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Frühe Meister

Kunstgeschichte. – Vor sieben Jahren zerstörten die Taliban-Milizen die beiden Buddha-Figuren in Bamiyan. Bei dem Beschuss kamen offenbar nicht nur die zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden Statuen, sondern auch die frühesten bekannten Ölgemälde der Welt zu Schaden. Das haben jetzt französische Wissenschaftler entdeckt.

Von Michael Stang |
    In der Nähe der beiden zerstörten Buddhafiguren im afghanischen Bamiyan gibt es viele Höhlen, die für ihre farbigen Verzierungen bekannt sind. Auflagen der Unesco für den Titel als Weltkulturerbe schreiben vor, dass diese einzigartigen Denkmäler erfasst und geschützt werden müssen. Da auch die Malereien unter den Taliban-Zerstörungen gelitten haben, müssen sie ähnlich wie die Trümmerteile der Statuen registriert und analysiert werden, um die Daten für eine mögliche Rekonstruktion zu erheben. Dazu hat die französische Forscherin Marine Cotte zusammen mit japanischen und amerikanischen Kollegen Malereien in 50 Höhlen untersucht.

    "Unser Ziel war, alle Inhaltsstoffe der Malereien in Bamiyan zu untersuchen, also die einzelnen Pigmente und die organischen Bindematerialien. Diese chemische Analyse war nicht in erster Linie eine historische Forschung, sondern wir wollen vor allem Mittel und Wege finden, die alten Malereien zu konservieren.”"

    Da erste Analysen vor Ort nur unzureichende Ergebnisse lieferten, mussten die Forscher winzige Farbproben entnehmen, um sie im heimischen Labor zu untersuchen. In der Europäischen Synchrotron-Strahlungsanlage in Grenoble untersuchte Marine Cotte mit ihren Kollegen Pigmente mit verschiedenen Synchrotron-Techniken. Neben der Infrarot-Mikrospektroskopie, kamen auch die so genannte Röntgenfluoreszenz und Röntgenabsorptions-Spektroskopie zum Einsatz, mit der die Farbreste durchleuchtet wurden. Cotte:

    "”Als erstes haben wir dabei Öl entdeckt, das als Bindemittel eingesetzt wurde. Das war vor allem für uns Europäer eine große Überraschung, da bislang alle davon ausgingen, dass die Ölmalerei erst im 15. Jahrhundert in Europa entwickelt wurde. Nun haben wir aber Ölmalereien schon in Bildern aus dem 7. Jahrhundert entdeckt, damit ist die alte europäische Ansicht komplett falsch."

    Bei dem Öl handelt es sich um Trockenöl, das vermutlich aus Walnuss oder Mohnsamen gewonnen wurde. Die bunten Wandmalereien zeigen unter anderem Buddhas in roten Roben zwischen Palmen und mythischen Wesen. In zwölf der 50 untersuchten Höhlen konnte Marine Cotte diese Öltechnik nachweisen, die damit als ältester Nachweis für Ölmalerei gilt. Cotte:

    ""Zudem sahen wir, dass die Maltechnik äußerst komplex war, auch das hatte niemand erwartet. Die Künstler haben damals mittels verschiedener Farbschichten, die unterschiedlich dick waren, viele optische Effekte erzeugen können. Alle Malereien waren unglaublich vielschichtig, da bedurfte es einer komplexen Stratigraphie, um solche optischen Effekte zu erzeugen.”"

    Aber nicht nur das Herstellen dieser Effekte war schwierig, auch ihre heutige Analyse, sagt Marine Cotte. So sei schon der Strahl aus dem Teilchenbeschleuniger notwendig gewesen, um jede einzelne Schicht exakt zu durchleuchten und analysieren zu können. Mit herkömmlichen Röntgenmethoden war dies nicht möglich. Cotte:

    ""Es war sehr überraschend, zumal ich solche Methoden bislang nur aus der historischen Kosmetik beziehungsweise Medizin kannte, etwa im antiken Rom oder Ägypten. Dort wurde Öl bereits als Bindemittel benutzt. Es ist schon erstaunlich, dass die gleichen Methoden – sowohl in der Malerei als auch in der Medizin – eine identische Entwicklung genommen haben.”"

    Die aufwendigen Höhlenmalereien sind vermutlich von Künstlern geschaffen worden, die auf der Seidenstraße, der alten Handelsroute zwischen China und dem Westen, unterwegs waren. Allerdings gibt es vor allem aus dem zentralasiatischen Raum bislang nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, die mehr Licht in die frühen kulturellen Überlieferungen werfen können.