Schäfer-Noske: Seit Anfang dieses Jahres gibt es in Sachen Tanz in Deutschland etwas Neues: In einem bisher einzigartigen Kooperations-Modell haben sich die Städte Frankfurt und Dresden sowie die Länder Hessen und Sachsen mit privaten Sponsoren dazu entschlossen, die "Forsythe Company" zu finanzieren. Nach der Abschaffung des Balletts in Frankfurt hat William Forsythe diese Truppe gegründet. Und er tritt mit ihr nun - abgesehen von Tourneen - regelmäßig in Frankfurt und in Dresden auf. An der Dresdner Semperoper stand nun eine Personalie an: Der Vertrag des Ballettchefs Vladimir Derevianko läuft Mitte nächsten Jahres aus und man wollte offenbar den Wechsel. Nun wurde bekannt, dass Aaron Watkin neuer Ballettchef werden soll, einer aus dem engsten Kreis der Forsythe-Schüler. Frage an Wiebke Hüster! Was bedeutet denn dieser Wechsel?
Hüster: Zunächst mal ist so ein Wechsel nichts Ungewöhnliches. Wenn jemand zwölf Jahre Ballettdirektor an einem Haus war, dann ist es denkbar auch ohne künstlerische Unzufriedenheit, dass ein Haus sich einen Wechsel wünscht. Derevianko stand für eine neoklassische Ausrichtung. Also er hat manche der Klassiker, wie Giselle zum Beispiel, überholt in einer moderaten, traditionellen Fassung gezeigt. Er hat ansonsten schwerpunktmäßig John Neumeyer dort präsentiert mit Balletten wie "Daphnes und Chloe" oder sein "Sommernachtstraum". Der dritte Schwerpunkt war eigentlich Uwe Scholz, also der verstorbene Ballettchef des Nachbarhauses in Leipzig. Leipzig hat noch keinen neuen Ballettchef, wird wahrscheinlich noch sehr stark weiter das Erbe Uwe Scholz' pflegen. Insofern ist es eigentlich schön, dass die Wahl auf Aaron Watkin gefallen ist. Er hat selbst als Tänzer interessante Stationen durchlaufen, das English National Ballett, das National Ballett of Canada - er ist selbst Kanadier, hat in Holland getanzt, am Het Nationale. Man kann sagen, er kennt wirklich ein ganz breites Repertoire aus mehreren Jahrhunderten der Tanzgeschichte, und das ist schon mal sehr erfreulich.
Schäfer-Noske: Warum hat man denn nicht William Forsythe selbst genommen?
Hüster: Der eigentliche Skandal von Frankfurt ist ja, dass es gar kein Ballett mehr gibt, dass es dort jetzt nur noch Gastspiele gibt, dass man keinen anderen Direktor als Nachfolger Forysthes bestimmt hat. Bei Forsythe hat sich dann herausgestellt, dass er eigentlich auch sich sehr wohl inzwischen der Last der Führung einer solchen Kompanie bewusst geworden war, also viele Tänzer zu haben, innerhalb der Strukturen eines Theaters arbeiten zu müssen, da auch eingebunden zu sein, manchmal entsprechend hinter der Oper zurückstehen zu müssen, alle diese Probleme. Wenn er mit einer kleinen Public Private Partnership Company arbeitet mit 18 Tänzern statt bisher 40, da kann man natürlich den ganzen Verwaltungsapparat verschlanken, viel spontaner reagieren. Da kreist letztendlich alles nur noch um den Künstler Forsythe, und das hat er sich sehr stark gewünscht. Deswegen, glaube ich, hätte man ihm das Ballett der Dresdener Oper gar nicht anbieten brauchen.
Schäfer-Noske: Aaron Watkin hat ja nun gar keine Erfahrungen bisher als Ballett-Manager. Ist ihm ein großes Haus wie Dresden zuzutrauen?
Hüster: Die Kompanie ist im Moment 70 Leute groß. Es ist natürlich eine große Verantwortung, so eine Kompanie zu leiten, und man muss sie auch innerhalb des Hauses sozusagen etablieren. Man muss dafür sorgen, dass das Haus entsprechende Arbeitsmöglichkeiten bereitstellt, dass die Disposition des Balletts nicht immer hinter der der Oper zurückstehen muss usw. Das ist, glaube ich, nicht so einfach. Da wird man sehen, wie er sich da hineinfindet. Er hat bisher nur als künstlerischer Codirektor bei Victor Olate gearbeitet und bei einer kleineren Kompanie in Brüssel. Das kann man natürlich nicht vergleichen. Aber was er gut kennt aus seiner eigenen Zeit als Tänzer, ist, wie verschieden Ensembles in unterschiedlichen Ländern strukturiert waren und gearbeitet haben, und das hilft ihm natürlich enorm. Zweitens ist es so, denke ich, wer mit Forsythe gearbeitet hat, der weiß, dass die künstlerische Arbeit von Choreographen wirklich Priorität haben muss, und dafür wird er als Ballettdirektor bei den Choreographen, die er einladen wird, sorgen.
Schäfer-Noske: Sie haben die künstlerischen Schwerpunkte von Vladimir Derivianko schon angesprochen. Bei Aaron Watkin hatten wir schon gesagt, er ist Forsythe-Schüler, er wird wahrscheinlich auch entsprechend das ins Programm hieven. Was ist denn sonst noch von ihm künstlerisch zu erwarten?
