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Freiwillig statt mit Verordnungen

Ja, der Greifswalder Bodden ist europäischen Vogelschutzgebiet, d.h. dass er ganzjährig für den Vogelzug, für Vögel allgemein wichtig ist. Das fängt an im Frühjahr mit der Brut. Im Frühjahr kommen auch schon die ersten Vögel aus Südeuropa, die dann weiter nach Skandinavien fliegen. Im Sommer gibt es Vögel, die in der Mauser sind. Der Herbstzug, da kommen wieder Vögel aus Skandinavien, Nordeuropa, die sich in dem Gebiet fit machen für den Weiterflug in Richtung Süden. Das ganze Jahr über kann man da viele Vögel beobachten.

Von Johannes Kaiser |
    Markus Hammer vom Projektbüro Ostsee des WWF kennt jede Bucht seiner Küste und weiß zu berichten, daß jedes Jahr allein eineinhalb Millionen Eisenten in die Buchten und Bodden vor Rügen und dem Fischland Darß einfallen. Mindestens 15 Vogelarten sind auf die pflanzen- und fischreichen flachen Küstengewässer angewiesen. Das hat in den Tagen der Wende dazu geführt, dass große Teile dieser einzigartigen Landschaft unter Naturschutz gestellt wurden. Dazu gehören auch Teile des Greifswalder Boddens und des Strelasunds.

    Diese Küstenabschnitte erfreuen sich gerade bei Anglern und Wassersportlern zunehmender Beliebtheit. Jedes Jahr tummeln sich mehr Boote auf dem Wasser. Die aber haben sich bislang wenig an die gesetzlichen Vorschriften des Naturschutzes gehalten. Verbote, die nicht beachtet, Vorschriften, die ständig übertreten werden, mangelnde Kontrollmöglichkeiten, eine Wasserschutzpolizei, die nicht willens ist, Gesetzesverstöße zu ahnden – noch bis vor kurzem stand der Naturschutz hier nur auf dem Papier, fand in Wirklichkeit kaum statt. Das veranlasste das WWF Projektbüro Ostsee, eine Aufklärungs- und Informationskampagne zu starten. Cathrin Münster und Markus Hammer machten sich auf, die weit über 100 Vereine, in denen sich die Angler, Segler, Kanuten, Surfer und Motorbootfahrer organisiert haben, zu besuchen. Immer wieder haben sie in den letzten zwei Jahren anfangs dasselbe erlebt: völliges Unverständnis für den Naturschutz. Hier nun setzten die beiden WWF-Mitarbeiter an. Zuerst einmal klärten sie die Angler und Wassersportfreunde darüber auf, warum sie der Natur schaden können. Markus Hammer:

    Die Vögel sind hier, um Energie aufzunehmen, Nahrung aufzunehmen und wenn sich ein Boot jetzt dieser Vogelansammlung nähert, dann fliegen die auf und verbrauchen die Energie, die sie eigentlich bräuchten, um weiterfliegen zu können, d.h. sie können zuwenig Nahrung aufnehmen, sie haben zu wenig Energie für den Weiterflug. Damit würden sie den Flug über die Alpen, übers Mittelmeer oder über die Sahara nicht mehr schaffen.

    Mit solchen Erklärungen gelang es den beiden WWF-Mitarbeitern, die Betroffenen für den Naturschutz zu gewinnen. Endgültig brach das Eis durch das Eingeständnis der Naturschützer, dass durchaus nicht alle Verbote sinnvoll und berechtigt sind. Dazu Cathrin Münster vom Projektbüro Ostsee:

    Wir haben z.B. in Bereichen, wo es eine Befahrensverordnung gibt, d.h. dort ist per Gesetz das Befahren geregelt, da haben wir ganzjährig und 24 Stunden am Tag den gesamten Uferbereich 100 m für Wassersportler gesperrt. Aber von der Landseite befinden sich Wanderwege und zum anderen gibt es Badestellen und dann sagen die Wassersportler: ‚Ja bitte, die baden da, die fahren mit ihren kleinen Schlauchbooten raus und mit der Luftmatratze usw. und was ist mit uns, warum dürfen wir dort nicht anlanden?’ Und da können wir nur sagen: ‚Tut uns leid, können wir nicht begründen’ und das haben wir jetzt in unserem Projekt eben aufgegriffen. Da gibt es eben Stellen, da haben wir eben auch mit den Naturschutzvertretern zusammengesessen. Die haben gesagt auf keinen Fall. Da können sie nicht ankern und da sind wir eben auf diesen Gedanken gekommen, die Badesaison, die ist ganz eng eingegrenzt Mitte Juni bis Mitte September. Das sind genau drei Monate und auf diese drei Monate begrenzen wir das und dadurch, dass es freiwillig zustande kommt, das gibt uns die Gewissheit – Garantie, davon können wir noch nicht sprechen -, dass Nutzer sich auch dran halten werden.

    Solche Kompromisslösungen sind in Vereinbarungen festgehalten worden. Deren Grundprinzipien finden sich heute auf übersichtlichen vielfarbigen Faltblättern und im Internet mit den Logos der Vereine wieder, werden allerorten verteilt. Bleibt die Frage, wie denn überprüft werden kann, dass sich auch alle Beteiligten an das Vereinbarte halten. Auch hier hat man eine praktikable Lösung gefunden. Sogenannte freiwillige ehrenamtliche Revierlotsen, die aus den Vereinen stammen, nehmen sich die Sünder aus den eigenen Reihen zur Brust. Das ist gewiß effektiver, als wenn sich Fremde einmischen. So steht zu erwarten, dass es demnächst um den Naturschutz in dieser Region besser steht. Alle haben dazugelernt, so Cathrin Münster vom Projektbüro Ostsee:

    Langfristig und in der Zukunft es geht einfach nicht, dass der Naturschutz immer nur haben will. Es muss ein Geben und Nehmen sein und dann kommt aber in der Summe für den Naturschutz viel mehr raus. Diejenigen, die also Einschnitte vornehmen müssen in ihren Gewohnheiten, die sollen das nicht als etwas von oben Auferlegtes empfinden und sollen sich nicht genötigt fühlen, sondern sie sollen es freiwillig machen. Das ist eigentlich das langfristige Ziel, was wir verfolgen und wir glauben, Naturschutz mit den Menschen, das ist das, was wir zeigen wollen. Dieses Modell, das ist das, was langfristig eigentlich nur geht.