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Freies Fernsehen für Italien

In Italien ist mit "Pandora" das nach eigenen Angaben einzige unabhängige Fernsehen des Landes gestartet. Das Internet-Programm hält sich bewusst fern vom Medienmogul Silvio Berlusconi, der in Italien inzwischen nicht nur seine drei eigenen national ausstrahlenden Fernsehsender kontrolliert, sondern auch zwei von drei Kanälen der öffentlich-rechtlichen RAI.

Von Thomas Migge |
    Pandora nennt sich das "einzige unabhängige Fernsehen Italiens. Der Name leitet sich von der sogenannten Büchse der Pandora ab, die der griechischen Mythologie zufolge alles Schlechte, aber auch die Hoffnung, in die Welt bringt.

    Mit Aufnahmen von Massendemonstrationen gegen die Regierung von Silvio Berlusconi und mit der musikalischen Untermalung eines Liedermachers, wird Zuschauern klar gemacht, um was es geht: um Protest, um ganz neues Fernsehen, um die Furchtlosigkeit vor den Mächtigen, oder genauer gesagt: vor jenem Medienmächtigen, der ja in Italien inzwischen nicht nur seine drei eigenen national ausstrahlenden Fernsehsender kontrolliert, sondern auch zwei von drei Kanälen der öffentlich-rechtlichen RAI.

    Vor rund einem Jahr saßen einige Mitglieder des römischen Clubs der Auslandspresse zusammen und schimpften wie so oft über die Mediensituation im Berlusconi-Italien. Man braucht kein Kommunist zu sein - wie der Regierungschef alle jene bezeichnet, die ihn kritisieren - um zu erkennen, dass in Italien ein Mann den Großteil der TV-Medien dominiert. Nur noch RAI 3, traditionelle Domäne der Linksparteien, berichtet kritisch. Aber vielleicht nicht mehr lange, denn Berlusconi erklärte bereits, dass er die seiner Meinung nach "trüben Kritikergesichter dieses Senders" nicht mehr ertrage. Schon ist von einer Teilprivatisierung der RAI die Rede. Natürlich meint die Regierung damit den Verkauf von RAI 3. Gegen diese Situation müsse man nicht nur anschreiben und protestieren, sondern etwas Konkretes tun: das beschlossen damals die zusammensitzenden Journalisten. Dazu Udo Gümpel, Italien-Korrespondent von n-tv und Direktor des neuen Fernsehsenders:

    "Ich lebe seit Jahren in Italien und ich mag die Leute hier, aber ich mag es nicht, dass die Menschen permanent gefilterte Informationen erhalten, Regierungsinformationen. Hier herrscht ein Medien-Monopol und deshalb versuchen wir die Quadratur des Kreises: ein eigenes Fernsehen, von unabhängigen Journalisten und Intellektuellen gemacht, links und kritisch. Die wahren Probleme der Menschen in Italien kommen im Fernsehen nicht mehr vor."

    Pandora TV mit Sitz in Rom finanziert sich selbst - mit Sponsorengeldern von Unternehmen und Spendenabonnements von Zuschauern. Udo Gümpel und andere Programmmacher reisen neben ihrer Arbeit auch durch Italien, um Geld zu sammeln und für das Unternehmen zu werben. Der neue Sender strahlt vorerst nur über Internet aus; eine eigene TV-Frequenz gibt es noch nicht.

    Das Programm gestalten rund ein Dutzend prominenter Journalisten der Auslands- und der italienischen Presse wie zum Beispiel Claudio Fracassi und Furio Colombo, aber auch Schriftsteller wie Lidia Ravera:

    "Pandora hat keine Chefs. Die Chefs sind wir alle. Eine große Redaktion, die gemeinschaftlich entscheidet, was ins Programm kommt. Da wir ein recht gemischter Haufen sind, Journalisten, Schriftsteller und andere Interessierte, wird sicherlich heftig diskutiert, aber keiner von uns dominiert. Bei uns bekommt man andere Gesichter als im übrigen Fernsehen zu sehen."

    Die einzelnen Redaktionen - Politik, Wirtschaft, Kultur und Musik -strahlen nicht nur aus, was die Redaktionsmitglieder vorbereiten, sondern senden auch Videos von Zuschauern, von Bürgern, die Missstände anklagen wollen. Missstände in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen. Bürgerfernsehen rund um die Uhr ist das Motto von Pandora TV- mit Reportagen aus Regionen und Städten, mit investigativem Journalismus und vielen Nachrichten- und Diskussionssendungen, ganz ohne die im italienischen Fernsehen kaum mehr wegzudenkenden Seifenopern und Shows voller halbnackter Mädchen.

    Eine eigene Redaktion gibt es zum Thema Mafia: die Anti-Mafia-Redaktion. Sie beschäftige sich ausschließlich mit dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität, erklärt die Journalistin und ehemalige Linksabgeordnete Tana de Zulueta:

    "Ich hin davon überzeugt, dass das Thema Antimafia in Italien, also dort, wo die Bosse ganze Regionen kontrollieren, viel zu kurz kommt. Wir wollen die mafiösen Strukturen aufdecken und jene zu Wort kommen lassen, die sonst unter den Tisch fallen, jene Bürger, die sich gegen die Clans auflehnen und alle unsere Unterstützung benötigen. Wenn Themen wie diese nicht mehr angesprochen werden, dann hält man sie auch nicht mehr für so wichtig."

    Der Journalisten- und Intellektuellensender hat die volle Unterstützung von so prominenten Berlusconi-Gegnern wie Literaturnobelpreisträger Dario Fo und der Schriftstellerin Dacia Marini. Bleibt abzuwarten, ob sich in Italien genügend Menschen finden, die für ein alternatives Fernsehen Geld ausgegeben wollen.