Hüster: Also das Erfreuliche, finde ich, ist, dass er eben die verschiedenen nationalen Repertoires kennt. Das ist, denke ich, sehr wichtig, denn ein solches großes Haus hat die Verantwortung, dem Publikum einen wirklich repräsentativen Ausschnitt des Kanons der Tanzgeschichte lebendig zu erhalten und vorzuführen. Denn wie anders soll das Publikum anders Zeitgenössisches beurteilen, wenn es nicht auch die wichtigsten Werke der Tanzgeschichte kennen lernt? Und das stimmt mich eigentlich doch sehr hoffnungsfroh, muss ich sagen, wenn ich an diese Ernennung denke.
Hüster: Zunächst mal ist so ein Wechsel nichts Ungewöhnliches. Wenn jemand zwölf Jahre Ballettdirektor an einem Haus war, dann ist es denkbar auch ohne künstlerische Unzufriedenheit, dass ein Haus sich einen Wechsel wünscht. Derevianko stand für eine neoklassische Ausrichtung. Also er hat manche der Klassiker, wie Giselle zum Beispiel, überholt in einer moderaten, traditionellen Fassung gezeigt. Er hat ansonsten schwerpunktmäßig John Neumeyer dort präsentiert mit Balletten wie "Daphnes und Chloe" oder sein "Sommernachtstraum". Der dritte Schwerpunkt war eigentlich Uwe Scholz, also der verstorbene Ballettchef des Nachbarhauses in Leipzig. Leipzig hat noch keinen neuen Ballettchef, wird wahrscheinlich noch sehr stark weiter das Erbe Uwe Scholz' pflegen. Insofern ist es eigentlich schön, dass die Wahl auf Aaron Watkin gefallen ist. Er hat selbst als Tänzer interessante Stationen durchlaufen, das English National Ballett, das National Ballett of Canada - er ist selbst Kanadier, hat in Holland getanzt, am Het Nationale. Man kann sagen, er kennt wirklich ein ganz breites Repertoire aus mehreren Jahrhunderten der Tanzgeschichte, und das ist schon mal sehr erfreulich.
Schäfer-Noske: Warum hat man denn nicht William Forsythe selbst genommen?
Hüster: Der eigentliche Skandal von Frankfurt ist ja, dass es gar kein Ballett mehr gibt, dass es dort jetzt nur noch Gastspiele gibt, dass man keinen anderen Direktor als Nachfolger Forysthes bestimmt hat. Bei Forsythe hat sich dann herausgestellt, dass er eigentlich auch sich sehr wohl inzwischen der Last der Führung einer solchen Kompanie bewusst geworden war, also viele Tänzer zu haben, innerhalb der Strukturen eines Theaters arbeiten zu müssen, da auch eingebunden zu sein, manchmal entsprechend hinter der Oper zurückstehen zu müssen, alle diese Probleme. Wenn er mit einer kleinen Public Private Partnership Company arbeitet mit 18 Tänzern statt bisher 40, da kann man natürlich den ganzen Verwaltungsapparat verschlanken, viel spontaner reagieren. Da kreist letztendlich alles nur noch um den Künstler Forsythe, und das hat er sich sehr stark gewünscht. Deswegen, glaube ich, hätte man ihm das Ballett der Dresdener Oper gar nicht anbieten brauchen.
Schäfer-Noske: Aaron Watkin hat ja nun gar keine Erfahrungen bisher als Ballett-Manager. Ist ihm ein großes Haus wie Dresden zuzutrauen?
Hüster: Die Kompanie ist im Moment 70 Leute groß. Es ist natürlich eine große Verantwortung, so eine Kompanie zu leiten, und man muss sie auch innerhalb des Hauses sozusagen etablieren. Man muss dafür sorgen, dass das Haus entsprechende Arbeitsmöglichkeiten bereitstellt, dass die Disposition des Balletts nicht immer hinter der der Oper zurückstehen muss usw. Das ist, glaube ich, nicht so einfach. Da wird man sehen, wie er sich da hineinfindet. Er hat bisher nur als künstlerischer Codirektor bei Victor Olate gearbeitet und bei einer kleineren Kompanie in Brüssel. Das kann man natürlich nicht vergleichen. Aber was er gut kennt aus seiner eigenen Zeit als Tänzer, ist, wie verschieden Ensembles in unterschiedlichen Ländern strukturiert waren und gearbeitet haben, und das hilft ihm natürlich enorm. Zweitens ist es so, denke ich, wer mit Forsythe gearbeitet hat, der weiß, dass die künstlerische Arbeit von Choreographen wirklich Priorität haben muss, und dafür wird er als Ballettdirektor bei den Choreographen, die er einladen wird, sorgen.
Schäfer-Noske: Sie haben die künstlerischen Schwerpunkte von Vladimir Derivianko schon angesprochen. Bei Aaron Watkin hatten wir schon gesagt, er ist Forsythe-Schüler, er wird wahrscheinlich auch entsprechend das ins Programm hieven. Was ist denn sonst noch von ihm künstlerisch zu erwarten?
Hüster: Also das Erfreuliche, finde ich, ist, dass er eben die verschiedenen nationalen Repertoires kennt. Das ist, denke ich, sehr wichtig, denn ein solches großes Haus hat die Verantwortung, dem Publikum einen wirklich repräsentativen Ausschnitt des Kanons der Tanzgeschichte lebendig zu erhalten und vorzuführen. Denn wie anders soll das Publikum anders Zeitgenössisches beurteilen, wenn es nicht auch die wichtigsten Werke der Tanzgeschichte kennen lernt? Und das stimmt mich eigentlich doch sehr hoffnungsfroh, muss ich sagen, wenn ich an diese Ernennung denke.