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Friedensverweigerer?

Rüstung.- Seit 1996 bemühen sich zahlreiche Länder um das Inkrafttreten des sogenannten Kernwaffentest-Stoppvertrags. Bisher scheiterte das Vorhaben an einer Handvoll Staaten. Um Druck auf diese auszuüben, gibt es seit 2009 den Internationalen Tag gegen Nukleartests.

Wissenschaftsjournalist Ralf Krauter im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Monika Seynsche: Am 10. September 1996 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit überwiegender Mehrheit einen Vertrag angenommen, der alle Kernwaffentests auf der Welt verbieten soll. In Kraft getreten ist dieser Kernwaffentest-Stoppvertrag bis heute nicht. Denn eine handvoll Staaten weigert sich, ihn zu ratifizieren. Um den Druck auf sie zu erhöhen, hat die UN-Vollversammlung im vergangenen Jahr den 29. August zum Internationalen Tag gegen Nukleartests ausgerufen. Bei uns in der Redaktion kümmert sich Ralf Krauter um die Debatte zu den Teststopp-Abkommen. Herr Krauter, der 29. August war gestern, hat es irgendwas gebracht?

    Ralf Krauter: Frau Seynsche, nein, so direkt nicht. Es fehlen immer noch neun wichtige Unterschriften unter dem Vertrag. Das umfassende Atomwaffenteststopp-Abkommen, CTBT heißt es auf Englisch. Neun Länder, das sind Indien, Pakistan, Israel, Ägypten, der Iran, Nordkorea, Indonesien, China und die USA, sträuben sich bis heute, das Abkommen zu ratifizieren. Und weil das alles Länder sind, die schon 1996 über signifikante Nukleartechnologie verfügten, kann der Vertrag nicht in Kraft treten, solange all diese Neun das Abkommen ratifiziert haben. Im Klartext heißt das: Bis auf Weiteres sind Verstöße gegen diesen Vertrag, obwohl er schon 1996 augesetzt wurde, völlig ohne völkerrechtliche Folgen.

    Seynsche: Was erhoffen sich diese Staaten denn davon, weitere Tests machen zu können?

    Krauter: Da gibt es natürlich unterschiedliche Gründe. Fangen wir vielleicht mit den Ländern an, die bis heute keine Atommächte sind, also Ägypten, der Iran, Indonesien - die wollen sich natürlich offenbar die Tür offenhalten, irgendwann später halt doch mal das Know-how zum Bau eigener Kernwaffen zu erwerben. Und wenn man das tun will, sind Atomtests früher oder später eigentlich unumgänglich. Man kann zwar viel simulieren. Man findet auch Baupläne für einfache Atombomben im Internet. Aber daraus eine richtig zuverlässige, militärisch nutzbare Kernwaffe zu machen, die mit einer genau vorherberechneten Sprengkraft irgendein Ziel zerstört, das ist wirklich knifflig. Man braucht kiloweise hoch angereichertes Uran und Plutonium. Vor allem aber auch komplexe Zündmechanismen, Vorrichtungen. Und da kann man sich zwar viel abschauen und am Rechner durchspielen, aber man muss es am Ende testen, sondern verpufft dieses spaltbare Material am Ende in einer relativ harmlosen Reaktion. Es kommt eben nicht zu dieser verheerenden Kettenreaktion. Das heißt, am Ende kommt man ohne Sprengversuche nicht aus. Und genau das war natürlich auch der Grund für die letzten erfolgten Kernwaffentests. 1998 gab es ja jeweils zwei in Indien und Pakistan, wodurch diese beiden in den offiziellen Kreis der Atommächte aufgestiegen sind. Und dann gab's 2006 und 2009 schließlich die beiden Tests in Nordkorea, wobei da unter Experten ein bisschen umstritten ist, ob das denn tatsächlich funktionierende Bomben waren, die da hochgingen oder eben nur so eine etwas harmlosere Verpuffung.

    Seynsche: Aber was ist denn mit Staaten wie den USA oder China, die ja schon Atomwaffen haben. Die könnten doch sagen, wir haben die Waffen, wir brauchen jetzt keine Tests mehr.

    Krauter: Man hat auch dort ganz lange auf Simulationen gesetzt, weil Nukleartests zurzeit politisch nicht durchsetzbar wären. Die USA haben ja die weltgrößten Supercomputer daran gesetzt, solche neuen Bomben zu simulieren, durchzurechnen. Aber am Ende ist es auch da so: Wenn man das Material weiter optimieren will, will man über kurz oder lang neue Tests machen müssen. Das wissen auch die Hardliner in Washington und deswegen hat man sich bis heute gesträubt, dieses Abkommen zu ratifizieren. In China ist es dasselbe und das ist ja übrigens auch genau der Grund, dass man dieses Teststopp-Abkommen aufgelegt hat, denn ohne Tests keine Weiterentwicklung. Das ist ja die Idee dahinter, das war die Triebfeder für diesen Vertrag und das macht ihn eben auch zu so einem zentralen Baustein bei allen Bemühungen um Nukleare Abrüstung und Non-Proliferation

    Seynsche: Wenn wir mal davon ausgehen, dass dieser Vertrag irgendwann wirklich ratifiziert wird und in Kraft treten kann: Wie könnte man denn überwachen, dass er dann auch eingehalten wird?

    Krauter: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das wussten die Leute, als sie den Vertrag unterzeichneten. Es gibt ein ganz komplexes globales Monitoring-System, mit dem man Leute, die gegen den Vertrag verstoßen, aufspüren könnte. Seismometer messen Erschütterungen, es gibt Unterwassermikrofone, Infraschallantennen, die die Atmosphäre belauschen. 80 Prozent dieser Sensoren existieren bereits und die Daten laufen per Satellit in Wien zusammen, in einer zentralen Behörde, und dort geht man davon aus: Wenn irgendwo jemand etwas testen würde, würden wir das mitkriegen. Selbst wenn er sich noch so anstrengt, uns zu täuschen.

    Seynsche: Und funktioniert das wirklich?

    Krauter: Also die Tests in Pakistan zum Beispiel konnte man schon auf 30 Kilometer genau lokalisieren, obwohl das System damals, also '98, nur rudimentär funktionierte. Die Experten sind schon sehr optimistisch, also man müsste extrem clever sein, wenn man die hinters Licht führen würde. Das Problem ist nur: Selbst wenn die dann Alarm schlagen würden und sagen, da hat jemand getestet - bis heute bewirkt das alles nichts. Man könnte zwar Informationen an Geheimdienste weitergeben, aber rechtliche Folgen hätte es nicht, wenn man einen Schurken dingfest machen könnte und den rauchenden Colt zum Beispiel sicherstellen.

    Seynsche: Vielen Dank. Ralf Krauter war das über den Atomwaffentest-Stoppvertrag.