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Freiheit für den Wurzelserver

Einprägsame Internetadressen sind mittlerweile Mangelware. Die Netzbehörde Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verabschiedete zwar sieben neue Endungen, aber nur zwei davon gehen noch in diesem Jahr ans Netz. Eine günstige Gelegenheit zur Revolte witterten daher alternative Anbieter aus der Internet-Szene und schlossen sich zur Open Root Server Confederation zusammen. Das Konsortium soll der trägen Behörde Konkurrenz bei der Namensvergabe machen.

Pia Grund Ludwig |
    In die Vergabe von Internetdomänen kommt Bewegung: Die neu gegründete Open Root Server Confederation, abgekürzt ORSC, will auf eigenen Rechnung schnell mehr Domains schaffen und dazu das Monopol der ICANN auf die Vergabe von Netznamen brechen. Dabei weiß die ORSC eine starke Anhängerschaft hinter sich, die über die von der ICANN bislang an den Tag gelegte Schwerfälligkeit verärgert ist. Während ICANN kürzlich sieben neue Internet-Endungen zwar verabschiedete, doch nur zwei davon noch in diesem Jahr wirklich verfügbar sein werden, will ORSC schneller agieren und verweist dabei auf den Grundgedanken eines freien und internationalen Netzes.

    Auf offene Ohren stößt die Rebellion gerade bei den Europäern, die erst nach langem Drängen die Endung .EU von ICANN endlich zugewiesen bekamen. Pascal Bernhard, dessen Unternehmen Cube in Deutschland Open-Root-Server-Domains verkauft, stellt sich die Namensvergabe zukünftig vielmehr so vor: " Das Konzept der ORSC ist, jeder Gemeinschaft zu einer eigenen Domänen-Endung zu verhelfen. Die technischen Möglichkeiten dazu sollen eigene Root-Server eröffnen." Gelänge dieser Coup tatsächlich, würde das nahezu beliebige Domänenendungen bedeuten, wie etwa .Buch, .Bäcker oder .Radio. Der Haken dabei: Die Einträge werden nicht auf dem bisherigen zentralen Namensverzeichnis des Internet, dem so genannten Root Server A der Icann vorgehalten. Dieser Server stellt den hierarchischen Ausgangspunkt der Internetverwaltung dar, in dem die Grund-Domänen, wie beispielsweise .com oder .org, verwaltet werden. Kann ein einzelner Benutzer-PC eine bestimmte Adresse nicht direkt auffinden, wird seine Rechercheanfrage entlang des Wurzelbaumes befördert, nötigenfalls bis hin zum Root Server A. Eine eindeutige Identifikation von Internetnamen ist so stets gewährleistet. Sollte ORSC dagegen eigene Root Server installieren, könnten einzelne Adressen möglicherweise nicht gefunden oder aber doppelt belegt werden, weil die Abstimmung zwischen ICANN und ORSC fehlt.

    Ein weiteres Problem: Die Computersysteme der Internet-Provider fragen bislang nur die Namensdatenbank von ICANN ab. Alle nicht darin erfassten Netznamen, eben jene der ORSC, können nicht automatisch erreicht werden. Erst nachträgliche Manipulationen an den Interneteinstellungen der Benutzer-Rechner sorgen für eine einwandfreie Navigation auch in den Netzen jenseits des ICANN-Universums. Bernhard will jetzt die Internet-Provider dazu bewegen, ihre Namensserver auf die neuen ORSC-Root-Server abzustimmen, um mit neuen Domänennamen schnellstens harte Fakten zu schaffen. Doch ob die Rebellion wirklich Erfolg haben wird, ist fraglich, denn gerade die großen Internet-Anbieter arbeiten als Vertriebspartner für Internetadressen mit etwa dem deutschen Statthalter der ICANN, DENIC, eng zusammen und können mit dem Domänen-Monopol daher gut leben.