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Führerschein aus Tschechien

Wer seinen Führerschein einmal losgeworden ist, muss hart daran arbeiten, ihn wieder zu bekommen. Viele Deutsche nehmen inzwischen eine Abkürzung und machen den Führerschein im Ausland einfach noch mal neu. In einer tschechischen Fahrschule etwa büffeln erfahrene Kraftfahrer aus Deutschland für die Prüfung.

Von Iris Riedel | 28.07.2011
    "Die Unterschiede zwischen Deutschland und Tschechien habt ihr schon durchgegangen?
    - Ja."
    - "Also, wie ist die Geschwindigkeit in Stadt?"
    - "50 - Landstraße."
    - "80."
    - "90!"
    - "90."

    Die Theorielehrerin Nikola Rotherová geht mit ihren Fahrschülern die Unterschiede zwischen den deutschen und den tschechischen Verkehrsregeln durch. Viele sind es nicht, sie füllen gerade mal eine eng beschriebene Seite auf dem Flipchart. Der Rest ist Wiederholung, denn jeder der vier jungen Männer war schon einmal in Besitz eines Führerscheins.

    "Ich hatte ein Vergehen in Deutschland. Ich wurde angehalten und hatte Drogen genommen und habe dann eben als Auflage bekommen, die MPU zu machen."

    Vor zwei Jahren hat dieser Fahrschüler seinen Führerschein eingebüßt. Wer mit Drogen oder 1,6 Promille im Blut erwischt wurde oder schon mehrmals den Führerschein eingebüßt hat, muss sich in Deutschland einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, kurz MPU, unterziehen. Knappe 50 Prozent der 2009 Untersuchten haben laut Bundesanstalt für Straßenwesen den Test nicht auf Anhieb bestanden. Nicht nur das, wer sich für die MPU entscheidet, muss ziemlich tief in die Tasche greifen.

    "Das sind junge Leute auch. Die haben keine 4000 Euro auf MPU-Vorbereitung und zweimal durchfallen und dann noch mal Führerschein bezahlen. Die kommen lieber hierher und kriegen den Führerschein hier genauso wie in Deutschland."

    Markéta Raumová arbeitet für die Fahrschule Autoskola Drivecamp im böhmischen Karlsbad. Das tschechische Unternehmen mit deutschem Geschäftsführer profitiert wie viele andere Fahrschulen in Tschechien und Polen von der Lücke, die mit der EU-Osterweiterung für deutsche Verkehrssünder entstanden ist. Denn den europäischen Führerschein kann man in jedem Land der EU machen. Ob man seinen Lappen gerade in Deutschland verloren hat, interessiert die Behörden in Tschechien nicht.

    Die einzige bürokratische Hürde für den Führerschein im Ausland ist, dass man in dem betreffenden Land mindestens ein halbes Jahr einen Wohnsitz angemeldet haben muss. Circa 2500 Euro kostet das Rundum-Sorglos-Paket der Fahrschule Drivecamp. Geschäftsführer Mischa Link beschreibt, was es enthält:

    "Nach Anmeldung bei uns gehen wir auf die Ausländerbehörde, melden die Leute an. Dann kommt von den Leuten die erste Anreise. Das geht dann von Sonntag auf Montag und holen Ihre Meldebescheinigung hier ab. Das wird verpackt, damit sie an dem Zeitpunkt bei der Anreise und bei der Rückreise ihre ersten Fahrstunden machen."

    Jeder Kunde der Autoskola Drivecamp bekommt eine tschechische Adresse. Bis jetzt wollte noch kein Kunde sein tschechisches Domizil beziehen. Hauptsache der Name steht am Briefkasten.

    "Innerhalb der 185-Tage-Frist können sie sich dann die Leute einbuchen für den Ausbildungskurs. So, und dann macht derjenige den Kursus komplett mit anschließender Prüfung, ist eine Woche hier. Nach Ablauf der 185 Tage tun wir seinen Führerschein abholen und stellen per Einschreiben zu."

    Die Karlsbader Fahrschule hat sich in einem Hotel an der Fußgängerzone ihr Büro eingerichtet. In dem orange getünchten Hotelzimmer sitzen die vier Deutschen an einem langen Tisch und klicken sich am Computer durch Probetests. Um zwölf fährt der Fahrlehrer mit einem roten Skoda vor, ein kantiges Modell aus den 90ern, und der Praxisteil beginnt.

    Da die Schüler allesamt schon fahren können, fällt kaum ins Gewicht, dass die Deutschkenntnisse des Fahrlehrers über die Wörter rechts, links und geradeaus kaum hinausgehen. Über den Rest verständigen sich der Fahrschüler und sein Lehrer während der einstündigen Spritztour mit Körperakrobatik.

    "Und, wie läuft's so?"
    "Gut bisher, ich bin zufrieden. An ein paar Sachen muss man sich noch gewöhnen, aber... Ja, es ist gut, gefällt mir, macht Spaß."

    Der Rest des Nachmittags steht zur freien Verfügung. Ein bisschen will der Schüler noch studieren, aber bei einer Durchfallerquote unter 20 Prozent kann er das Ganze lässig angehen. Auch bei der MPU, die kürzlich auch in Tschechien eingeführt wurde, ist die Zahl derer, die scheitern, gering. Aber eine Aufnahmegarantie gebe es bei ihr nicht, betont Markéta Raumová:

    "Wir hatten auch einen Kunden, den habe ich vom Bahnhof abgeholt und der Zug von anderem Kunden hat Verspätung gehabt, also mussten wir warten. Habe ihn geschickt, dass der sich was zum Trinken besorgt. Der Herr hat sich halt eine Flasche Schnaps geholt und da war es schon für mich aus."

    Der Schüler hat indessen seine Prüfung erfolgreich absolviert und wird in drei Wochen die ersehnte rosarote Karte mit dem Länderkürzel CZ in der rechten oberen Ecke in den Händen halten. Markéta Raumová ist zufrieden. Das Geschäft boomt, drei bis fünf Anfragen aus Deutschland bekommt die Fahrschule pro Tag, aber ihre Arbeit begreift sie auch als soziale Tat:

    "Wir sind auch da, solchen Leuten zu helfen, denn das ist auch psychisch sehr anstrengend für die. Also, wenn die dann zu uns kommen und kriegen dann den Führerschein, sind die auch sehr glücklich. Also, man sieht, wie die Leute mit glücklichem Gesicht nach Hause fahren und freuen sich, weil die Job kriegen."