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Für eine kalte Kernfusion

Physik. - Seit über 50 Jahren bietet Lindau am Bodensee Nobelpreisträgern und Nachwuchsforschern die Möglichkeit zu Diskussion und Austausch über die Grenzen von Fächern und Disziplinen hinweg. In diesem Jahr stand ein vielbeachteter und umstrittener Vortrag des theoretischen Physikers Brian Josephson auf dem Programm, der 1973 den Nobelpreis für Entdeckungen im Bereich der Supraleitung erhielt. Josephson brach einen Stab für die kalte Kernfusion.

    Lange Zeit schien die Sache mit der kalten Kernfusion, auch Kernfusion im Wasserglas genannt, klar: Die beiden Chemiker Stanley Pons und Martin Fleischmann hatten sich 1989 mindestens schwer geirrt, als sie mit ihren sensationellen Ergebnissen aufwarteten. Denn niemand konnte seitdem die Kernfusion ohne große Energiezufuhr nachvollziehen, von der beide Forscher gesprochen hatten. Josephson wirft dem US-Energieministerium nun vor, der von ihm eingesetzte Untersuchungsausschuss habe 1989 die Entdeckung damals mit nicht haltbaren Argumenten unter den Teppich gekehrt. Josephson: "Ein Hauptargument war, "Wir kennen keinen Prozess, der das auslösen kann." Na und? Es kommt in der Wissenschaft vor, dass Entdeckungen dem bisherigen Verständnis widersprechen! Es wurde auch gesagt, die Beobachtung sei nicht wiederholbar. Was das angeht, gab es tatsächlich Anlaufprobleme. Vor fünf Jahren lag die Wiederholbarkeit aber schon bei 45 Prozent. Heute können manche Labore den Effekt hervorrufen, wann immer sie wollen. Aber wieso wissen wir davon nichts? Das liegt daran, dass den Forschern der Zugang zu den Wissenschaftsjournalen verwehrt ist." Entsprechende Aussagen gibt es in der Tat. Allerdings konnte Josephson seine Kollegen nicht von seiner Sicht der Dinge überzeugen. Immerhin scheint das Energieministerium neuere Ergebnisse zur kalten Fusion noch einmal bewerten zu wollen. Josephson: "Wenn man sich wirklich mit den mittlerweile vorliegenden Arbeiten beschäftigt, wird es schwer sein, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, als dass ein reales Phänomen vorliegt. Wenn dann immer noch gesagt wird, mit den Experimenten stimme etwas nicht, würde ich hoffen, dass das nicht akzeptiert wird."

    [Quelle: Haiko Lietz]