustig macht.

    "Alle sind internetsüchtig. Morgens ist das Smartphone der Wecker, News-Checken beim Frühstück, Videos auf dem Weg zur Arbeit, zwischendurch Chai Latte to go - schmeckt nicht, ist aber hip. Computer am Arbeitsplatz und auf dem Weg nach Hause wieder berieseln lassen"

    Kebekus' derber Humor, mal kritisch, ironisch oder platt steht im Mittelpunkt - daneben die Gäste. Zum Start der Altkomiker Jürgen von der Lippe. Und der kleine Skandal der Zensur, der gerade entfesselt wird, weil offenbar ein Kirchen-Rap aus der fertig produzierten Sendung herausgeschnitten wurde, um die religiösen Gefühle nicht zu verletzten.

    "Oh ich habe wieder Netz, ich ..."

    Kebekus soll die unterhaltende Figur dieses neuen, jungen Fernsehprogramms sein. Popmittwoch heißt dieses Versuchslabor, das Jochen Rausch mit anderen WDR-Redakteuren entwickelt hat.

    "Wir brauchen erst mal wieder ein bisschen Selbstvertrauen, dass wir junges Bewegtbild machen können."

    Das wäre auch nicht schlecht, denn die ARD wünscht sich einen gemeinsamen Jugendkanal mit dem ZDF. Das würde sich daran beteiligen, zeigt sich aber noch kritisch. Die Diskussion um die sechs Spartenkanäle - derzeit noch unentschieden, während Einsfestival schon mal den Ernstfall probt. Und wie soll es sein, das junge Popprogramm?

    "Das Wichtigste ist, dass es eine Haltung hat, weil Coolness und Pop, das sind alles so Worthülsen, die muss man letztendlich damit unterlegen, dass man etwas macht, was als Farbe erkennbar ist, das eben nicht Wischiwaschi ist. Das hat mit Pop eigentlich gar nicht soviel zu tun."

    Also ein Popmittwoch ohne Pop, aber mit junger Haltung. In Zusammenarbeit mit Produktionsfirmen wie der Bildundtonfabrik hat die Redaktion vier junge Formate entwickelt, die thematisch nicht zwangsweise "jung" sein müssen.

    "Es kommt letzten Endes darauf an, aus welcher Perspektive betrachte ich die Welt. Die Welt ist ja immer dieselbe, egal ob es eine Redaktion aus gestanden älteren Journalisten betrachtet oder eine aus jungen. Aber das Ergebnis der Betrachtung ist unterschiedlich."

    Und heute ebenfalls am Start: das Magazin "Mr. Dicks". "Das erste wirklich subjektive Gesellschaftsmagazin", wie es heißt. Mit animiertem Moderator.

    "Ich bin Mr. Dicks. Genau - Dicks wie Cocks. Und Cock wie Abzug."

    Türkise Haut. Glupschaugen. Ein schwarzer Anzug. Und als erstes Thema: Waffen.

    "Die AK47. AK Kalaschnikow. Die Königin der Sturmgewehre, 100 Millionen Mal verkauft. Okay, 30 Millionen Mal weniger als CDs von Bon Jovi, dafür klingt die AK geiler."

    Mr. Dicks führt ironisch durch die Sendung und vergleicht Waffen permanent mit vermeintlich jungen Themen. Eine Aneinanderreihung beliebiger Fakten. Supercool, superschnell, superwitzig und immer auch anstrengend.

    "Für den ersten großen Knall sorgt das Schießpulver. Es kommt aus China und bringt der Waffe das schießen bei. Deswegen sagt man heute auch 'Schina' und nicht 'Kina'."

    Soll das nun eine junge Perspektive sein? Mr. Dicks richtet sich krampfhaft an ein junges Publikum, verwechselt Haltung mit Coolness und verliert dabei Substanz. Bis auf das musikalische Résumé von Songwriter Olli Schulz:

    "Die Waffe ist das Werkzeug für den tapferen Soldaten und frisst ihn nicht der Krieg, dann später seine Taten. Die Welt muss sich beeilen, die Welt hat keine Zeit. Weil ein Held mit seiner Waffe auch nur ein Mörder bleibt."

    Junges Fernsehen - eine tolle Idee, mit Abzügen in der B-Note. "Mr. Dicks" ist in die Coolnessfalle getappt, "Kebekus!" etwas zu schrill. Aber demnächst will Einsfestival ja noch mit zwei Musikformaten punkten: Im "Kassettendeck" stellt ein prominenter Gast seine Lieblingsmusik vor; "Setlist" begleitet einen Musiker vor seinem Konzert. Das Experiment Popmittwoch zeigt einmal mehr Pop ist manchmal nur ein schönes Wort.

    Sendeinfos:

    Mittwoch, 05. Juni: "Kebekus!", 20:15h, 23:00h
    Mittwoch, 05. Juni: "Mr. Dicks", 22:30h
    Mittwoch, 12. Juni: "Kassettendeck", 22:10h (Mixtape eines Promis)
    Mittwoch, 19. Juni: "Setlist", 20:15h
    Mittwoch, 19. Juni: "Setlist - Das Konzert", 23:45h