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Früher Australopithecus
Großer Streit um kleinen Fuß aus Südafrika

Paläoanthropologie. - Seit 20 Jahren sorgen die Knochen des "Little Foot" genannten Frühmenschen aus Südafrika, der ein direkter Vorfahr der heutigen menschlichen Linie sein könnte, für Diskussionen. Streitpunkt war die zuverlässige Datierung. Jetzt wurde das Alter auf Pressekonferenzen verkündet sowie im "Journal of Human Evolution" veröffentlicht. Der Wissenschaftsjournalist Michael Stang berichtet im Gespräch mit Uli Blumenthal.

Michael Stang im Gespräch mit Uli Blumenthal | 14.03.2014
    Blumenthal: Herr Stang, wie alt sind die Knochen von Little Foot denn nun?
    Stang: Ja, zumindest in der heute vorgestellten Studie, die auch parallel im "Journal of Human Evolution" erscheint, gehen die Forscher davon aus, dass diese Frühmenschen bereits vor drei Millionen Jahren gelebt haben. Und das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, denn mit diesem doch recht hohen Alter, muss man sagen, könnten diese Frühmenschen tatsächlich ein Vorfahr jenes Zweiges im Stamm der Menschheitsgeschichte sein, aus dem sich später dann unsere Gattung Homo entwickelt hat. Gleichzeitig muss man auch sagen, ist ein Kuriosum beendet. Denn dieses "Little Foot" genannte Skelett gilt ja als eines der vollständigsten, die jemals von der Gattung Australopithecus gefunden wurde., das man aber aufgrund der fehlenden Datierung nicht einordnen konnte. Es war also nicht klar, handelt es sich hier tatsächlich um einen Vorfahren bestimmter Frühmenschen, oder um Nachkommen. Und das ist jetzt endlich geklärt.
    Blumenthal: Warum gab es überhaupt diese Diskussion, diesen Datierungsstreit in Südafrika?
    Stang: Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst ist die Vorgeschichte sehr speziell, denn die Knochen, die in den Kalksteinformationen im südafrikanischen Sterkfontein in einer Höhle entdeckt wurden, die ja auch zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören, die wurden vermutlich mehrfach von Gestein umschlossen, die Höhlen wurden ausgespült und später durch natürliche Begebenheiten neu verfüllt, und dass es eben keine vulkanischen Schichten gab, machte eine direkte Datierung unmöglich. Das heißt, man musste es über relative, also indirekte Datierung machen, anhand von weiteren Fossilien also zum Beispiel versteinerten kleinen Raubtieren. Und diese ergaben zunächst ein sehr hohes Alter, ein Alter von drei bis 3,5 Millionen Jahren. Das wird aber von anderen wieder als zu hoch erachtet. Dann gab es eine weitere Studie, die mit der Uran-Blei-Datierung ein Alter ergab, sehr niedrig, von höchstens 2,2 Millionen Jahren, das war also wieder das Gegenteil. Und es folgten noch andere Datierungen, die das alles bestätigen sollte. Also es war ein großes Wirrwarr. Es gab keine klaren Antworten, weil einfach diese Stratigraphie dort in Südafrika sehr, sehr schwierig ist. Aber jetzt haben sich die Forscher aus Südafrika und Frankreich zusammen getan und haben detailliert die Tropfsteinreste, in denen das Skelett lag, datiert und diese Experten sind sich nun einig, dass die Knochen dort also schon vor mehr als drei Millionen Jahren abgelegt wurden. Also, dieses Skelett ist tatsächlich mindestens drei Million Jahre alt ist.
    Blumenthal: Wenn ich das jetzt alles richtig geschüttelt habe, kann man sagen: Vor rund drei Million Jahre hat im heutigen Südafrika ein aufrecht gehender Frühmensch gelebt. Was bedeutet dieser Kenntnis dann für die Stammesgeschichte Menschheit?
    Stang: Ja, kurz gesagt bleibt Südafrika damit im Rennen als für die Menschwerdung wichtige Region. In den vergangenen Jahrzehnten wurde Südafrika der Rang ja ein bisschen abgelaufen, weil in Ostafrika sehr viele Funde zu Tage kamen, in den Regionen Äthiopiens kennt man frühere Menschen Funde, die älter sind, die sind um die 5 Millionen Jahre alt, und das geht chronologisch bis 50.000 Jahre vor heute. Da hat sich vermutlich auch unsere Art Homo sapiens entwickelt, zu der alle heute lebenden Menschen gehören. Aber jetzt ist klar: Man darf Südafrika nicht vergessen, denn dort gab es auch viele Entwicklungen, ob es jetzt Parallelentwicklungen waren oder Belege für frühe Wanderungen, das sei mal dahingestellt. Aber Südafrika ist tatsächlich nicht unwichtig in der Menschheitsgeschichte.
    Blumenthal: Und zu welcher Frühmenschen abgehörten das Skelett Kleiner Fuß?
    Stang: Ja, zuvor war nur klar, dass es definitiv ein Vertreter dieser Gattung Australopithecus ist, aus der dann unsere Gattung Homo später hervorging. Viele hatten einfach gesagt: Na ja, wir nennen das ganze Australopithecus africanus, was eine sehr frühe Art von Australopithecus ist. Die Studienautoren jetzt, die legen sich fest, sie sagen: Dieser gehört zu dem so genannten Australopithecus prometheus, ein Name, der schon sehr alt ist, er wurde 1948 zum ersten Mal genannt und er hält jetzt tatsächlich Einzug in die wissenschaftliche Literatur.
    Blumenthal: Wenn ich unsere Gespräche der letzten Monate und Jahre resümiere, ist es immer wieder die Frage: Stößt derartiges denn einhellig auf Zustimmung unter Wissenschaftlern? Wie ist es diesmal? Sind alle der gleichen Meinung, also Akzeptanz auf breiter Front?
    Stang: Nein, also das gibt es nicht wirklich. Ich kenne mehrere Wissenschaftler, die sagen: Man soll nicht so kleinteilig reden, nicht immer direkt eine neue Art aufrufen, sondern wirklich ein bisschen größer erachten. Es ist ganz klar, vor drei Millionen Jahren lebten in Südafrika tatsächlich schon aufrecht gehende frühe Menschen. Und wenn man diese Merkmalskataloge nennt, ab wann tatsächlich eine Art wirklich zu dieser Spezies zu rechnen ist, die findet man nicht bei allen Fossilien. Und letztendlich muss man sagen: das sind wissenschaftlich Scharmützel, ob das tatsächlich ein Australopithecus prometheus ist oder ein Australopithecus afarensis. Es geht ja tatsächlich um Entwicklungen, dass man weiß: aus A folgt B folgte C irgendwann entstand das, was wir heute Homo sapiens nennen. Wichtig ist, dass in Südafrika tatsächlich mehr als drei Millionen Jahre lang Frümenschenvertreter permanent gelebt haben und diese Region tatsächlich wichtig ist