" Was ich sehe, ist besorgniserregend. Der äthiopische Premierminister hat versprochen, dass die Wahlen sauber über die Bühne gehen würden. Aber es gibt da einige Schmutzflecken. So hat man zwar allen politischen Parteien eine Stunde Sendezeit für ihre Wahlwerbung im staatlichen Fernsehen und Radio gegeben. Aber wer hat in den restlichen 10 Stunden Sendezeit das Sagen? - Danach benutzt die regierende Partei die Medien wieder wie eh und je für ihre Zwecke! Sie haben das Aufkommen privater Radio und Fernsehsender blockiert und stattdessen selbst neue Radiosender aufgemacht. Das ist illegal... Oder: Würden Sie zum Beispiel am Vorabend einer demokratischen Wahl damit rechnen, dass ihre Regierung ein Gesetz gegen die Presse einbringt und den Parlamentariern noch nicht einmal Zeit gibt, es zu lesen und zu analysieren. Es wurde am Morgen vorgelegt und schon nach zwei Stunden verabschiedet. "
Amare Aregawi gibt eine unabhängige Zeitung heraus und leitet zudem die äthiopische Sektion von Transparency International. Der 54jährige Publizist war bis vor wenigen Jahren selbst Mitglied der Partei, deren Medienmissbrauch er heute mit heftigen Worten anprangert. Als die Regierungspartei EPRDF noch im Busch gegen die kommunistische Militärdiktatur von Mengistu Haile Mariam kämpfte, war Aregawi als Chef der Untergrundpresse für den Piratensender der Rebellenbewegung verantwortlich. Nach dem Sieg über die Kommunisten vor 14 Jahren wurde er Chef des mächtigen äthiopischen Staatsrundfunks:
" Ich dachte damals, wir bringen den Menschen Demokratie und Menschenrechte. Aber ich bin dann von diesem Job zurückgetreten, weil die EPRDF die Medien genauso benutzt hat wie die Regierung, die sie vorher bekämpft hat. Wissen Sie, die Politik eines bewaffneten Umsturzes ist immer eine Politik der Gewalt. Im Busch haben wir unsere Gegner mit Waffengewalt geschlagen. Als wir dann in die Stadt kamen, wussten wir nicht, wie viele Menschenrechte wir in den befreiten Gebieten respektieren konnten, ob wir freie Meinungsäußerung zulassen sollten, ob wir gar zulassen sollten, dass die Menschen uns kritisieren. Wir hatten keine demokratische politische Kultur. Daran sind wir gescheitert. "
Die demokratische politische Kultur gibt es für Aregawi nur auf dem Papier. Zwar gibt es seit 1992 ein Gesetz, dass die Freiheit der Presse festschreibt. Es gibt auch 93 zum Teil private Zeitungen im Land, die die Regierung – sogar in äußerst heftigen Worten - kritisieren dürfen. Doch diese Zeitungen können nur von den 15 Prozent der Bevölkerung gelesen werden, die in den Städten wohnen. Die übrigen und wahlentscheidenden 85 Prozent der Äthiopier leben auf dem Land; ihnen bleibt als einzige Informationsquelle das staatlich gelenkte Medienimperium. Und über allem wacht das allmächtige Informationsministerium. Ein Strafgesetz, das noch aus der Zeit von Kaiser Haile Selassie stammt, sichert dem Ministerium für Information die Aufsicht und die Regulierung der Medienlandschaft zu. Noch im letzten Jahr entzog man dort den regierungskritischen Medienmachern der Organisation EFPF Ethiopian Free Press Journalists für ein halbes Jahr die Lizenz. Und auch die Einführung des privaten Rundfunks wurde von der zuständigen Abteilung so lange verzögert, dass vor den Wahlen keiner der privaten Anbieter auf Sendung gehen konnte. Netsannet Asfaw, Staatsministerin im Informationsministerium, macht dafür technische und juristische Schwierigkeiten verantwortlich:
" Die Opposition hat sich für Zulassung privater Medien stark gemacht. Und die Anbieter, die sich als qualifiziert erweisen, werden auch eine Erlaubnis erhalten. Aber wir haben gemerkt, dass das sehr lange dauern wird. Es gibt so viele rechtliche und technische Dinge zu bedenken, das ist eine große Herausforderung. Und ich kann ihnen versichern, in diesem Land gibt es seit 14 Jahren keine Zensur mehr. "